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Cosenza ist eine kleine Stadt mit etwa 67.000 Einwohnern und liegt in der südlichen Region Kalabrien, etwa 320 km südlich von Neapel. Reich an Geschichte (schon erwähnt ca. 400 v. Chr.), wurde die Stadt leider auch mehrfach von Erdbeben heimgesucht. Der italienische Schachbund FSI hat nun erstmals die nationale Meisterschaft an diese kalabrische Stadt vergeben.
Cosenza als Austragungsort der 77. nationalen Meisterschaft von Italien (Foto: Italienischer Schachverband)
Die Bedenkzeit betrug 100 Minuten für 40 Züge, gefolgt von 50 Minuten für 20 Züge und darauffolgend weitere 15 Minuten, zuzüglich 30 Sekunden Bedenkzeit ab dem ersten Zug.
Nach der siebten Runde war ein Tag Pause, bevor die restlichen vier Runden über die Bühne gingen.
Das Turnier selbst ist bei den Teilnehmern äußerst beliebt, zumal alle Teilnehmer vom Italienischen Schachbund eingeladen werden (Vollpension in 4* Hotel) und der Preisfond mit 14.000 Euro auch nicht schlecht ausgestattet ist.
Der Preis für den Sieger lässt sich mit 3.000 Euro und die Übernahme der gesamten Kosten zu einem Turnier im Europäischen Ausland sehen.
Zunächst werden sich viele fragen: warum ein Rundenturnier mit 11 Spielern und nicht mit 12, welchen Sinn hat dies?
Es waren 12 Spieler vorgesehen, doch just drei Tage vor Beginn des Turniers gab es eine Rechtsentscheidung eines Kollegiums des Italienischen Schachverbandes zusammen mit dem Nationalen Olympischen Komitee, wonach drei Spieler zu mehrmonatigen Sperren verurteilt wurden. Unter diesen war auch IM Pier Luigi Basso, welcher als Starter des Turniers vorgesehen war und durch dieses Urteil vom Start abgehalten wurde. Kurzfristig wurde entschieden, diesen Platz nicht nachzubesetzen.
Auf diese Rechtsentscheidung möchte ich in diesem Bericht nicht eingehen, dies würde den Rahmen des Beitrags sprengen.
Ein geräumiger Turniersaal bot allen Teilnehmern ausreichend Platz (Foto: Italienischer Schachverband)
Der Schachverband Italiens (kurz: FSI) wendet zur Zusammenstellung der Teilnehmer seit ein paar Jahren ein interessantes System an. Spielberechtigt waren für die Meisterschaft 2017:
Die Teilnehmer waren demzufolge:
Name |
Elozahl |
Titel |
Qualifiziert über |
Rangliste in Italien |
David Alberto |
2570 |
GM |
Italienmeisterschaft 2016 |
3 |
Brunello Sabino |
2556 |
GM |
Italienmeisterschaft 2016 |
4 |
Dvirnyy Danyyil |
2539 |
GM |
Elo |
5 |
Moroni Luca |
2506 |
GM |
Halbfinal-Turnier |
6 |
Stella Andrea |
2506 |
GM |
Elo |
6 |
Valsecchi Alessio |
2501 |
IM |
Wild Card |
8 |
Godena Michele |
2490 |
GM |
Italienmeisterschaft 2016 |
9 |
Garcia Palermo Carlos |
2440 |
GM |
Elo |
17 |
Gilevych Artem |
2429 |
FM |
Halbfinal-Turnier |
19 |
Sonis Francesco |
2420 |
IM |
Wild Card |
26 |
Genocchio Daniele |
2410 |
IM |
Halbfinal-Turnier |
29 |
Elo-Durchschnitt |
2488 |
|
Aufgrund der Elo-Zahlen schienen die ersten drei der Startrangliste überlegen zu sein, doch gerade Brunello und Dvirnyy zeigten bei der vor ein paar Wochen zu Ende gegangenen Mannschafts-Europameisterschaft keine überragende Leistungen, David war gar nicht nominiert worden, während die Elo-mäßig dahinter liegenden Godena und vor allem Jungstar Moroni in Griechenland groß aufspielten (Moroni erzielte dabei eine Rating-Performance von 2713).
Die Nationale Meisterschaft des Vorjahres (in Rom) gewann nach einem Stichkampf David vor Brunello, Godena und Basso.
Die großen Abwesenden des Turniers waren Daniele Vocaturo (die Nummer 1 Italiens), Francesco Rambaldi (Elo-mäßig Nummer 2, er studiert derzeit in den USA und spielt weniger Turniere) und Axel Rombaldoni (Gewinner 2014, es scheint als würde er momentan eine Schach-Auszeit nehmen).
GM Sabino Brunello (Elo 2556) – einer der Top-Favoriten auf den Sieg
Gleich die erste Runde zeigte, dass das Turnier für die Favoriten kein Honigschlecken sein wird: Der an zwei gesetzte GM Brunello musste mit Weiß gegen IM Valsecchi den Punkt abgeben und der an drei gesetzte GM Dvirnyy verlor mit Schwarz gegen GM Godena.
Während Dvirnyy in Runde zwei gegen den Setzlisten-Ersten David immerhin ein Remis schaffte, musste Brunello gleich seine zweite Null hinnehmen, dieses Mal gegen Jungstar IM Sonis.
Mitfavorit GM Brunello war nach einem überraschend schlechten Start mit drei Niederlagen in den ersten fünf seiner Spiele schon aus dem Titelrennen, Altmeister GM Godena mit zwar schon zwei Siegen, aber ebenso vielen Niederlagen gerade bei 50% der Punkte, während die anderen Favoriten noch auf den großen Coup hoffen konnten.
Zur Hälfte des Turniers, nach Runde sechs, sah die Tabelle wie folgt aus:
GM Michele Godena gegen GM Andrea Stella (Runde 10, Remis) (Foto: Italienischer Schachverband)
IM Alessio Valsecchi gegen GM Carlos Garcia-Palermo (Runde 8, 1-0) (Foto: Italienischer Schachverband)
Nach der neunten Runde hatte IM Alessio Valsecchi eines seiner Ziele erreicht: mit schon 6 Punkten hatte er seine zweite GM-Norm unter Dach und Fach – und er konnte immer noch den Meistertitel 2017 holen!
Die letzte Runde war ein wahrer Thriller: vor Beginn der Runde hatten noch fünf Spieler die Möglichkeit, den Sieg nach Hause zu holen. Bei einem Gleichstand zwischen zwei oder mehreren Spielern würden Entscheidungsspiele im Schnell- und Blitzschach die Entscheidung bringen.
Der Co-Führende Stella (6 Punkte) gegen David (5,5 Punte) war die Spitzenpaarung, wobei David unbedingt einen Sieg benötigte. Die Partie endete recht farblos remis, somit war David aus dem Rennen, aber Stella konnte noch immer auf das Erreichend er Tie-Breaks hoffen.
Dvirnyy (6 Punkte) wollte gegen Brunello auf Biegen und Brechen gewinnen, was daneben ging und für ihn zu einer Niederlage führte.
Auch Valsecchi (6 Punkte) schaffte gegen den jüngsten Spieler Sonis eine gute Stellung, konnte diese aber nicht in den vollen Punkt ummünzen. Das Endspiel von Dame gegen zwei Türmen bei festgefahrener Bauernstruktur war nicht mehr zu gewinnen. Somit kam auch er auf 6,5 Punkte.
Somit blieb es beim Jungstar GM Luca Moroni, der gegen FM Gilevych nach und nach seine Stellung verbessern konnte, und den vollen Punkt in den Hafen brachte, was ihm als einzigem Spieler 7 Punkte brachte und somit konnte er als 17jähriger seinen ersten Meistertitel der Erwachsenen nach Hause bringen.
Der eine oder andere wird sich denken, dass ein so junger Spieler wohl noch nie den Titel in Italien geholt hat… aber im Jahr 2007 gewann bereits ein 15jähriger den Titel. Sein Name war Fabiano Caruana (der inzwischen für die USA spielt).
GM Luca Moroni gewann somit mit 7 Punkten vor IM Alessio Valsecchi und GM Andrea Stella (beide 6,5 Punkte). Diese drei haben sich somit schon automatisch für das Finale im Jahr 2018 qualifiziert.
Von den 55 gespielten Partien endeten 26 Remis, es gab 17 Siege für Schwarz und nur 12 Siege für Weiß.
Erstmals wurde parallel zur geschlossenen Nationalen Meisterschaft der absoluten Klasse auch die Meisterschaft der Jugendlichen Unter 20 und der Frauen abgehalten, diese Turniere jeweils mit 8 Spielern bzw. 7 Runden.
Das Damenturnier war bestens besetzt, die besten fünf Spielerinnen Italiens waren dabei! Die große Favoritin war IM/WGM Olga Zimina (Elo 2394) gefolgt von FM/WGM Marina Brunello (2353) und IM/WGM Elena Sedina (2302).
Zimina-Zedina (Foto: Italienischer Schachverband)
Nach den vorgesehenen 7 Runden kam es zu einem Show-Down zwischen den beiden Spielern mit jeweils 6 Punkten und gleichzeitig den stärksten Spielern des Turniers: IM Olga Zimina gewann nach zwei Schnellschachpartien (beide Remis) die zweite Blitzpartie gegen FM Marina Brunello und somit den Italienischen Meistertitel 2017.
Bei der Meisterschaft Unter-20 gewann der Favorit IM Lorenzo Lodici mit 5,5 aus den 7 Runden. Somit darf er nächstes Jahr bei den „großen“ mitspielen.
Vielleicht gelingt ihm ja ein ähnlicher Coup wie Moroni dieses Jahr?
Partien
Alle Bilder entnommen der offiziellen Webseite des Veranstalters FSI.