08.08.2014 – Mihail Marin hat sich die wichtigsten Partien der letzten Runden noch einmal angeschaut und Highlights ausgewählt. Zum Beispiel Magnus Carlsens eleganter, scheinbar müheloser Sieg gegen Radoslaw Wojtaszek. Oder Maxime Vachier-Lagraves Niederlage gegen Shakriyar Mamedyarov. Außerdem verrät Marin, was Schach mit Fußball zu tun hat. Mehr...
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Mihail Marin kommentiert Olympiapartien, Runden vier und fünf
In Runde vier gab es einige Spitzenpaarungen, von denen ich drei kommentieren möchte. Erstaunlicherweise ähneln sich diese drei Partien in gewisser Weise. Der spätere Sieger begann in allen dreien verhalten und zeigte keinerlei Ambitionen, früh in der Partie Raum gewinnen zu wollen. In allen drei Partien stritt man sich um das Feld d5 bzw. das Feld d4 und zum Schluss entschied immer die anfällige Königsstellung. Ich hoffe, Sie sehen mir nach, dass ich schon wieder eine Carlsen-Partie ausgewählt habe - immerhin ist er der Weltmeister!
Ich muss zugeben, dass meine Kommentare zur fünften Runde vielleicht ein wenig gefärbt sind - das liegt einfach daran, dass ich kurz vorher beim Fußball war!
Ich gehe nur sehr selten ins Stadion (ich glaube, das letzte Mal war ich vor etwa 30 Jahren da), aber letzte Woche meinte meine Frau plötzlich: "Steaua spielt am Mittwoch, warum gehen wir nicht mal hin?" Meine Frau schaut sich nie Fußball an und nie heißt nie. Dieser Vorschlag war also wirklich eine Überraschung und deshalb bin ich sofort ins Internet gegangen und habe Tickets online gebucht. Und ich muss sagen, ich habe das Spiel genossen! Als wir aus dem Stadium zurückkamen und ich darüber nachdachte, welche Partien der fünften Runde ich kommentieren sollte, war es allerdings schon ziemlich spät und ich beschloss, nur eine einzige Partie zu kommentieren: die Spitzenpartie des Spitzenwettkampfs. In meinen Augen verlief sie ähnlich wie das Fußballspiel: die Partie wurde durch einen frühen Angriff entschieden und auch Steaua sicherte sich durch ein Tor in der dritten Minute am Ende den Sieg.
Shakhriyar Mamedyarov vor Beginn der fünften Runde
[Event "41st Olympiad Tromso 2014 Open"] [Site "Tromsø¸"] [Date "2014.08.06"] [Round "5"] [White "Mamedyarov, Shakhriyar"] [Black "Ivanisevic, Ivan"] [Result "1-0"] [ECO "E33"] [WhiteElo "2743"] [BlackElo "2613"] [Annotator "Marin,Mihail"] [PlyCount "59"] [EventDate "2014.??.??"] [EventCountry "NOR"] [WhiteTeam "Azerbaijan"] [BlackTeam "Serbia"] [WhiteTeamCountry "AZE"] [BlackTeamCountry "SRB"] 1. d4 ({Es ist interessant, die in dieser Partie gespielte Variante mit einem modernen Englischen Anti-Nimzo-Aufbau zu vergleichen:} 1. Nf3 Nf6 2. c4 e6 3. Nc3 Bb4 4. g4 $5 {In dieser Variante hat Schwarz weniger Kontrolle über das Zentrum und Weiß hat seine Dame noch nicht gezogen, weshalb ich intuitiv sagen würde, dass die Chancen des Schwarzen, ein gutes Gegenmittel gegen die weiße Variante zu finden, geringer sind als in der Partievariante. Allerdings wurden bereits Hunderte von Partien mit der Partiestellung gespielt und einen besseren Theoretiker als die gesammelte praktische Erfahrung gibt es nicht!}) 1... Nf6 2. c4 e6 3. Nc3 Bb4 4. Qc2 Nc6 5. Nf3 d6 {[#]Eins meiner Lieblingssysteme gegen 4.Qc2. Schwarz umgeht die theoretischen Varianten und strebt einen strategischen Kampf an, in dem das Verständnis von Plänen und Strukturen wichtiger ist als das Auswendiglernen von Varianten-Varianten-Varianten. Die Hauptfortsetzungen des Weißen sind 6.a3 und 6.Bd2, aber nachdem Mamedyarov am Tag zuvor mit Schwarz gewinnen konnte, hatte er Blut geleckt.} 6. g4 $5 { "Fast" eine Neuerung. Der frühe Vorstoß des g-Bauern kommt mittlerweile in in vielen Eröffnungen vor. Sogar in der Tartakower-Variante des guten alten Damengambits! Aber immer wenn der Zug in neuem Gewand auftaucht, dann ist die Überraschung vielleicht so groß wie die von Boguljubov, als Keres 1943 im Scheveninger gegen ihn plötzlich 6.g4 zug. Doch da Schwarz in unser nimzo-indischen Stellung das Zentrum relativ gut kontrolliert, sollte der weiße Angriff nicht allzu gefährlich sein. Aber am Brett kann das unangenehm sein, wenn man sich nicht (zumindest kurz) darauf vorbereitet hat. Fragen tauchen auf: "Hat mein Gegner das gründlich analysiert oder will er einfach nur etwas ausprobieren?" Oder: "Wollte er vielleicht 6.g3 spielen und hat den Bauern nur ein Feld zu weit nach vorne gezogen?" Und schließlich, wenn man auf diese Fragen keine klare Antwort findet: "Hätte ich vielleicht doch Angenommenes Damengambit spielen sollen?!" Solche Fragen könnten den Schwarzen plagen, während seine Mannschaftskollegen glauben, er sei tief in Gedanken versunken. Zumindest mir würde es so gehen, andere Spieler sind am Brett vielleicht disziplinierter. } e5 {Ivan antwortete relativ schnell, nach acht Minuten. Schließlich ist ...e6-e5 die Hauptidee der ganzen Variante. Aber Schwarz verfügt über etliche vernünftige Alternativen.} ({Angenommen, mich hätte der weiße Zug überrascht, würde ich wahrscheinlich} 6... h6 {spielen und meinen Gegner freundlich einladen, die frühe Schwächung seines Königsflügel zu rechtfertigen.}) ({Die andere Möglichkeit, im Zentrum zu kontern, ist} 6... d5 {, um} 7. g5 { mit} Ne4 {beantworten zu können, wonach alles andere als klar ist, ob das Mehrtempo des Weißen zu irgendetwas anderem gedient hat, als seine Stellung zu schwächen.}) ({Außerdem ist der angebotene Bauer nicht wirklich vergiftet:} 6... Nxg4 7. Rg1 e5 {mit unklarem Spiel, Chatalbashev-Vocaturo, Deizisau 2008}) 7. dxe5 {Da Mamedyarov über diesen Zug relativ lange nachgedacht hat (11 Minuten), kann man davon ausgehen, dass seine Eröffnungswahl wirklich Improvisation war. Hätte er die Stellung vorher analysiert, wäre ihm der schwarze Zug wohl kaum entgangen.} dxe5 {Dieser natürliche Zug, den Schwarz fast ohne nachzudenken gespielt hat, gibt Weiß die Art von Stellung, die er haben will, wobei Schwarz objektiv gesehen immer noch OK sein sollte.} ( {Schwarz hätte der Partie eine andere Richtung geben können und zwar mit} 7... Nxg4 $5 {zum Beispiel} 8. Bg5 Qd7 9. exd6 Bxd6 {mit gutem Spiel für... beide Seiten!}) 8. g5 Bxc3+ {Dies zwingt Weiß praktisch, seine Struktur zu ruinieren, aber die dynamische Kompensation, die er dafür erhält, fällt stärker ins Gewicht.} (8... Nd7 {hätte Weiß leichten Vorteil beschert:} 9. a3 Bxc3+ 10. Qxc3) 9. bxc3 (9. Qxc3 {erlaubt Schwarz, Zeit für die Entwicklung zu gewinnen und zwar mit} Ne4 10. Qe3 Bf5) 9... Nd7 $6 { Nach dieser passiven Fortsetzung, mit der Schwarz Dame und Läufer, die noch nicht entwickelt sind, einschränkt, wird die schwarze Stellung schwierig.} (9... Nh5 10. Ba3 Qd7 {nebst baldigem ...Qf5 bot bessere Möglichkeiten.}) 10. Ba3 {[#]Dieser einfache Läuferzug paralysiert König und Dame des Gegners!} Nb6 $2 {Es scheint, als hätte Ivan hier jedes Gespür für Gefahren verlassen, denn er führte diesen Zug (praktisch der entscheidende Fehler) fast sofort aus.} (Nach 10... Na5 {nebst ...c7-c5 hätte Schwarz rochieren können.} 11. Qa4 {sollte Schwarz nicht von seinen Plänen ablenken:} c5 {denn nach} 12. Nxe5 $6 Qc7 {hat Schwarz zumindest ein bisschen Kompensation für den Minusbauern. Auf lange Sicht gesehen könnte sich die Schwäche des Bauern c4 allerdings als bedeutsam erweisen und der Läufer auf a3 riskiert, die schlechteste Figur auf dem Brett zu werden.}) 11. Rd1 Bd7 12. Bh3 {Mamedyarov hat sich für diesen Gewinnzug fast zehn Minuten Zeit genommen. Vielleicht wollte er einfach nur prüfen, ob sein Gegner doch noch ein Ass im Ärmel hat.} Bxh3 {Verzweiflung.} ({Eine andere Möglichkeit, sich aus der Fesselung zu befreien, gab es nicht, zum Beispiel} 12... Qc8 13. Rxd7 Nxd7 14. O-O {nebst Rd1.}) 13. Rxd8+ Rxd8 14. Qe4 {[#] Unter anderen Umständen (zum Beispiel mit dem König auf b8 oder g8) hätte Schwarz wegen der Schwäche des Weißen auf den weißen Feldern ausgezeichnete Kompensation für die Dame. Aber mit dem König im Zentrum ist Schwarz hilflos. } Na4 {Stellt eine hübsche Falle.} 15. Qe3 ({Nur nicht} 15. Nxe5 $2 Rd1+ 16. Kxd1 Nxc3+ {mit Gewinn}) 15... Rd7 16. Nd4 Bg2 17. Rg1 Kd8 18. Nf5 Be4 19. Nxg7 {[#]Der Rest ist Agonie. Schwarz hat nicht einmal eine günstige Struktur.} Bg6 20. Qh3 Nb6 21. Nh5 f5 22. gxf6 Nxc4 23. Be7+ Nxe7 24. fxe7+ Rxe7 25. Nf6 Bf7 26. Rg7 Be6 27. Qh6 Nd6 28. Rxe7 Kxe7 29. Ne4 Nxe4 30. Qg7+ 1-0
Er hat die Springergabel gesehen! Ivanisevic nach Mamedyarovs Zug 15.De3.
Über den Autor
Mihail Marin
wurde 1965 geboren, ist mehrfacher Rumänischer Meister und gehörte Anfang der 2000er Jahre zur erweiterten Weltspitze. Doch Marin spielt nicht nur gut, er kann auch gut und verständlich erklären, was in einer Schachpartie geschieht. Das zeigen seine regelmäßigen Beiträge für das ChessBase Magazin und Bücher wie "Secrets of Chess Defence" und "Von Legenden lernen", die sich bei Kritik und Publikum großer Beliebtheit erfreuen. Marin lebt in Bukarest und ist mit WIM Luiza Marin verheiratet.
TV ChessBase wird im gesamten Verlauf der Schacholympiade von den Ereignissen live berichten. Im "Studio Tromsø" werden Daniel King und André Schulz viele internationale und deutsche Gäste begrüßen.
Daniel King
André Schulz
Parallel zu den Interviews werden die Toppartien im Server wie gewohnt live per Audio kommentiert, wobei Klaus Bischoff den Löwenanteil der deutschen Kommentierung übernimmt.,
Klaus Bischoff kommentiert auf deutsch
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Mihail MarinGM Mihail Marin wurde 1965 geboren und ist im Laufe seiner Karriere mehrfach rumänischer Meister geworden. Wie nur wenige kann er die Ideen hinter Zügen und Varianten erklären und die Motive einzelner Stellung erläutern. Das macht ihn zu einem der angesehensten und produktivsten Schachautoren unserer Zeit. Marin ist regelmäßiger Mitarbeiter des ChessBase Magazins und hat bereits eine Reihe von ChessBase DVDs vorgelegt.
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Dies ist nicht nur ein beliebiger, weiterer Schachkurs – es ist dein allumfassender Zugang zu den Strategien, Erkenntnissen und Techniken, die das moderne Spiel der Großmeister ausmachen.
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