Master Class Band 19: Wilhelm Steinitz – Rezension im neuen KARL

von ChessBase
17.12.2025 – Der erste Schachweltmeister war seiner Zeit weit voraus. Eine neue ChessBase Master Class beleuchtet Wilhelm Steinitz als Theoretiker, Praktiker und Impulsgeber – und zeigt, warum seine Ideen bis heute nachwirken. Harry Schaack hat sich den Kurs angesehen und erklärt in der aktuellen Karl-Ausgabe, warum Steinitz immer noch provoziert, inspiriert und überrascht.

Ein Expertenteam aus zeigt Ihnen inspirierende Eröffnungsvarianten, strategische Meisterleistungen, wegweisende Endspielmanöver und mustergültige Kombinationen im Videoformat und zeigt die Glanzpunkte der Karriere von Steinitz.
Der Wettkampf zwischen Wilhelm Steinitz und Johannes Zukertort im Jahr 1886 wurde als erster Schachwettkampf um die „Weltmeisterschaft im Schach“ geführt. Steinitz gewann und wird seitdem als erster offizieller Weltmeister der Schachgeschichte betrachtet.
Kostenloses Videobeispiel: Die Steinitzsche Restriktionsmethode
Kostenloses Videobeispiel: Strategie Einführung

EIN LOB AUF EINEN AVANGARDISTEN

Der 19. Band der Master-Class-Serie von ChessBase widmet sich dem ersten Weltmeister Wilhelm Steinitz. Vier Experten analysieren in mehreren Videos seine Stärken und Schwächen in den unterschiedlichen Spielphasen.

Dorian Rogozenco würdigt die vielen Beiträge zur Eröffnungstheorie, die Steinitz geleistet hat und die sich in Varianten mit seinem Namen eingeschrieben haben. Steinitz war wortgewaltig und konnte durch seine Kolumnen in der Londoner Zeitung The Field und seinem International Chess Magazine, das er in New York herausgab, sowie mit seinem Buch The Modern Chess Instructor seine Ideen weit hörbar verbreiten. Manchmal war er zu dogmatisch, was insbesondere beim Evans-Gambit deutlich wurde, als er gegen Tschigorin ein Theorieduell begann, das er krachend verlor. Aber viele seiner Eröffnungskonzepte haben überlebt. Bobby Fischer, ein großer Fan des ersten Weltmeisters, hat einige von Steinitz’ Ideen erfolgreich adaptiert, wie Rogozenco zeigen kann.

Steinitz war der erste, der zeigte, dass man im Italiener auch mit ruhigen Zügen dem Gegner Probleme bereiten kann. Besonders in der Französischen Verteidigung hat Steinitz mit Weiß viele neue Ideen eingebracht und beim Verständnis der französischen Struktur eine Schlüsselrolle gespielt. Er selbst hielt Französisch für die „stumpfsinnigste“ aller Eröffnungen und spielte sie mit Schwarz nie.

In der Spanischen Partie ist das Abspiel mit sofortigem d6 nach Steinitz benannt – obwohl er es selbst nicht sehr erfolgreich anwandte, da er während der Weltmeisterschaften gegen den jüngeren und stärkeren Lasker viele Partien damit verlor. Populär wurde die Variante jedoch Anfang des 20. Jahrhunderts, als sie von Lasker, Capablanca und anderen gespielt wurde.

In der Wiener Partie gibt es das Steinitz-Gambit, in dem der König bei stabilem Zentrum früh das Rochaderecht verliert. In der Schottischen Partie findet sich eine Steinitz-Variante mit dem etwas manierierten Zug 4…Dh4, obgleich Rogozenco das Abspiel sogar heute noch als interessante Waffe bezeichnet.

Mihail Marin macht darauf aufmerksam, dass Steinitz zunächst ein Taktiker und Angriffsspieler war – wie alle anderen seiner Zeit. Dann jedoch hatte er einen Erweckungsmoment, der zu großen Einsichten in die positionelle Spielweise führte. Daraus ergaben sich zahlreiche Grundsätze, etwa dass man einen Entwicklungsvorsprung in etwas Konkretes verwandeln muss, weil er nur ein flüchtiger Vorteil ist.

Marin weist darauf hin, dass man auch heute noch viel von Steinitz lernen kann, da er in vielerlei Hinsicht ein Vorreiter war. Viele seiner Partien aus dem 19. Jahrhundert wirken erstaunlich modern. Marin erinnert sich, dass er sich selbst einmal, als sein Spiel in der Krise war, mit Steinitz-Partien vorbereitete – und anschließend das Turnier gewann.

Er zeigt außerdem, dass Steinitz bereits in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hybride Eröffnungssysteme spielte, die heute als sehr modern gelten. Immer wieder schlägt Marin eine Brücke von der Vergangenheit in die Gegenwart, indem er Partien aus den letzten 35 Jahren heranzieht und verblüffende Parallelen zu Steinitz-Partien aufzeigt.

Das meiste, was Steinitz über Strategie und positionelles Spiel geschrieben hat, ergibt Sinn, meint Marin. Einige Thesen seien jedoch zu prononciert und zu dogmatisch formuliert, insbesondere habe Steinitz die Stärke des Königs überschätzt. Als Theoretiker bewertete er die Bauernstruktur höher als die Figurenaktivität, da die Bauernformation etwas Langfristiges sei, während Initiative nur eine temporäre Erscheinung darstelle. Als Praktiker jedoch beherrschte Steinitz sowohl das strategisch-positionelle Spiel als auch das Kombinatorische und den Angriff.

Bei den von Oliver Reeh interaktiv präsentierten Taktikübungen findet sich natürlich auch die berühmteste Partie von Steinitz: sein Sieg mit dem schwebenden Turm gegen von Bardeleben in Hastings 1895.

Karsten Müller spricht über Steinitz’ Endspiel. Die Steinitzsche Restriktionsmethode hat sich als Terminus in der Literatur etabliert, um das Läuferpaar gegen Läufer und Springer zur Geltung zu bringen. Müller erklärt anschaulich, wie sich ein Vorteil in einen anderen transformieren lässt – ein Aspekt, der auch für Steinitz’ Theorie zentral war.

Dieser Master-Class-Band zeigt eindrucksvoll, wie einflussreich die Gedanken von Steinitz nicht nur für seine Epoche waren, sondern zum Teil bis in die Gegenwart fortwirken. Viele seiner Ideen haben überlebt.

Ein Expertenteam aus zeigt Ihnen inspirierende Eröffnungsvarianten, strategische Meisterleistungen, wegweisende Endspielmanöver und mustergültige Kombinationen im Videoformat und zeigt die Glanzpunkte der Karriere von Steinitz.
Der Wettkampf zwischen Wilhelm Steinitz und Johannes Zukertort im Jahr 1886 wurde als erster Schachwettkampf um die „Weltmeisterschaft im Schach“ geführt. Steinitz gewann und wird seitdem als erster offizieller Weltmeister der Schachgeschichte betrachtet.
Kostenloses Videobeispiel: Die Steinitzsche Restriktionsmethode
Kostenloses Videobeispiel: Strategie Einführung

Zuerst veröffentlicht in Karl 04/2025. Nachdruck mit freundlicher Genehmigung.


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