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Nachdruck aus dem Werder-Schachmagazin - mit freundlicher Genehmigung
Im Sommer 2012 unterschrieb ich einen Vertrag als Trainer bei Werder Bremen. Mein Schüler Matthias Blübaum, den ich bereits seit sieben Jahren trainierte, hatte gerade seine erste Bundesligasaison für Hansa Dortmund gespielt. Hansa Dortmund stieg ab und Mattthias, der zu diesem Zeitpunkt erst 15 Jahre alt war, hatte Angebote von fünf verschiedenen Bundesligaclubs. Er entschied sich für Werder Bremen.
Nach fünf erfolgreichen Jahren ist nun der Zeitpunkt gekommen, an dem man Abschied nehmen muss. Matthias wird in der nächsten Saison für den Aufsteiger aus der 2. Bundesliga Süd, die Schachfreunde Deizisau, am Spitzenbrett antreten. Ich wusste von dem Versuch der SF Deizisau ihn abzuwerben und habe am Rande der Bundesligaendrunde am 30. April in Berlin Gespräche mit der Familie Blübaum geführt. Zunächst sah es so aus, als würde Matthias das Angebot ablehnen. Doch drei Wochen später erhielt ich einen Anruf von Matthias` Vater Karl-Ernst Blübaum, durch den deutlich wurde, dass Matthias plante nach Deizisau zu wechseln. Ich habe dann noch mit Matthias allein gesprochen und versucht, ihn zum Bleiben zu bewegen. Nach Absprache mit dem Bundesligateam habe ich ihm angeboten in der nächsten Saison am ersten Brett zu spielen, doch Deizisau machte „ein Angebot, das man nicht ablehnen kann“, wie Karl-Ernst Blübaum es ausdrückte. Wie dieses Angebot genau aussieht, weiß ich nicht, weil Matthias eine Verschwiegenheitsklausel unterschrieben hat. An Spekulationen über die Inhalte des Vertrags möchte ich mich nicht beteiligen. Natürlich ist der Weggang von Matthias Blübaum ein schwerer Verlust für Werder Bremen. Werder verliert nicht nur einen sehr starken Spieler sondern auch das Aushängeschild der Schachabteilung schlechthin. Der Hauptverein ehrte Matthias für seinen Einsatz in der Deutschen Nationalmannschaft. Der Weserkurier berichtete über seine zahlreichen Erfolge und natürlich war Werder durch Matthias´ viele erfolgreiche Turnierteilnahmen ständig in den deutschen Schachzeitschriften, den einschlägigen Internetportalen und in der Schachöffentlichkeit präsent.
Seine erste Partie für Werder spielte Matthias im Oktober 2012 in der 2. Bundesliga Nord in Hamburg – ein solides Schwarzremis. Die letzte Partie am 1. Mai 2017 war ein überzeugender Schwarzsieg bei der Bundesligaendrunde in Berlin gegen König Tegel. Dazwischen lagen 72 weitere Einsätze für Werder in der 1. Bundesliga, 2. Bundesliga, Jugendbundesliga und im Europacup. Außerdem spielte Matthias noch bei der Norddeutschen und Deutschen Blitzmannschaftsmeisterschaft für Werder. Welcher Wettbewerb oder welche Liga auch immer – Matthias erzielte in fünf Jahren in einer nahezu unheimlichen Konstanz beinahe immer zwei Drittel bis drei Viertel der Punkte. Seine Devise „mit Weiß gewinnen – mit Schwarz remis“ spiegelt sich auch in seinen Ergebnissen wieder. Seine größte Stärke ist, dass Matthias stets objektiv die Stellung beurteilt und nahezu nie auf Chance spielt. Es fällt auf, dass Matthias von insgesamt 74 Turnierpartien für Werder nur neun verloren hat. Allein zwei Niederlagen davon musste er beim Europacup gegen allerstärkste Konkurrenz quittieren. Die Gegner hießen Peter Svidler und Pentala Harikrishna. Matthias schaffte das Kunststück in den ersten drei Saisons in den Mannschaftskämpfen für Werder jeweils eine GM-Norm zu erzielen. Außerdem erspielte er noch GM-Normen in Bad Wiessee 2014, bei der Deutschen Einzelmeisterschaft in Verden 2014 und bei den Turnieren in Metz, Cappelle-La-Grande und Zalakaros 2015. Im Juni 2015 nahm Matthias die 2600-Elo--Hürde.
Matthias war ein Glücksfall für Werder Bremen. Im Jahr 2012 hatte Werder ausschließlich ausländische Profis und keinen deutschen Topspieler. Durch ihn kam Werder zurück ins deutsche Spitzenschach. Als Matthias 2015 die Bronzemedaille bei der Jugendweltmeisterschaft U 20 gewann, gab es eine große Resonanz in der deutsche Schachszene. Sogar der Weserkurier berichtete. Der Höhepunkt war dann 2016 erreicht, als Matthias für Deutschland bei der Schacholympiade spielte und Werder Bremen endlich wieder einen Nationalspieler hatte.
Werder Bremen war auch ein Glücksfall für Matthias Blübaum. Er wurde hier behutsam aufgebaut. In den ersten beiden Jahren kam er sogar noch in der 2. Bundesliga zum Einsatz. Dann kletterte er in der Bundesligamannschaft jedes Jahr ein bis zwei Bretter höher. In der letzten Saison spielte er siebenmal am dritten und achtmal am zweiten Brett. Matthias konnte sich bei Werder ohne Druck in aller Ruhe entwickeln. Als Matthias nach seinem Abitur 2014 in der Saison 2014/2015 ein Schachjahr einlegte, unterstützte ihn Werder bei seinen zahlreichen Turnierteilnahmen. In den fünf Bremer Jahren verbesserte Matthias seine Elozahl von 2424 auf 2636.
Last but not least hat Matthias auch mein Leben beeinflusst. Meine Zeit als Turnierspieler war mit dem Eintritt in den Schuldienst im Jahr 2000 mehr oder weniger vorbei. 2005 tauchte Matthias als Achtjähriger beim Landesleistungsstützpunkt Herford auf, an dem ich als Trainer arbeitete. Seine Entwicklung verlief rasend schnell und ließ mich intensiv die aktuelle Eröffnungstheorie studieren, um Matthias immer wieder neue Ideen präsentieren zu können. Schon 2011, als Vierzehnjähriger wagte Matthias den Sprung von seinem fünftklassigen Heimatverein SV Lemgo in die Bundesliga zu Hansa Dortmund. Zunächst wurde dies von mir noch skeptisch beurteilt. Doch Matthias setzte sich nach anfänglichen Schwierigkeiten dort durch. Irgendwann waren mein Beruf als Lehrer und die steigenden Anforderungen meiner Tätigkeit als Trainer nicht mehr zu vereinbaren. 2012 gab ich meinen Beruf als Lehrer auf und wurde professioneller Schachtrainer. Natürlich habe ich mich sehr darüber gefreut, dass Matthias mir nach Bremen folgte, aber ich habe damals keinen Druck auf ihn ausgeübt.
Mir bleibt nur Matthias für die Zukunft alles Gute zu wünschen. Ich hoffe, dass er sein Ziel, das Überschreiten der Elogrenze von 2700 erreichen und in die erweiterte Weltspitze vorstoßen kann.
Deutsche Vizemeisterschaft mit Werder Bremen (Bundesligasaison 2014/2015)
Goldmedaille bei der Jugend-Mannschafts-EM 2015 in Karpacz (Polen)
Bronzemedaille bei der Jugend-Einzel-WM 2015 in Khanty-Mansisk (Russland)
Starke Leistung bei der Schnellschach- und Blitz-Weltmeisterschaft in Berlin 2015
Sieg beim Grenke Chess Open in Karlsruhe 2016
Sieg beim Großmeisterturnier in Bad Ragaz (Schweiz) 2016
Sieg beim Open in Helsingör (Dänemark) 2016
Bester Deutscher bei der Schacholympiade in Baku (Aserbaidschan) 2016
Erfolgreich an Werders Spitzenbrett beim Europapokal in Novi Sad (Serbien) 2016
Remis gegen Weltmeister Magnus Carlsen in Karlsruhe 2017