Maxim Matlakov wird Europameister

von Marco Baldauf
10.06.2017 – Der neue Europameister Maxim Matlakov musste sich heute lange verteidigen, ehe er einen halben Punkt und damit die Tabellenführung sicherte. Vor ebenso schwere Aufgaben sahen sich die deutschen Aspiranten auf einen Qualifikationsplatz für den World Cup gestellt: doch Daniel Fridman, Matthias Blübaum und Vitaly Kundin präsentierten sich durch die Bank von ihrer besten Seite. Tabelle, Fotos und Analysen.

ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024 ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024

ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan

Mehr...

Maxim Matlakov wird Europameister

Die heutige Schlussrunde der Europa-Einzelmeisterschaft war geprägt von der Frage: reicht meine Buchholz? Neben der Titelfrage, die uns später noch beschäftigen soll, ging es heute vor allem darum, wer einen der 22 Qualifikationsplätze für den World Cup 2017 in Batumi erreicht. Wer die Tabellen der letzten Jahre kennt, weiß um die Arithmetik der Europameisterschaft: 8.0/11 reichen sicher, 7.5/11 bei guter bis mittelguter Buchholz. So verwundert es nicht, dass einige der Partien an den vorderen Brettern bereits nach wenigen Minuten beendet waren: zu groß ist das Risiko, am Ende mit nur 7.0 Punkten darzustehen.

Bereits nach 10 Minuten waren drei Partien friedlich beendet...

David Howell und Jan-Krzystof Duda waren mit 8.0/11 natürlich ganz sicher drin, für Etienne Bacrot (18. Platz) reichte es ebenso. Sergei Zhigalko (21. Platz) qualifizierte sich bereits im vergangenen Jahr. Maxim Rodshtein wird nur 23., kann sich jedoch dennoch über ein Ticket freuen, da vier bereits qualifizierte Spieler in der Endtabelle vor ihm landen (David Navara, Baadur Jobava, Sergei Zhigalko und Ivan Cheparinov). Yuriy Kuzubov gewinnt der Rechnung des Verfassers zufolge mit dem 27. Platz nur die Blechmedaille.

Drei deutsche Spieler hatten vor der letzten Runde berechtigte Hoffnungen auf einen Platz an der Sonne: Daniel Fridman, Matthias Blübaum und Vitaly Kunin.

Daniel Fridman, der in Minsk ein überragendes Turnier ablieferte und sich seit Beginn an den Spitzenbrettern aufhielt, stand bei 7.0/10 und sehr guter Buchholz. Ein Schwarzremis gegen Igor Kovalenko würde also sicher für die Qualifikation reichen. Kovalenko, der Vize-Europameister des vergangenen Jahres, war allerdings bereits qualifiziert und somit wohl nicht an einem schnellen Friedensschluss interessiert - im Nachhinein ein Fehler, denn Fridman spielte erneut eine starke Partie und fegte Kovalenko vom Brett.

 

Daniel Fridman spielt ein großartiges Turnier und wird am Ende Vierter. (Foto: Georgios Souleidis)

 

Eine deutliche schwierigere Ausgangssituation hatte Matthias Blübaum. Er hatte sich nach anfangs durchwachsenem Verlauf mit drei Siegen an die Spitze herangekämpft, konnte ebenso wie Fridman 7.0/10 aufweisen, seine Buchholz war jedoch nicht konkurrenzfähig. Somit war klar, dass für den jungen Bremer nur ein Sieg zählte. Ihm gegenüber saß mit Arkadij Naiditsch allerdings alles andere als Kanonenfutter. Beim kürzlich gespielten Grenke Chess Classic gab es für Blübaum gegen Naiditsch nichts zu holen. Heute sollte jedoch alles besser klappen - Blübaum kam gut aus der Eröffnung und kam früh zu einer strategisch klar besseren Position, die Verwertung gelang ihm ebenso einwandfrei.

 

Matthias Blübaum sichert sich durch einen Schlussspurt von 4.0/4 die Teilnahme am World Cup. (Foto: Aeroflot Open 2017)

 

Ebenso klar definiert wie Blübaums Ausgangslage war diejenige Vitaly Kunins, dem dritten Eisen im Feuer. Ein Schwarzsieg gegen Rauf Mamedov musste her, dies würde Kunins Punktzahl auf 8.0/11 hieven - Rechnereien bzgl. der Chance, sich mit 7.5/11 zu qualifizieren konnten beherzt abgebrochen werden: Unter allen Spielern mit 7.0/10 hatte Kunin die zweitschwächste Buchholz. So groß die Hürde vor der Partie auch schien, Kunin meisterte sie mit Bravour und darf sich über ein Ticket nach Batumi freuen.

 

Detaillierte Erklärungen, wie man eine scharfe Gangart im Philidor hinlegt, finden Sie in Simon Williams DVD "The Black Lion", welche ein vollständiges Repertoire gegen 1.e4 darstellt.

_REPLACE_BY_ADV_1

Vitaly Kunin startet als Nr. 130 ins Turnier und belegt letztlich Rang 14. (Foto: Klaus Steffan)


Endtabelle:

Rg. Snr     Name Typ sex Gr Land Elo Pkt.  Wtg1   Wtg2   Wtg3   Wtg4   Wtg5  Rp K rtg+/-
1 5
 
GM Matlakov Maxim     ACP RUS 2714 8,5 0,0 69,5 74,5 6 6,0 2834 10 16,6
2 6
 
GM Jobava Baadur     ACP GEO 2713 8,5 0,0 68,0 72,5 5 8,0 2745 10 6,6
3 14
 
GM Fedoseev Vladimir       RUS 2690 8,5 0,0 65,5 70,5 5 8,0 2797 10 14,7
4 79
 
GM Fridman Daniel     ACP GER 2605 8,0 0,0 74,5 79,0 6 5,0 2778 10 25,3
5 16
 
GM Cheparinov Ivan     ACP ECX 2688 8,0 0,0 70,0 75,5 5 6,0 2783 10 13,4
6 28
 
GM Motylev Alexander     ACP RUS 2665 8,0 0,0 68,0 73,0 5 5,0 2726 10 8,2
7 13
 
GM Duda Jan-Krzysztof     ACP POL 2693 8,0 0,0 67,5 73,0 6 6,0 2740 10 6,8
8 1
 
GM Navara David       CZE 2739 8,0 0,0 67,0 70,5 6 5,0 2682 10 -0,2
9 18
 
GM Howell David W L     ACP ENG 2684 8,0 0,0 65,5 70,5 5 6,0 2754 10 10,0
10 38
 
GM Kravtsiv Martyn       UKR 2653 8,0 0,0 64,5 70,0 5 5,0 2702 10 6,6
11 22
 
GM Areshchenko Alexander     ACP UKR 2677 8,0 0,0 63,0 68,0 5 5,0 2747 10 9,4
12 56
 
GM Bluebaum Matthias       GER 2632 8,0 0,0 62,5 67,5 5 6,0 2675 10 6,2
13 33
 
GM Grachev Boris       RUS 2658 8,0 0,0 61,5 66,0 6 6,0 2713 10 7,3
14 130
 
GM Kunin Vitaly     ACP GER 2551 8,0 0,0 59,0 63,0 5 7,0 2675 10 19,1
15 87
 
GM Bok Benjamin       NED 2598 7,5 0,0 71,0 76,0 5 4,0 2735 10 21,0
16 36
 
GM Jones Gawain C B     ACP ENG 2654 7,5 0,0 69,5 75,0 5 6,0 2697 10 6,6
17 31
 
GM Dubov Daniil       RUS 2660 7,5 0,0 69,5 74,5 6 4,0 2699 10 6,2
18 11
 
GM Bacrot Etienne       FRA 2696 7,5 0,0 69,5 74,5 5 5,0 2750 10 6,8
19 72
 
GM Melkumyan Hrant     ACP ARM 2613 7,5 0,0 69,0 74,0 5 6,0 2692 10 12,3
20 105
 
GM Mastrovasilis Dimitrios       GRE 2580 7,5 0,0 69,0 71,5 5 5,0 2709 10 22,0
21 45
 
GM Zhigalko Sergei     ACP BLR 2643 7,5 0,0 68,5 74,0 6 5,0 2681 10 6,2
22 19
 
GM Artemiev Vladislav       RUS 2682 7,5 0,0 68,0 73,5 6 5,0 2705 10 3,8
23 10
 
GM Rodshtein Maxim       ISR 2698 7,5 0,0 68,0 73,0 5 4,0 2738 10 6,1
24 124
 
GM Aleksandrov Aleksej     ACP BLR 2559 7,5 0,0 67,5 72,0 5 5,0 2703 10 23,0
25 12
 
GM Tomashevsky Evgeny     ACP RUS 2696 7,5 0,0 67,0 73,0 5 4,0 2721 10 4,1
26 71
 
GM Erdos Viktor     ACP HUN 2614 7,5 0,0 67,0 72,0 5 4,0 2693 10 12,3
27 52
 
GM Kuzubov Yuriy       UKR 2637 7,5 0,0 67,0 71,5 5 5,0 2715 10 12,2
28 47
 
GM Lenic Luka       SLO 2641 7,5 0,0 66,0 71,5 6 4,0 2671 10 4,9
                               

... 395 Teilnehmerinnen und Teilnehmer

Der Kampf um den Titel wurde heute zwischen Baadur Jobava und Maxim Matlakov ausgetragen. Jobava hatte 1,5 Buchholzpunkte Rückstand auf seinen Kontrahenten, musste also davon ausgehen, dass nur ein Sieg zum Titel reicht.

Ponziani war die Eröffnungswahl des stets unkonventionellen Georgiers in dieser wichtigen Partie.

Matlakov versuchte die Partie in ruhige Gewässer zu lenken, doch Jobava schaffte es, trotz vieler Figurentäusche gewissen Druck aufrecht zu erhalten. In einem Damenendspiel schaffte es der Georgier dann unter Bauernopfer einen gefährlichen Freibauern zu bilden, doch am Ende stand eine starke Verteidigungsleistung des neuen Europameisters Matlakov.

Wer ist Maxim Matlakov?

Matlakov ging von Startrang 5 ins Turnier und zählte somit durchaus zum Favoritenkreis. Für den 26-jährigen St. Petersburger ist dieser Titel sicherlich der größte Erfolg der bisherigen Karriere. 2012 qualifizierte er sich durch einen 6. Platz bei den Europameisterschaften bereits einmal für den World Cup, schied aber in der zweiten Runde gegen Shak Mamedyarov aus. Wer die deutsche Schachszene verfolgt, kennt Matlakov am ehesten aufgrund seines Engagements beim Bundesligisten Schwäbisch Hall oder seinem zweiten Platz beim diesjährigen Grenke Open in Karlsruhe. Mit einer Live-Rating von 2724 befindet sich Matlakov auf dem 30. Platz der Weltrangliste. Die russische Nationalmannschaft vertrat er meines Wissens nach allerdings noch nicht.

Partien der Runden 1-11:

 

 

Turnierseite...

Ergebnisse bei Chess-results...


Marco Baldauf, Jahrgang 1990, spielt seit seinem sechsten Lebensjahr Schach. Zwei Mal wurde er Deutscher Jugendmeister, seit 2015 spielt er für die Schachfreunde Berlin in der Bundesliga. Für Chessbase schreibt er gelegentlich auf der Homepage, kommentiert live oder versucht sich als Autor von Fritztrainern.

Diskutieren

Regeln für Leserkommentare

 
 

Noch kein Benutzer? Registrieren