NATO-Schachmeisterschaft: Ein besonderer Sieg

von Ulrich Bohn
05.10.2019 – Der Sieg bei der diesjährigen Nato-Schachmeisterschafte hatte für das Bundeswehr-Team eine besondere Bedeutung. Zum einen war das Team diesmal nicht der Favorit. Zum anderen vermissten nicht nur die Bundeswehr-Kameraden den bei einem Unfall auf tragische Weise verstorbenen Lorenz Drabke. Ulrich Bohn berichtet.

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Ein ganz besonderer Sieg für die deutsche Mannschaft

Die diesjährige NATO Schachmeisterschaft war in mehrerlei Hinsicht etwas Besonderes, vor allem aus deutscher Sicht. Wie auch schon bei den runden Jubiläen zuvor war Deutschland Ausrichter des Turniers. Die Stadt Berlin erwies sich dabei als der ideale Austragungsort der 30. NATO Schachmeisterschaft, die vom 16. bis zum 20. September stattfand: Zum einen in Anbetracht der Parallelität, dass hier vor ebenfalls 30 Jahren mit dem Fall der Mauer der Weg zur deutschen Einheit initiiert wurde, wie Vizeadmiral Rühle, stellvertretender Generalinspekteur und Schirmherr der Veranstaltung, in seiner Eröffnungsrede treffend feststellte.

Zum anderen lag es sicherlich auch an der Attraktivität der Stadt, dass insgesamt 114 Spieler aus 17 NATO Nationen an der Meisterschaft teilnahmen, was einen neuen Rekord für das Turnier darstellt.

Aber nicht nur von der Quantität her war das Turnier in diesem Jahr gut besetzt. Auch was die Spielstärke betraf, waren manche Nationen zum Teil wesentlich stärker vertreten als noch in den Jahren zuvor. Griechenland galt nominell als Favorit, vor dem jungen, starken Team aus Polen, das als Titelverteidiger angereist waren. Erst dahinter auf Platz drei in der Startrangliste ging die deutsche Mannschaft ins Rennen. Aber auch die anderen Nationen vor allem Italien, die USA sowie Ungarn waren durchaus als Mitfavoriten anzusehen.

Das Team der Bundeswehr konnte in der Vergangenheit oftmals die Mannschaftswertung gewinnen. In den letzten Jahren musste man jedoch insbesondere Polen zweimal die Wandertrophäe, die Bronzestatue des nordischen Königs Knut, überlassen.

Ganz besonders hart trifft die deutsche Mannschaft aber der Verlust von IM Lorenz Drabke, der im vergangenen Jahr im Alter von gerade einmal 33 Jahren auf tragische Weise bei einem Verkehrsunfall ums Leben gekommen war. Lorenz trug in der Vergangenheit als stärkster Spieler des Teams maßgeblich zu den sehr guten Mannschaftsplatzierungen bei. Aber nicht nur sportlich, sondern vor allem im kameradschaftlichen Sinne schmerzt das Fehlen von Lorenz sehr. Dass dies nicht nur für die deutsche Mannschaft, sondern für die gesamte "NATO Schachgemeinschaft" gilt, wurde in manchen Gesprächen und vielen Gesten deutlich. Im Rahmen der Eröffnung des Turniers wurde seiner mit einer Schweigeminute gedacht.

Auch musste das Team der Bundeswehr kurzfristig auf Oliver Nill verzichten, der im vergangenen Jahr beim Turnier in Lubbock, USA, noch einen hervorragenden fünften Platz erzielt hatte und nun aus dienstlichen Gründen absagen musste.

Zu dem Wettkampf selbst: Die Meisterschaft wird als siebenrundiges Einzelturnier mit Mannschaftswertung ausgetragen. Je Nation können acht Spieler gemeldet werden, von denen sechs im nationalen Team antreten und zwei Spieler auf NATO Teams verteilt werden. Je Team werden die besten vier Spieler in der Einzelwertung für die Mannschaftswertung berücksichtigt.

Im Turnierverlauf sah es für das Team der Bundeswehr nach vier Runden nicht gerade rosig aus: Hier führte Griechenland in der Mannschaftswertung bereits mit zwei Punkten Vorsprung auf Polen, Ungarn und Deutschland. Vor der letzten Runde war Griechenland jedoch zurückgefallen und lag zwei Punkte hinter den zu diesem Zeitpunkt führenden Polen und anderthalb Punkte hinter dem deutschen Team, das in den Runden fünf und sechs einen mächtigen „Zwischenspurt“ einlegte.

In einer spannenden Finalrunde konnte Deutschland dann schließlich in der allerletzten Partie des Turniers durch ein hart erkämpftes Remis von FM Mark Helbig einen halben Punkt Vorsprung vor Polen erzielen und sich somit erneut den Titel des NATO Schachmeisters sichern. Vor dem Hintergrund der oben geschilderten Umstände sowie in Anbetracht des Verlaufs des Turniers kam dieser Sieg letztlich doch ein wenig überraschend. Umso mehr freute sich die deutsche Mannschaft über das tolle Ergebnis und widmete diesen Titel ihrem verstorbenen Mannschaftskameraden, Lorenz Drabke.

In der Mannschaftswertung ergaben sich folgende Platzierungen:

Die deutsche Mannschaft (v.l.n.r.):
Marco Sauer, Ulrich Bohn, Christian Marquardt, Ewald Fichtner, Elijah Everett, FM Mark Helbig, Hans-Christoph Andersen, Guido Schott | Foto: Bundeswehr

Entscheidend für den Erfolg der deutschen Equipe war sicherlich das hervorragende Ergebnis von Elijah Everett in der Einzelwertung. Mit 6,5 Punkten aus sieben Partien konnte er den Meistertitel mit einem ganzen Punkt Vorsprung auf die Konkurrenz erringen. In der letzten Runde besiegte er dabei die Nummer eins der Startrangliste, den griechischen IM Anastasios Pavlidis, der im Vorjahr die Einzelwertung noch für sich entscheiden konnte. Duplizität der Ereignisse: Damals langte jenem hierfür in der letzten Runde noch ein Remis gegen Everett.

Everett konnte seine Partien zum Teil in beeindruckender Weise gewinnen, wie seine beiden Siege aus der sechsten und siebten Runde illustrieren.

Mit 5,5 Punkten folgten die beiden jungen Spieler, Eigen Wang (USA) und Damian Graczyk (Polen), sowie u.a. Hans-Christoph Andersen aus dem Bundeswehr Team.

Elijah Everett | Foto: Bohn

Die Platzierungen der deutschen Spieler im Einzelnen:

Am Nachmittag des letzten Wettkampftages konnten sich die Nationen noch einmal im Rahmen eines Blitzturniers miteinander messen. Hierbei traten in neun Runden nach Schweizersystem Vierermannschaften gegeneinander an, wobei die Brettpunkte für die Rangliste ausschlaggebend waren.

Das griechische Team wurde dabei seiner Favoritenrolle gerecht und siegte vor den Teams Polen 1 und Deutschland 2.

Alle Informationen zu Paarungen und Platzierungen der 30. NATO Schachmeisterschaft können auf der Internetseite https://www.natochess.com/2019 eingesehen werden.

Dass diese Meisterschaft allen Teilnehmern als eine tolle Veranstaltung in Erinnerung bleibt, dafür hat neben den spannenden Wettkämpfen und dem Rahmenprogramm sicherlich auch die ausgezeichnete Organisation des Turniers gesorgt. Verantwortlich hierfür zeichnete die Katholische Arbeitsgemeinschaft für Soldatenbetreuung e.V. (KAS) und vor allem Karl Koopmeiners mit seinem Team. Nachdem er in den vergangenen Jahrzehnten als Team Captain bereits die Geschicke der deutschen Mannschaft gelenkt hatte, verabschiedete er sich mit der bravourösen Ausrichtung dieses Turniers aus dem offiziellen Bereich des NATO Schachs. Im Rahmen der Eröffnungsfeier wurde er von Vizeadmiral Rühle für seine Verdienste um das deutsche NATO Schach mit einem Präsent gewürdigt.

Einmal mehr hat auch diese NATO Schachmeisterschaft gezeigt, dass es sich hier nicht einfach nur um ein Schachturnier handelt, sondern um einen sportlichen Wettkampf unter Freunden, um ein faires Kräftemessen innerhalb der NATO Schachfamilie; dies ganz im Sinne des Mottos des Weltschachverbandes der FIDE „Gens una sumus“ (lat. „Wir sind eine Familie“)!

So verabschiedete man sich denn auch mit dem Versprechen sich 2020 im Rahmen der dann 31. Meisterschaft in Belgien wiederzusehen. Dank der Unterstützung durch die KAS wird das deutsche Team auch bei diesem Turnier natürlich wieder antreten.

 


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