Die 43. Weltmeisterschaft im Problemlösen
Die 43. Weltmeisterschaft im Problemlösen fand im August in Vilnius, der Hauptstadt Litauens, statt. Austragungsort des gut und effizient organisierten Turniers war das Crowne Plaza Hotel, das, wie der Zufall es wollte, gegenüber einem großen Park liegt, der jede Menge Möglichkeiten bot, um zwischen den einzelnen Wettbewerben einen Spaziergang zu machen.
Vilnius hat eine modernes Geschäftsviertel, aber die Altstadt beeindruckt mit zahlreichen attraktiven historischen Gebäuden, wobei vor allem die Kirchen ins Auge fallen.
Das Crowne Plaza und die St. Kasimirs-Kirche
Ein großer Turm fällt nicht nur Schachspielern schnell ins Auge.
Die Neris
Wie üblich gab es am Tag vor Beginn der Weltmeisterschaft eine Offene Meisterschaft, die zum Aufwärmen dient, und die für alle offen ist, nicht nur für die vom jeweiligen Landesverband nominierten Spieler, die bei der Weltmeisterschaft dabei sind. Zwei Probleme, die bei der Offenen Meisterschaft präsentiert wurden, fand ich besonders reizvoll.
Die Figuren im Diagramm können bewegt werden.
Um die Turnierbedingungen zu simulieren, geben Sie sich zehn Minuten zur Lösung der ersten Aufgabe. Beim zweiten Problem stehen zwar zahlreiche Figuren auf dem Brett, aber wenn man die Aufgabe logisch angeht, dann braucht man nur wenig zu analysieren. Zeit: 20 Minuten.
(Die Lösungen - und wie man sie findet - folgen am Ende des Artikels).
Während des Turniers hatte ich den Eindruck, dass es gut für mich läuft, und diese Einschätzung wurde bestätigt, als die Ergebnisse des Offenen Turniers veröffentlicht wurden. 100 Teilnehmer waren an den Start gegangen und mit 52 von 60 möglichen Punkten war ich auf Platz zwei gelandet. Platz eins ging an den Weltmeister Piotr Murdzia, der 55,5 von 60 möglichen Punkten erzielt hatte. Hier sind alle zwölf Probleme nebst Lösungen.
Am nächsten Tag begann die zweitägige eigentliche Weltmeisterschaft, die aus einem Einzel- und einem Mannschaftswettbewerb besteht. Favorit im Mannschaftswettbewerb war das Team aus Polen, das die letzten zehn Weltmeisterschaften für sich entscheiden konnte, allerdings räumte man auch der jungen russischen Mannschaft ein, die den Polen bei den Europameisterschaften im Mai überraschend den Rang abgelaufen hatte.
Am ersten Tag stehen Zwei- und Dreizüger sowie Endspielstudien auf dem Programm. Die folgenden zwei Probleme mussten in den ersten beiden Runden gelöst werden.
Lösungen am Ende des Artikels
Die Runden mit den Zwei- und Dreizügern waren beide ziemlich einfach und so lagen viele der Teilnehmer nach zwei Runden noch bei 100%. Das änderte sich jedoch in der Studienrunde, die schwer war, und in der nur der fünffache Weltmeister Kacper Piorun auf 100% kam. Mir gelang allerdings kaum etwas und ich holte nur 3 von 15 möglichen Punkten, schlechter abgeschnitten hatte ich in einer Weltmeisterschaftsrunde noch nie. Nach Tag 1 führte Kacper Piorun mit 42/45, dahinter folgten Eddy van Beers und Jonathan Mestel.
Als die Ergebnisse des ersten Tages veröffentlicht wurden, stellte ich fest, dass ich es nicht einmal auf die erste Seite geschafft hatte, sondern mein Name erst auf Seite 2, auf Platz 27, zu finden war. In der Mannschaftswertung führte Polen vor Großbritannien (eigentlich sollte es Vereinigtes Königreich heißen, aber aus irgendeinem Grunde wird das Land in Lösewettbewerben immer als Großbritannien geführt!) und Serbien.
In vielen Turnieren war die Tabelle am Ende von Tag eins ein guter Indikator für das Endergebnis, aber dieses Mal gab es einige Überraschungen, denn einige der Teilnehmer an der Spitze erlitten einen Einbruch und andere zogen nach. Die Probleme, die am zweiten Tag gestellt wurde, waren schwerer als die am ersten Tag und so gab es nur wenige wirklich gute Ergebnisse. Für mich begann Tag zwei gut, denn in der Runde mit Hilfsmatts kam ich auf 100%, allerdings nur knapp, denn ein Problem konnte ich erst in buchstäblich letzter Minute lösen.
Bei Hilfsmattproblemen arbeiten beide Seiten zusammen, damit Weiß Schwarz Matt setzen kann (aber illegale Züge dürfen nicht gemacht werden). Schwarz zieht als Erster und Weiß setzt den Schwarzen mit seinem dritten Zug Matt. Das heißt, die Zugfolge lautet: "Schwarz, Weiß, Schwarz, Weiß, Schwarz, Weiß und Matt." Beim obigen Problem gibt es zwei Lösungen, und man musste beide finden, um die volle Punktzahl zu erhalten. Bedenkzeit: 20 Minuten. Spitzenreiter Kacper Piorun fand keine der beiden Lösungen und das kostete ihn die Tabellenführung.
Die Runde der Mehrzüger (Matt in 4 oder mehr Zügen) erwies sich ebenfalls als schwer, und obwohl ich mit meinem Ergebnis von 10/15 nicht zufrieden war, erwies sich das als eines der besseren Ergebnisse. Der russische Jugendliche Aleksey Popov konnte als Einziger die volle Punktziel erzielen, wohingegen Titelverteidiger Piotr Murdzia nur auf 5 Punkte kam. Der 5-Züger oben war das leichteste der drei mehrzügigen Probleme, aber dennoch ist es alles andere als leicht. Bedenkzeit: 30 Minuten.
In der letzten Runde stehen ein zweizügiges Selbstmatt, ein dreizügiges Selbstmatt und ein langes Selbstmatt in vier oder mehr Zügen auf dem Programm. Das lange Selbstmatt ist meistens das schwerste Problem des gesamten Wettbewerbs. Das war auch dieses Jahr so und nur vier der 91 Teilnehmer haben hier überhaupt Punkte geholt. Dieses Jahr wurde ein neues Wertungssystem eingeführt, das Dezimalstellen benutzte, und die 1,6 Punkte, die ich bei diesem Problem erzielen konnte, erwiesen sich in der Schlusswertung als entscheidend, denn die Ergebnisse der besten Löser wichen nur Bruchteile von Punkten voneinander ab. Das beste Ergebnis erzielte erneut Aleksey Popov, der als Einziger alle drei Selbstmatts lösen konnte.
Bei einem Selbstmatt versucht Weiß, Selbstmord zu begehen, indem er Schwarz zwingt, ihn Matt zu setzen. Schwarz hingegen tut sein Bestes, um Weiß nicht Matt zu setzen. Weiß zieht als Erster und muss Schwarz zwingen, ihn (spätestens) mit seinem zweiten Zug Matt zu setzen.
Lösungen am Ende des Artikels
Wenn die Blätter mit den Lösungen der letzten Aufgaben verteilt werden, dann habe ich meistens, und noch vor Bekanntgabe der offiziellen Platzierungen, eine ungefähre Vorstellung davon, wie ich im Turnier abgeschnitten habe. Aber dieses Mal tappte ich völlig im Dunkeln. Klar war, dass die besten Ergebnisse sehr nahe beieinander liegen würden. Die Spannung war groß, aber als die Ergebnisse verkündet wurden, war ich angenehm überrascht. Neuer Weltmeister war Piotr Gorski mit 70,3 von 90 möglichen Punkten. Das Monopol, das Murdzia und Piorun die letzten acht Jahre auf den Titel hatten, war durchbrochen worden, wenn auch wieder von einem Polen. Ich freute mich, dass ich mit 69,6 Punkten Zweiter wurde, vor allem nach meinem unterirdischen ersten Tag. Dritter wurde Eddy van Beers (Belgien) mit 69,5 Punkten, nur 0,1 Punkte hinter mir.
Die britische Delegation konnte mit dem Ergebnis durchaus zufrieden sein. Vor Polen oder Russland zu landen, ist immer schwer, aber der dritte Platz ist ein ordentliches Ergebnis, zumal starke Länder wie Serbien oder Deutschland schlechter abgeschnitten haben.
Die polnische Siegermannschaft: Piotr Murdzia, Piotr Gorski, Kacper Piorun
Das ungewöhnliche junge russische Team gewann Silber: Danila Pavlov, Aleksej Popov und Danila Moiseev.
Ganz rechts im Bild oben ist Harry Fougiaxis zu sehen, der Präsident des WFCC, des Weltverbandes für Problemschach. Die Bildunterschrift könnte auch lauten: "Die Sieger im Jugendwettbewerb", denn diese drei (in der Reihenfolge Popov, Moiseev, Pavlov) waren auch die drei bestplatzierten Junioren bei der Weltmeisterschaft.
Das britische Team gewann Bronze: David Hodge, Jonathan Mestel und John Nunn
Die drei Erstplatzierten im Einzelwettbewerb: Eddy van Beers (Bronze), Piotr Gorski (Gold) und John Nunn (Silber)
Die Seniorenpreise gingen an Anatoly Mukoseev, 63,3, John Nunn, 69,6, und Marjan Kovacevic, 62,8.
Die Siegerteams freuen sich über ihren Erfolg [ein Klick auf das Bild führt zur vergrößerten Ansicht].
Die Mannschaften erzielten folgende Ergebnisse: Polen 150,1, Russland 147,5 und Großbritannien 140,6. Damit wurden die Polen tatsächlich zum elften Mal in Folge Mannschaftsweltmeister, und obwohl die Russen ihnen dicht auf den Fersen waren, konnte Russland das schlechte Ergebnis vom ersten Tag nicht ganz aufholen.
Lösungen