Einige Fragen stellten sich im Vorfeld der heutigen 8. Runde des Altibox Norway Chess. Als die relevanteste galt sicherlich: Würde Levon Aronian seinen Vorsprung von einem halben Punkt auf Hikaru Nakamura ausbauen können und möglicherweise schon eine Runde vor Schluss das Turnier für sich entscheiden können? Dieses Kunststück gelingt selten, doch der Armenier zeigte zuletzt beim Grenke Chess Classic in Karlsruhe, dass dies durchaus möglich ist.
Aronian 1/2 Anand
Aronian spielte mit den weißen Steinen gegen Vishy Anand, der nach schwachem Start (1.0/4) zwar ins Turnier zurückgefunden hatte, mit Schwarz jedoch beispielsweise gegen Anish Giri mit kleineren Eröffnungsproblemen zu kämpfen hatte.
Levon Aronian auf dem besten Weg zum Turniersieg
Aronian wählte Katalanisch, Anand antwortete 4...Lb4+, einer Variante, in der Aronian zuletzt frische Ideen zeigte. Man denke beispielsweise an seine Neuerung 8.Sa3!? aus Wijk aan Zee, die von Yannick Pelletier im Videoportal analysiert wird, zudem kann Aronian zumindest mitverantwortlich für den neuen Trend 8.a4 gemacht werden, eine Idee, in die er auch heute sein Vertrauen setzte.
Aronian erzielte in der Folge bei geöffneter c-Linie leichtes Druckspiel, doch Anands Stellung war zu solide, als dass sich die Fans des indischen Ex-Weltmeisters ernsthafte Sorgen hätten machen müssen. Der Friedensschluss folgte nach einer witzigen Zugwiederholung im 32. Zug.
Nakamura 1/2 So
Im Moment der Punkteteilung zwischen Aronian und Anand war die Partie zwischen Hikaru Nakamura und Wesley So bereits beendet und somit auch die zweite wichtige Frage beantwortet: Wird Nakamura es schaffen, mit einem Sieg über seinen Landsmann zum Tabellenführer aufschließen zu können?
Hikaru Nakamura geht keine großen Risiken ein
Nakamura legte die Partie im Damengambit von Beginn ruhig an und konnte den sehr solide agierenden (8 Remis in Folge!) So zu keiner Stelle in Bedrängnis bringen. Figur um Figur wurde getauscht, sodass das Ergebnis nach etwas mehr als zwei Stunden Spielzeit bereits besiegelt wurde.
Vachier-Lagrave 1-0 Kramnik
Die dritte Frage lautete, ob Vladimir Kramnik nach seinem grandiosen Sieg in der 7. Runde als dirtter Spieler in den Titelkampf eingreifen könne. Zwar führte er heute wieder die schwarzen Steine, doch seinem Gegner Maxime Vachier-Lagrave kann derzeit nicht die beste Form attestiert werden, der Franzose trug immerhin mit 2.5/7 die rote Laterne und hatte zudem eine schwere Niederlage gegen Anish Giri vom Vortag zu verdauen. Kramnik kam hingegen mit der breiten Brust ans Brett, die ein Spieler hat, der am Vortag den Weltmeister entzaubern konnte.
Kramnik fällt damit zurück auf 50% und muss sich mit 1,5 Punkten Rückstand auf Aronian keine Gedanken mehr um den Turniersieg machen. Zudem gibt er Platz Zwei in der Weltrangliste ab und fällt hinter So und Aronian gar auf Rang Vier ab.
Ein gut vorbereiteter Vladimir Kramnik schraubt letztlich das Risiko zu hoch.
Carlsen 1-0 Karjakin
Für viele Schachfans lautete die wichtigste Frage des Tages wohl: Kann Magnus Carlsen zurückschlagen oder wird sich das Turnier zu einer vollkommenen Katastrophe entwickeln. Man mache sich die Situation noch einmal klar: Carlsen liegt mit 2.5/7 auf dem letzten Platz, zudem ist seine Elo auf 2817 zusammengeschmolzen, im Falle einer Niederlage drohte ihm gar, seinen angestammten Platz in der Weltrangliste räumen zu müssen.
Carlsen optierte gegen Karjakin Nimzoinder für das Rubinstein-System und bekam eine "Spielstellung": viele Figuren, viel Spannung, doch kein Vorteil. Beide Spieler nahmen sich viel Zeit und so war früh klar, dass diese Partie eine Phase beidseitiger Zeitnot bekommen würde. Im 23. Zug verschärfte Carlsen die Lage und opferte einen Bauern, im Gegenzug erhielt er einen Freibauern auf d5 und Initiative am Königsflügel.
Karjakin platzierte seinen Turm als Verteidiger auf g6 und tauschte den gefährlichen Lc2 ab, Carlsen bereitete daraufhin einen Einschlag auf g7 vor.
Carlsen legte daraufhin den schwarzen König frei (28.Sxg7), doch Karjakin brachte seine Dame über b2 zurück in die Verteidigung. Der schwarze König bereitete weiterhin Sorgen, doch Karjakin-Fans hatten die berechtigte Hoffnung, dass der WM-Herausforderer seine Stellung verteidigen könne und schließlich seine Freibauern am Damenflügel nach vorne bewege.
In beidseitiger Zeitnot schaffte es Karjakin allerdings nicht, seine Verteidiger bestmöglich zu koordinieren. Carlsen durfte zufrieden sein, insbesondere als Karjakin im 41. Zug ein schwerwiegender Fehler unterlief, wonach Carlsen mit einer schönen Kombination gewinnen konnte.
Giri 1/2 Caruana
Fabiano Caruana blieb seinem angenommenen Damengambit treu und verteidige zäh ein Endspiel mit Springer und Läufer gegen das Läuferpaar. Giri übte die ganze Partie etwas Druck aus, doch Caruana wickelte gekonnt in ein Leichtfigurenendspiel mit 3 vs 4 ab, das nicht zu gewinnen war.
Giri versuchte es lange, doch Caruana konnte es sich am Ende sogar leisten, einen weiteren Bauern zu geben - seine schwarzfedrige Blockade erwies sich als felsenfest.
Fabiano Caruana mit starker Verteidigungsleistung
Tabelle nach 8 Runden:
Partien der 8. Runde:
Alle Partien:
Fotos: Lennart Ootes
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