18.08.2014 – Ein Spitzenteam ist Papua Neuguinea nicht. Bei der Schacholympiade in Tromsø 2014 starteten die fünf Spieler der Mannschaft mit einem Elo-Durchschnitt von 1722. Hoffnungen auf eine Medaille sind da nicht sehr realistisch. Spaß hatte die Mannschaft trotzdem. Ihr Trainer Dejan Bojkov berichtet von Abenteuern in einem bunten Turnier. Mehr...
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Tromsø 2014: Die Olympiade aus anderer Sicht
Nachdem ich schon oft über Geschichten gelacht hatte, wie Freunde von mir ihre Flüge fast oder ganz verpasst hatten, war es nur eine Frage der Zeit, bis ich selber einen Flug verpassen würde. Irgendwann ist immer das erste Mal. Leider war der Moment, in dem dieses Missgeschick passierte, unglücklich. Wie jeder verstehen wird, der versucht hat, kurz vor Beginn der Olympiade einen Flug nach Tromsø zu finden. Man kann auch einfach Hikaru Nakamura fragen. Das Brett eins der USA kam zwei Tage zu spät zur Olympiade, weil er Probleme mit den Flugverbindungen hatte.
Wie auch immer, ich hatte meinen Flug verpasst nach Tromsø verpasst, aber brauchte einen neuen. Nach drei Stunden intensiver Suche im Internet fand ich eine Möglichkeit, zur Olympiade zu kommen! Gerade rechtzeitig zur ersten Runde. Meine Jungs waren ziemlich überrascht, als ich bei Rundenbeginn an ihren Brettern stand.
Schach in Tromsø
Meine Jungs - das sind die Spieler von Papua Neuguinea. Bei der Olympiade in Istanbul 2012 hatte ich sie betreut, zwei Jahre später freute ich mich, sie wieder als Trainer zur Olympiade begleiten zu können. Eigentlich ist das Team von Papua Neuguinea in den letzten zwanzig Jahren mehr oder weniger gleich geblieben. Die Mischung ist allerdings explosiv. Man nehme einen erfolgreichen Geschäftsmann, einen soliden Ingenieur, einen FIDE-Funktionär, der schon lange in Entwicklungsländern arbeitet und einen berühmten Journalisten und man hat die Ausgangsbasis. Dann füge man noch eine Prise Filmemacher hinzu und die Mannschaft ist fertig zur ersten Runde.
Die Mannschaft von Papua Neuguinea (rechts)
Traditionsgemäß verlor mein Team in der ersten Runde 0-4, dieses Mal erwischte es uns gegen Singapur. Aber in der zweiten Runde ignorierten wir die "Tradition" und holten gute 1,5 Punkte. Unser Spitzenbrett Stuart Fancy verfiel dabei in der Diagrammstellung auf ein kühnes positionelles Opfer:
Stuart holte am Ende ausgezeichnete 7,5 Punkte aus 11 Partien und war damit unserer Top-Scorer.
Stuart Fancy
In Runde drei erlitten wir eine weitere knappe Niederlage, aber in Runde vier gewannen wir gegen Swasiland schließlich unser erstes Match. Glückwunsch an Matchwinner Helmut Marko Junior, der Sohn unseres Spielers an Brett zwei. Dies war seine erste Olympiade und jeder Sieg zählt!
Ein paar der Länder, gegen die wir spielten, waren das erste Mal bei einer Schacholympiade dabei. Vielleicht lag das an den FIDE-Wahlen, aber es gibt Schlimmeres.
Nach der vierten Runde stand erst einmal der Ruhetag auf dem Programm. Wir hatten bis dahin zwar noch keine Bäume ausgerissen, aber sammelten am Ruhetag durch den Ausflug zum Lyngen-Fjord jede Menge positiver Eindrücke. In Runde sieben kamen wir erneut zu einem Sieg (zu dem Rupert Jones maßgeblich beigetragen hat), doch dann musste ich wieder einmal feststellen, dass die Vorstellung von Fairplay nicht in allen Ländern gleichermaßen verbreitet ist.
Rupert Jones
In Runde acht spielten wir gegen Gambia. An Brett vier spielte Craig Skehan unnötig zaghaft und verlor. Eine Niederlage, mit der wir mehr oder weniger gerechnet hatten. Leider verlor dann auch noch unserer Top-Scorer Stuart Fancy gegen Ebrima Bah. Eine seiner wenigen Niederlagen, aber leider kam sie in einem wichtigen Moment.
Die Lage sah düster für uns aus, denn am zweiten Brett hatte Helmut Marko mit Schwierigkeiten zu kämpfen. Doch der in Österreich geborene Meisterkandidat verteidigte sich zäh und konnte seinen Gegner am Ende überlisten und einen Punkt für Papua Neuguinea nach Hause bringen. Jetzt hing alles von der Partie Bittaye gegen Jones ab. Rupert war ausgezeichnet vorbereitet in die Partie gegangen und hatte bald einen Mehrbauern und eine ausgezeichnete Stellung. Nach beidseitigen Ungenauigkeiten kam es zu folgender Stellung:
Ich verzichtete nach der Partie auf eine offizielle Beschwerde, weil Bittaye die richtige Fortsetzung wohl selber gesehen hat.
Analyse nach der Partie
Trotzdem, man sollte solche Tricks im Auge behalten! Zu einer kleinen Sensation kam es dann in Runde zehn. Craig Skehan, der Mann, der in den sechs Olympiaden, an denen er bislang teilgenommen hatte, nur eine einzige Partie gewinnen konnte, schlug wieder zu! Allmählich wird es für ihn zu einer Gewohnheit, Punkte bei den prestigeträchtigsten Turnieren zu holen.
Helmut Marko zeigte an Brett zwei ebenfalls eine gute Leistung und auch Stuart fuhr wie gewöhnlich einen ganzen Punkt ein.
Alles in allem schnitten wir in Tromsø ein bisschen schlechter ab als in Istanbul 2012, aber da alle Spieler mindestens eine Partie gewinnen konnten und die Stimmung in der Mannschaft gut war, können wir zufrieden sein.
Die Olympiade war ein großer Erfolg. Leider wurde sie zum Ende hin durch den tragischen Tod zweier Teilnehmer überschattet. Als Teil der großen Schachfamilie möchte ich den Familien von Alisher Anarkulov und Kurt Meier, die am letzten Tag der Olympiade gestorben sind, mein aufrichtiges Beileid aussprechen.
Das norwegische Fernsehen war immer dabei. Ganz links
kann man Norwegens bekanntesten Spieler entdecken.
Dejan BojkovDejan Bojkov, 1977 in Bulgarien geboren, ist Großmeister und leidenschaftlicher Schachtrainer. Er wurde auf der Sportakademie Sofia ausgebildet und hat Spieler und Spielerinnen in der ganzen Welt zum Erfolg geführt, unter anderem die Ex-Frauenweltmeisterin Antoaneta Stefanova. 2009 wurde Bojkov bulgarischer Meister und spielte für Bulgarien bei den Mannschaftseuropameisterschaften. Bojkov schreibt regelmäßig für ChessBase, ist Autor einer Reihe beliebter ChessBase-DVDs und hat zusammen mit Vladimir Georgiev den Taktikratgeber "A Course in Chess Tactics" (Gambit 2010) verfasst.
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