Paul Ellrich (1941-2023)

von Dr. Robert Hübner
17.05.2023 – Anfang der 1960 Jahre belebten eine Reihe von jungen Spielern das Schachleben in Köln. Einer von ihnen war Paul Ellrich. Er spielte eine Reihe von Jugendturnieren, nahm an Deutschen Meisterschaften teil und war Mitglied der erfolgreichen Porzer Mannschaft. Zum Ende seines Studiums zog er sich jedoch vom Schach zurück. Paul Ellrich starb am 23. Januar 2023. Erinnerungen von Robert Hübner.

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Paul Ellrich (1941-2023)

Von den jungen Schachmeistern, die Anfang der sechziger Jahre das Schachleben in Köln prägten, war Paul Ellrich vielleicht der begabteste. Er verbrachte die ersten Lebensjahre im Sauerland, aber die Nachkriegswirren verschlugen ihn nach Köln, wo er vaterlos aufwuchs.

Die ersten Spuren seiner Beschäftigung mit dem Schach finden sich im Jahre 1957; ein hübscher Schluß aus einer seiner Partien ist in der „Deutschen Schachzeitung“ veröffentlicht (DSZ 1957, S. 263).

Bei der Deutschen Jungendmeisterschaft 1960 in Großrosseln belegte er mit 9½ Punkten aus 16 Partien den 4.-6. Platz; Sieger wurde Helmut Pfleger.
Beim Juniorenturnier in Hamburg 1963 kam er mit 7 Punkten aus 11 Partien auf den 3. Platz (1.-2. H.-J. Hecht und R. Bernhardt).

Beim Kandidatenturnier zur Meisterschaft der Bundesrepublik Deutschland in Helmbrechts 1963 erzielte er 8 aus 13, erreichte den 4.-7. Platz (1. C. Clemens); das genügte zur Teilnahmeberechtigung.

Bei der Meisterschaft der Bundesrepublik Deutschland in Bad Pyrmont 1963 kam er auf 50% (7½ aus 15, 7.-8. Platz; 1.-2. H. Pfleger und W. Unzicker).
Damit beendete er seine Turnierlaufbahn und spielte nur noch in einigen Mannschaftskämpfen mit.

Es folgt ein Partiebeispiel aus dem Turnier in Bad Pyrmont (DSZ 1963, S. 388-389).  

P. Ellrich – C. Clemens,
Meisterschaft der Bundesrepublik Deutschland, Bad Pyrmont 1963; Spanisch

1.e4 e5 2. Sf3 Sc6 3.Lb5 a6 4.La4 f5

Dieses Abspiel ist für Schwarz mit beträchtlichen Gefahren verbunden. Daher führt kein Spitzenspieler es dauerhaft in seinem Repertoire, aber als Überraschungswaffe wird es immer wieder eingesetzt. Immerhin griff Kortschnoj in seinem Wettkampf gegen Karpov 1974 einmal zu diesem Zug.
Häufiger sieht man 3…f5 ohne die Einschaltung von 3…a6 4.La4. Der Unterschied besteht in folgendem Umstand: Nach 1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 f5 führt die Fortsetzung 4.d4 fe4: 5.Se5: Se5: 6.de5: c6 zu unklarem Spiel. Auf 7.Lc4 folgt 7…Da5+ nebst 8…De5:, so daß Weiß genötigt ist, mit 7.Sc3 cb5: 8.Se4: ein zweischneidiges Figurenopfer zu bringen. In der vorliegenden Stellung fehlt dem Schwarzen die Möglichkeit, den Läufer mit c7-c6 anzugreifen, denn er hat sich schon zurückgezogen.

5.d4 (5.d3 ist zahmer) 5…ed4: 

(Auch die Fortsetzungen 5…fe4: 6.Se5: Sf6 oder 6…Dh4 kommen in Betracht; sie soll hier nicht untersucht werden)

6.e5 Lc5 Einige Male wurde von Schwarz 6…b5 7.Lb3 Lb7 8.0-0 Sa5 gespielt mit dem Ziel, den gefährlichen weißfeldrigen Läufer des Weißen möglichst rasch zu beseitigen. In der Partie A. David – L. van Foreest, Cattolica 2020, geschah 9.c3 Sb3: 10.ab3: Se7 11.Sd4: c5 12.Se2 mit unklarem Spiel (1-0, 42 Züge). Das Spiel J. Duda – A. Tari, Stavanger 2020, sah die Fortsetzung 9.Sd4: c5 10.Sf5: c4 11.Sc3, und Weiß hat einen gefährlichen Angriff (1-0, 27 Züge). Besonders vertrauenerweckend für Schwarz scheint mir auch dieses Abspiel nicht zu sein.

7.0-0 Weniger wirksam ist die Fortsetzung 7.c3 dc3: 8.Sc3: Sge7 9.Lb3 d5, und nun:
I 10.Sd5: Sd5: 11.Ld5: (11.Dd5: Dd5: 12.Ld5: Sb4 ist vorteilhaft für Schwarz) 11…Sb4. Schwarz kommt zum Damentausch und steht besser.
II 10.ed6: Dd6: 11.De2 Sa5 mit gutem Spiel für Schwarz, B. Spasskij – Z. Polgár, Prag 1995 (½:½, 19 Züge).
III 10.0-0 Le6 11.Sg5 Lg8
A) 12.e6 h6
Aa) 13.Dh5+ g6 14.Dh4 Sd4 mit gutem Spiel für Schwarz.
Ab) 13.Sf7 Lf7: 14.ef7:+ Kf7: 15.Sd5: Sd5: 16.Ld5:+ Kg6 mit etwa gleichem Spiel.
B) 12.Te1 h6 13.Dh5+ g6 14.Dh3 Sd4. Schwarz hat nichts zu befürchten.

7…Sge7 8.Lb3 (Weiß muß natürlich die Rochade verhindern) 

8…d5 

Nach 8…Sa5 9.c3 Sb3: 10.Db3: dc3: 11.Sg5 Tf8 12.Sh7: Th8 13.Sg5 d5 14.Sc3: hat Schwarz keine bequeme Stellung.

9.ed6: Dd6: 10.Te1

Die Fortsetzung 10.Sg5 Sd8 11.Te1 h6 12.Sf3 Le6 ist weniger wirksam.

10…h6 

Eine beachtenswerte Möglichkeit besteht in 10…Ld7, um zur langen Rochade zu kommen, gegebenenfalls unter Aufgabe einer Qualität. Weiß verfügt über zwei plausible Antworten:

I 11.Sg5
 A) 11…Sd8 sieht nicht richtig aus; nach 12.Dh5+ Dg6 13.Dg6:+ hg6: 14.Lf4 kommt Schwarz nicht zur Entknotung seiner Figuren.
 B) 11…0-0-0 12.Sf7 Dg6 13.Sd2 Thf8 (Schwächer ist die Fortsetzung 13…Sa5 14.Sdf3 Sb3: 15.S3e5 mit Vorteil für Weiß, G. Timoshenko – Y. Archipin, Moskau 1988) 14.Sd8: Td8: 15.Sf3 h6 16.De2 mit bequemerem Spiel für Weiß, V. Jansa – J. Lechtynsky, Luhacocive 1968.
 C) 11…Tf8
  Ca) 12.Se6 Le6: 13.Te6: (13.Le6: wird mit 13…Tf6 beantwortet) 13…Dd7 14.Te1 Dd6 mit remis.
  Cb) 12.Sd2 Dg6 13.Le6 (Auf 13.Se6 folgt wiederum 13…Le6: nebst 14…Tf6) 13…Te6 (13…Dg5: ist schwächer; Weiß antwortet 14.Se4) 14.Ld7:+ Kd7: 15.Sgf3 mit etwa ausgeglichener Stellung.

II 11.Sbd2
 A) 11…b5 ist nicht konsequent; Schwarz gibt den Plan wieder auf, lang zu rochieren. Nach 12.a4 Tb8 13.ab5: ab5: 14.Lg5 entstehen ähnliche Bilder wie in der vorliegenden Partie in noch günstigerer Form für Weiß (R. Fuchs – A. Gragger, Tel Aviv 1964.
 B) 11…Sa5 12.Sc4 Sc4: 13.Lc4: 0-0-0 14.Lg5 Tde8 15.Lf7 mit geringfügigem Vorteil für Weiß, J. Juhnke – C. Kiffmeyer, Saarbrücken 1968.
 C) 11…0-0-0 12.Sc4 Df6 13.Lg5 Df8 14.Sce5 Le8 15.Sc6: Lc6: 16.Se5 Ld5 17.Dd3. Weiß hat einigen Druck, A. Martorelli – M. Albano, Imperia 1983.
Zum Ausgleich scheint also auch 10…Ld7 nicht zu genügen.

11.Sbd2 b5 

Schwarz verhindert 12.Sc4. Es gibt andere Möglichkeiten:

I 11…Ld7 12.Sc4 Df6 13.Sce5 0-0-0 14.Sd7: Td7: 15.Le6 Thd8 16.De2 Weiß steht etwas besser.

II 11…Df6 12.Sc4 Kf8 13.Sce5 g5 14.c3 dc3: 15.bc3: Kg7 16.Sf7 (16.Sd3 Td8 bringt dem Weißen nichts ein, S. Brynell – D. Bronstein, Taastrup 1990, 1-0,  44 Züge) 16…Th7 (Auf 16…Tf8 folgt 17.S3g5:) 17.Lb2 mit großem Vorteil für Weiß, B. Ivkov – J. Fichtl, Dresden 1959 (1-0, 31 Züge). Der König des Schwarzen steht unsicher, und die Aufstellung seiner Figuren ist unharmonisch. 
Der Partiezug dürfte die beste Fortsetzung darstellen.

12.a4 Tb8

In der Partie A. Karpov – V. Kortschnoj, Kandidatenwettkampf,  Moskau 1974 (Informator 18/273), folgte 12…Lb7 13.ab5: ab5: 14.Ta8:+ La8: 15.Te6 (15.Sf1 kommt in Betracht) 15…Dd7 16.De2 d3 17.cd3: Kd8, und es gelang Schwarz zu überleben.  
Der Textzug sieht solider aus, weil das Feld e6 überdeckt bleibt.

13.ab5: ab5: 14.Sf1

In der Partie D. Sadvakasov – V. Kortschnoj, Wettkampf Astana 2003, geschah hier 14.c4? Nach 14…b4 kam Schwarz zur Rochade, doch gelang es Weiß, die Partie zu retten (½:½, 63 Züge).
In Betracht kommt dagegen 14.c3 (A. Karklins – A. Bisguier, Chicago 1973).  Nach 14…dc3: 15.bc3: Ld7 16.Dc2 Kd8 17.Sf1 leidet Schwarz weiterhin an der unsicheren Stellung von König und Dame; aber andere Züge als 14…dc3: kommen in Betracht. Der Partiezug ist nicht schlechter.
 

14…Ld7(?)

Schwarz schiebt die Entscheidung hinaus, welche Aufstellung er endgültig anstreben will, aber der Zug leistet nicht viel. Mehrmals wurde 14…g5 versucht, und das bietet vielleicht noch die besten Aussichten:

I 15.Sd4: (R. Striebich – G. Haupt, Deutschland 1978) sieht nicht korrekt aus; nach 15…Sd4: 16.Dh5+ Kd8 17.Lg5: Te8 18.Lh4 Sb3: 19.cb3: Ld7 muß Weiß ums Überleben kämpfen.

II 15.c3 dc3: (Nach 15…d3 16.Le3 wird Weiß den Bauern auf d3 erobern und behält Vorteil) 16.Dc2
 A) 16…Df6 17.bc3: g4 18.Sd4 Sd4: 19.cd4: Ld6 20.Lb2 überläßt dem Weißen eine starke Initiative, V. Jansa – B. Schippan, Dresden 2007.
 B) 16…g4 17.Dc3: Th7 18.Lf4 (18.Td1 Lb4 19.Dc2 Df6 ist ebenfalls befriedigend für Schwarz) 18…Df4: 19.Dc5: Dd6 20.Dd6: cd6: mit gleichem Spiel.

III Nach der bescheidenen Fortsetzung 15.h3 ist die Lage schwer einzuschätzen. Immerhin hat Schwarz das wichtige Feld f4 unter Kontrolle genommen und kann etwa mit 15…Tf8 an der Konsolidierung seiner Stellung arbeiten.

15.c3

Dies ist eine ideenreiche Fortsetzung. Weiß hält den Zeitpunkt für gekommen, die Stellung mit Hilfe eines weiteren Bauernopfers zu öffnen. Auch ein ruhigeres Verfahren ist nachhaltig, zum Beispiel 15.h4 Kd8 16.Sg3 mit der Absicht 17.Sh5.

15…dc3:

Eine andere Möglichkeit besteht in 15…Kf8. Schwarz entfesselt den Springer e7, behält die Kontrolle im Zentrum und bereitet Tb8-e8 vor. Nach 16.cd4: Sd4: kann Weiß wählen:

I 17.Sd4: Ld4: 18.Sg3 Te8 19.Se2 Le5 20.Sf4 Dd1: 21.Td1:.  Die Lage des Schwarzen bleibt unbequem.

II 17.Le3 Sb3: 18.Db3: Le3: 19.Se3: Le6 20.Dc3 Kg8 21.Tad1 Db6 22.Sd4. Schwarz steht weiterhin unter starkem Druck.
Der gewählte Zug verspricht bessere Rettungsaussichten.

16.Dc2

16…Sd4?

Damit verliert Schwarz wertvolle Zeit: Weiß kommt unter Tempogewinn zu b2xc3 und kann seine übrigen Figuren im Nu ins Spiel bringen.
Nötig ist 16…Kd8 17.Td1 Df6 18.bc3: Kc8 19.Da2 (Auf 19.Sg3 folgt 19…Le6) 19…Td8, und Schwarz kann seine Stellung zunächst zusammenhalten.

17.Sd4: Ld4: 18.bc3: Lf6

Andere Läuferzüge bringen keine Rettung:

I 18…Lc5 19.Le3 Le3: 20.Se3: Kf8 21.Tad1 Dc6 22.Dc1 g6 23.Sc2, und die Stellung des Schwarzen fällt auseinander.

II 18…Lb6 19.Le3 bringt dem Schwarzen auch keine Erleichterung.

19.La3 c5 20.Tad1 Dc6 21.Se3 Kf8

Andere Züge versprechen keine Rettung:

I 21…c4 22.Lc4: bc4: 23.Sd5 0-0 24.Le7: Tfe8 25.Sf6:+ gf6: 26.Dc1 Kf7 27.Td6, und Weiß gewinnt.

II 21…b4 22.Td7: Dd7: 23.La4 Sc6  24.Sf5:+ Kf8 25.cb4:, und die Stellung des Schwarzen fällt auseinander.

III 21…Ta8 22.Dc1 Lg5 23.f4 Lf4: 24.Ld5 (24.Sf5: Lc1: 25.Se7: führt auch zum Gewinn) 24…Dc8 25.La8: Da8: 26.Lc5:, und Weiß gewinnt.

22.Sd5

Sehr stark ist auch 22.Td7: Dd7: 23.Lc5:, und es gibt keine Verteidigung gegen die Drohungen 24.Sf5: und 24.Sd5. Der Partiezug führt ebenfalls glatt zum Gewinn.

22…Sd5:

Andere Züge verheißen nichts Besseres:

I 22…b4 23.cb4: cb4: 24.Sb4: Dc2: 25.Lc2: Tb7 26.Sd5 Lc6 27.Se7: Le7: 28.Te7: Te7: 29.Te1, und Weiß gewinnt.

II 22…Te8 23.Sf6: gf6: 24.Lc5: Dc5: 25.Td7:, und die Stellung des Schwarzen ist hoffnungslos.

23.Td5: b4 24.cb4: cb4: 25.Tc5 Da6 26.Tc7

Es gibt mehrere Gewinnzüge. Sehr schlagkräftig ist auch sofortiges 26.Dd2.

26…Db5 27.Dd1 Te8 28.Dd6+ Le7 29.Te7:

Die Fortsetzung 29.Dg6 schien dem Weißen einen zu trivialen Abschluß des Angriffs zu bilden (Deutsche Schachzeitung 1963, S. 389).

29…Te7: 30.Lb4: De2 31.Tc8+ Le8 32.Te8:+ Ke8: 33.Db8+ Kd7 34.Db7+ Kd8 35.La5+ Schwarz gibt auf.

Zum Nachspielen am Bildschirm:

Die in dieser Partie gezeigten Grundideen zur  Behandlung der Stellungsstruktur sind für die geringe Beliebtheit der Variante bei den Führern der schwarzen Steine maßgebend. Insbesondere stellt die Öffnung der Stellung durch c2-c3 den Nachziehenden in vielen Fällen vor schwierige Aufgaben; sein König findet keinen sicheren Platz, und es gelingt kaum, eine harmonische Aufstellung für die Figuren zu finden. Weiß führte die ganze Partie mit Schärfe und Folgerichtigkeit durch. Gute Eröffnungsvorbereitung war am Zustandekommen dieses Werkstücks nicht unbeteiligt. Leider habe ich dem guten Vorbild nie nachgeeifert, das mir der junge Meister mit seiner Arbeit an Eröffnungsfeinheiten bot. Mein Verständnis für den Partiebeginn blieb stets mangelhaft.

Die Mannschaft der Porzer Schachgesellschaft nach dem Gewinn der Mannschaftsmeisterschaft 1967. Richtig ist Hans-Jürgen Frenzel heißen (Nicht Joachim)
 

Es folgt ein weiteres Beispiel von Paul Ellrichs Kenntnis seltener Abspiele in der Eröffnung und der Schärfe seiner Spielführung.

P. Ellrich – W. Weise
Juniorenturnier Hamburg 1963; Spanisch.

1.e4 e5 2.Sf3 Sc6 3.Lb5 Lc5 4.c3 Sf6 5.d4 Lb6 6.Se5: (Weniger scharf ist
6.0-0) 6…Se5: 7.de5: Se4: 8.Dg4 Lf2:+ 9.Kd1

Öfter wurde 9.Ke2 gespielt. Nach 9…Dh4 10.Dg7: Tf8 11.Lh6 Lc5 12.Sd2 Df2+ 13.Kd1 Sd2: 14.Ld2: Le3 15.Le3: De3: 16.Tf1 Dc5 17.e6 fe6: 18.Kc2 c6 19.Le2 ist die Stellung des Schwarzen ungemütlich (P. Bobras – P. Shkapenko, Polen 2011).

9…Dh4 10.Dg7: Tf8 11.b4

Weiß verhindert 11…Lc5; jetzt ist die Drohung 12.Lh6 kräftig. Der Zug ist aber wohl nicht der beste.

I 11.Sd2 Lc5 12.Se4: De4: 13.Te1 Dg6 mit Ausgleich, O. Renet – M. Godena, Marostica 1994.
II 11.Tf1 ist am nachhaltigsten:
 A) 11…c6 12.Ld3 Lc5 13.Kc2, und die Drohung 14.Tf4 ist höchst unangenehm für Schwarz; nach 13…Le7 14.Tf4 Dg5 15.Dg5: Sg5: 16.Le3 hat Weiß erheblichen Stellungsvorteil.
 B) 11…Dh5+ 12.Kc2 Dg6 13.Dg6: fg6: 14.Lh6 Tf5 15.Ld3 Lc5 16.Tf5: gf5: 17.Sd2 d5 18.ed6:, und auch hier ist der Stellungsvorteil des Weißen nicht gering.

11…Dh5+ 12.Kc2 Lh4

Sicherer ist 12…Dg6 13.Dg6: fg6: 14.Lh6 Tf5 mit etwa gleichem Spiel.

13.Te1

Der Turm kann nicht geschlagen werden: 13…Le1: 14.Lh6, und Weiß gewinnt.
Dennoch ist der Zug wohl nicht der nachhaltigste. In der Partie H. Ree – C. Zuidema, Niederlande 1962, folgte 13.Lh6 Le7 14.Tf1 b6 15.e6 Sd6 (15…Db5: scheitert an 16.Tf7:). In der Partie verhalf Weiß seinem Gegner mit 16.ed7:+? zur Entwicklung, aber nach 16.Sa3 mit der Drohung 17.Tae1 ist die Lage des Schwarzen prekär:

I 16…Sb5: 17.Sb5: Db5: 18.Tf7:, und Weiß gewinnt.

II 16…Kd8 17.g4 Dh2:+ (Nach 17…Dh4 18.ef7: ist Schwarz hilflos) 18.Kb3 f6 (18…de6: wird mit 19.Lg5 beantwortet) 19.Tae1 de6: 20.Tf6:, und der Angriff des Weißen dringt durch.

III 16…Sf5 17.ed7:+ Ld7: 18.Ld7:+ Kd7: 19.De5 Dh6: 20.Df5:+ De6 21.Df3 mit erheblichem Vorteil für Weiß.
Der Partiezug ergibt etwa gleiches Spiel.

13…Sf2

Ungenügend ist 13…Sc5. Nach 14.bc5: Le1: verhindert Weiß mit 15.Ld3 den Damentausch auf g6 und erhält entscheidenden Vorteil:

I 15…f5 16.Lh6 Df7 17.Df8:+ Df8: 18.Lf8: Kf8: 19.Sa3 Lf2 20.Sb5 c6 21.Sd4 mit gewonnenem Endspiel.

II 15…Lf2 16.Sd2
 A) 16…Lc5: 17.Se4 Le7 18.La3 d6 19.ed6: cd6: 20.Sd6:+ Kd8 21.Dd4, und Schwarz wird bald matt.
 B) 16…f5 17.ef6: Tf7 18.Se4 Lc5: 19.Sg5, und Weiß gewinnt.
 C) 16…d5 17.ed6: Dg4 18.Dg4: Lg4: 19.Se4 Lh4 20.dc7: Kd7 21.Lf4, und Weiß steht auf Gewinn.

14.Lh6

Unzureichend ist 14.e6 Df5+ 15.Kb3 fe6: mit Vorteil für Schwarz (16.Te5 Lf6).

14…Le7

15.h3

Weiß verhindert 15…Sg4. Nach 15.Sd2 Sg4 ist die Stellung in etwa im Gleichgewicht:

I 16.e6 Sh6: 17.ef7:+ Df7: (17…Sf7: scheitert an 18.Te7:+ Ke7: 19.Te1+, desgleichen 17…Tf7: an 18.Dh8+ Tf8 19.Te7:+) 18.Dh6: Dg6+ usw.

II 16.Se4 Dh6: (16…Sh6: scheitert an 17.Sf6+) 17.Dg4: Kd8 mit unklarer Lage.
Der Partiezug gibt Hoffnung auf Vorteil.

15…Df5+ 16.Kb2(?)

Besser steht der König auf b3:

I 16…a5 17.Sd2 ab4: 18.cb4: c6 19.g4, und Schwarz verliert die Qualität.

II 16…c6 17.g4 Df3 18.Sd2 Dh3: (18…Dg3 19.Sc4 cb5: 20.Sd6+ Kd8 21.Lg5 f6 22.Sf5 führt zum Zusammenbruch) 19.Lf1 Dh4 20.Sf3 Dg4: 21.Sg5 mit gefährlichem Angriff.
Jetzt dürfte die Stellung im Gleichgewicht sein.

16…a5 17.Dg3

Auch mit 17.g4 Sd3+ 18.Ld3: Dd3: 19.Te3 Dd5 20.Dh7: ab4: 21.Lf8: bc3:+ 22.Sc3: Dd2+ 23.Dc2 De3: 24.Le7: Db6+ erreicht Weiß keinen Vorteil.

17…ab4: 18.Lf8:

Auf 18.Tf1 folgt 18…bc3:+ 19.Sc3: (19.Dc3: wird mit 19…Tg8 beantwortet) 19…La3+ 20.Kb3 De6+.

18…Lf8:(?)

Richtig ist 18…Kf8:, um der Dame des Weißen den Zugang nach g8 zu verwehren.

I Nach 19.Tf1 Lc5 20.cb4: Ld4+ 21.Sc3 d5 ist die Stellung des Weißen gefährdet; 22.ed6: scheitert an 22…Db5:.

II 19.a4 ist nötig, um den Läufer auf b5 zu decken. Ich vermag die Stellung nicht einzuschätzen.
Jetzt erhält Weiß Vorteil.

19.Tf1

19…bc3:+?

Schwarz entwickelt den Gegner. Es gibt zwei bessere Züge:

I 19…Lc5 20.cb4: Ld4+ 21.Sc3 c6 22.Le2 b5 23.Lg4 Dd3 mit fortdauerndem Kampf.

II 19…Se4 20.Tf5: Sg3: 21.Tf3 Se4 22.Lc4 Lg7, und auch hier ist die Sache noch nicht klar.

20.Sc3: La3+

Keinen besseren Widerstand leistet 20…Lc5 21.Dg8+ Lf8 22.Tae1.

21.Kb3 Lc5 22.Dg8+ Lf8 23.a4 c6 24.Tf2: Df2: 25.Tf1 Dc5 26.Df7:+ Schwarz gibt auf.

Ein kurzes, aber äußerst scharfes und intensives Gefecht.

Zum Nachspielen am Bildschirm:

Paul Ellrich entwickelte auch in jungen Jahren sogleich ein tiefergehendes Interesse am Schachproblem. Er verfaßte selbst einige Mattaufgaben. Ich stelle seine wohl gelungenste Schöpfung vor, eine hübsche Miniatur:

Weiß: Ke4, De6, Lc1, B. b2;
Schwarz: Ka5; B. b5, e7
Matt in drei Zügen.

Lösung: 1.Lg5
1…Ka4 2.Da2+ Kb4 3.Le7: matt.
1…Kb4 2.Ld2+ Kc5 3.b4 matt.
1…b4 2.Dc6 Zugzwang: 2…e6(5) 3.Ld8 matt; 2…b3 3.Ld2 matt.

Die Aufgabe wurde in der Schachecke von Dr. Paul Tröger im „Kölner Stadt-Anzeiger“ veröffentlicht, vielleicht 1961; die genaue Quellenangabe steht mir nicht zur Verfügung.

Bereits in der Endphase seines Studiums zog sich Paul Ellrich von der ernsthaften Beschäftigung mit dem Schach zurück. Er wurde ein angesehener, gesuchter Rechtsanwalt in Köln. Es  war ihm ein Anliegen, seine Vorstellungen von Gerechtigkeit in der Gesellschaft zur Geltung zu bringen. In der Praxis der gegenwärtigen Rechtspflege scheint mir dies ein besonders aufreibendes Unterfangen zu sein, das viel härtere Kämpfe erfordert, als es diejenigen sind, welche am Schachbrett ausgefochten werden.
Paul Ellrich verband Ehrgeiz, Zielstrebigkeit und Durchsetzungsvermögen mit einer uneigennützigen Hilfsbereitschaft, die aus echtem Wohlwollen für die Menschen entsprang. Manches Mal stand er mir unter Einsetzen aller Kräfte aufs großzügigste bei. Ich war stets besonders von seiner scharfen Erfassung der Sachverhalte und der Klarheit und Kürze seiner Formulierungen beeindruckt.

Paul Ellrich verstarb plötzlich am 22. Januar 2023 in Köln.


Robert Hübner, Großmeister, gehörte in den 1970er bis 1990er Jahren zu den besten Schachspielern der Welt und spielte mehrfach um die Weltmeisterschaft mit. Der promovierte Altphilologe ist Autor zahlreicher Aufsätze und einer Reihe von Büchern.