"Reunion" von Marcel Duchamp and John Cage

von Macauley Peterson
28.10.2018 – Vor 50 Jahren starb der legendäre Künstler und Schachspieler Marcel Duchamp in Frankreich. Kurz vor seinem Tod entwickelte er zusammen mit dem Komponisten und Musiktheoretiker John Cage das Projekt "Reunion", bei dem Schachpartien in Musikstücke verwandelt wurden. Heute, in Zeiten des Internets, kann man mit "Reunion" selber Schach spielen und dabei komponieren. | Abbildung: Duchamp und John Cage im Ryerson Theatre in Toronto, 5. März 1968 | Foto: Eldon Garnet / World Chess Hall of Fame

ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024 ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024

ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan

Mehr...

Der 50. Geburtstag von "Reunion"

John Cage war Avantgarde-Komponist, der in den 1950ern und 60ern zu Ruhm kam. Wie sehr war er Avantgarde? Nun, in seinem 1952 komponierten Stück "4′33″ — eine Kurzform für "Vier Minuten, 33 Sekunden" — sieht man lediglich, wie Musiker auf der Bühne stehen und ihre Instrumente nicht spielen. Die Geräusche der Umgebung und des Publikums sind das Stück. Sehr Zen.

Marcel Duchamp war ein französisch-amerikanischer Maler und Bildhauer und ein starker Schachspieler.

Reunion wurde 1968 in Toronto uraufgeführt und dabei spielten Cage und Duchamp gegeneinander. Cage hatte das Spiel von Duchamp gelernt. Duchamp war allerdings ein Spieler mit Meisterstärke und hatte in den 1930ern an der Seite von Alexander Aljechin im französischen Nationalteam an Olympiaden teilgenommen, und er gewann die Partie trotz Springervorgabe nach kurzer Zeit. Leider sind die Züge der Partie nicht überliefert und es gibt auch keine Film- oder Videoaufzeichnung dieser Begegnung. Allerdings war das Interessante an der Partie der Klang, der durch sie erzeugt wurde.

Reunion reconstruction

Nachbau des Reunion-Bretts von Robert Cruickshank | Foto: World Chess Hall of Fame

Die Webseite JohnCage.org verrät, wie das funktioniert hat:

Reunion ist eine Aufführung ohne Noten; ursprünglich aufgeführt durch das Spielen einer Partie Schach auf einem Brett, das Lowell Cross geschaffen hat. Die Partie fungiert als unbestimmt Struktur: während die Partie gespielt wird, aktivieren die Züge, die die Spieler machen, vier Kompositionen, die an acht Lautsprecher übermittelt werden, die das Publikum umgeben.

Hier ein Mitschnitt der Originalmusik:

“Reunion” war Duchamps letzter öffentlicher Auftritt; er starb am 2. Oktober 1968 im Alter von 81 Jahren an Herzversagen

2008, anlässlich des 40-jährigen Jubiläums, schilderte Lowell Cross, der Entwickler des Bretts, wie dieser Schaukampf zwischen Cage und Duchamps verlaufen war (PDF) und berichtete auch von einer Reihe amüsanter Missverständnisse, zu denen es in den Jahren danach kam.

2010 zeigte das Museum der World Chess Hall of Fame einen Nachbau von Cages "Reunion" Schachbrett / Musikinstrument, der die Züge, die auf dem Brett gemacht wurden, ebenfalls in Töne verwandelte. Besucher der Ausstellung, darunter ein paar bekannte Großmeister, hatten die Möglichkeit, Partien auf diesem Nachbau zu spielen.

Maurice Ashley and Yasser Seirawan

Maurice Ashley und Yasser Seirawan auf den Spuren von Cage und Duchamp | Foto: World Chess Hall of Fame

"Reunion" digital

Das ursprüngliche Schachbrett/Instrument verwandte 16 Audioeingänge, die mit acht Lautsprechern, die das Publikum im Saal umgaben, verbunden waren. Die Felder des Schachbretts dienten als Schalter, die mit Hilfe von Fotoresistoren aktiviert wurden, wenn eine Figur ein Feld betrat oder verließ.

Chris Jefferson und Ian Miguel haben eine Version dieses Bretts für Web-Browser entwickelt. So kann man gegen eine Engine spielen und einen eigenen Soundtrack erzeugen!

Die Online-Version versucht die ursprüngliche Version so weit nachzuahmen, wie es geht, allerdings mit den Einschränkungen, denen Übertragungen per Internet auf einen modernen PC oder modernes Tablet unterworfen sind.

Wer mehr über das Projekt erfahren will, kann ihren begleitenden Essay lesen oder...

bei JohnCage.org eine Partie gegen die App spielen. (Anders als bei den meisten modernen Schachprogrammen üblich, zieht man die Figuren dabei allerdings per doppeltem Doppelklick - erst auf dem Ausgangs- dann auf dem Zielfeld.)

Links

Übersetzung aus dem Englischen: Johannes Fischer


Macauley ist Editor in Chief der ChessBase News in Hamburg, Germany, und Producer des The Full English Breakfast chess podcast. Er war Co-Producer eines Dokumentarfilms über Magnus Carlsen.

Diskutieren

Regeln für Leserkommentare

 
 

Noch kein Benutzer? Registrieren