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Durch meine Arbeit als Diplomat hatte ich das Vergnügen und das Privileg, schon in vielen bedeutenden Schachnationen wie Russland, China, Ungarn, Island, Aserbaidschan oder Kroatien leben zu dürfen. Ich habe immer darauf geachtet, in Länder gesandt zu werden, in denen ich meiner Schachleidenschaft nachgehen konnte. Doch als ich plötzlich für drei Jahre auf die Bahamas beordert wurde, hatte ich befürchtet, ich könnte nur wenig gute Gelegenheiten zum Schachspielen haben.
Die Sorge war unnötig. Die Schachszene auf den Bahamas ist klein, aber sie ist engagiert und wächst, vor allem seit tatkräftige Sponsoren die Schachentwicklung fördern.
Während meiner Zeit in Island – ebenfalls eine große Insel – habe ich festgestellt, dass die Elo-Zahlen der isländischen Spieler ein wenig zu niedrig sind, da die Schachgemeinde dort relativ klein ist und die Spieler sich wirklich gegenseitig nichts schenken, was dazu führt, dass es schwer ist, die eigene Elo-Zahl zu steigern, auch wenn man über die entsprechende Spielstärke verfügt. Auf den Bahamas, wo weniger als ein Dutzend starker Spieler leben und aktiv sind, ist dieses Phänomen noch ausgeprägter. In jedem Turnier, das ich auf den Bahamas gespielt habe, trat ich gegen die gleichen Spieler an, deren Ratingzahlen enormen Schwankungen zwischen 1600 und 1900 unterworfen waren.
In einer so kleinen Schachgemeinde dürfen die wenigen starken Spieler regelmäßig zur Olympiade fahren, wo sie wertvolle Erfahrungen sammeln können und Gelegenheit haben, als Außenseiter Elo-Punkte mit nach Hause zu nehmen. Das beste Beispiel dafür ist der erste FIDE-Meister der Bahamas, Cecil 'Carver' Moncur.
Cecil Moncur (links) bei einer Partie gegen Ted Cross | Foto: Andre White
Da er so oft in Nassau spielt, hat Carver es nie geschafft, seine Elo-Zahl über die Marke von 1900 zu heben, aber trotzdem ist er zurecht FIDE-Meister, denn er hat bei einigen Olympiaden phantastische Ergebnisse erzielt. Er ist ein schwerer, gut vorbereiteter Gegner, und ich habe es immer genossen und gefürchtet, gegen ihn zu spielen.
Nur eine kurze Zeit nach meiner Ankunft auf den Bahamas hat der schwedische Bauunternehmer Orjan Lindroth eine Reihe von Initiativen zur Förderung des Schachs auf den Bahamas in die Wege geleitet. Er hat die Jugendförderung unterstützt, den Bahamas geholfen, das erste Mal mit einer Frauenmannschaft bei der Olympiade anzutreten und hat das stärkste Schachturnier der Insel ins Leben gerufen: "The Old Fort Bay Invitational Chess Championship". Das Turnier hat einen Preisfond von $5000 und alle starken Spieler des Landes nehmen daran teil, um sich ein Stück vom Preisfonds zu sichern und ihren Namen auf die große Siegertrophäe eingravieren zu können.
Der Eingang zum Old Fort Bay Club | Foto: Old Fort Bay Club
Da ich nicht für die Bahamas spiele, fühlte ich mich sehr geehrt, zu diesem Turnier eingeladen zu werden. Die besten sechs Spieler des Landes haben doppelrundig Jeder-gegen-Jeden gespielt und der Weg zum Sieg war steinig. Als ich das Turnier mit sieben Siegen und drei Niederlagen gewonnen habe, war ich glücklich und stolz. Der Sponsor Orjan Lindroth konnte den kubanischen Großmeister Reinier Gonzalez als Kommentar und zur Analyse der Partien gewinnen, und das hat dieses Turnier zu etwas ganz Besonderen gemacht.
GM Reinier Gonzalez, Ted Cross und Orjan Lindroth | Foto: Andre White
Im Jahr darauf wurde das Format geändert und ein Rundenturnier mit zwölf Teilnehmern gespielt, um jungen Spielern und aufstrebenden Talenten die Teilnahme zu erleichtern. Dass ich das Turnier mit sieben Siegen und vier Remis ungeschlagen gewinnen konnte, hat mich selbst am meisten überrascht. 2019 kam es dann zur dritten Auflage des Turniers – würde mir der Hattrick und der dritte Sieg in Folge gelingen?
Das "Old Fort Bay Invitational 2019" hat mir gezeigt, dass Schach auf den Bahamas wirklich eine Zukunft hat. Vier junge Spieler haben in diesem Turnier ihr Können gezeigt und gegen Jungtalent Nathan Smith stand ich am Rande einer Niederlage.
Polina Karelina hat die Jugendmeisterschaften der Bahamas drei Mal in Folge gewonnen. Bei der letzten Olympiade, in Batumi 2018, hat sie für die Bahamas an Brett 1 im Offenen Turnier gespielt, und wann immer sie die Möglichkeit hat, an einem Turnier teilzunehmen, tut sie das.
Polina Karelina | Foto: Paul Truong
Kendrick Knowles, der vierfache (und amtierende) Meister der Bahamas war in meinen drei Jahren auf der Insel mein Angstgegner. Wir haben acht Mal gegeneinander gespielt, mit einem Ergebnis von +3 -4 =1. Er war der einzige Spieler, gegen den ich beim Turnier 2019 verloren habe.
Kendrick Knowles, Landesmeister der Bahamas | Foto: Gurt Smith
Doch am Ende konnte ich das Einladungsturnier zum dritten Mal in Folge für mich entscheiden (+7 -1 =2), eine Leistung, die mich stets mit Stolz erfüllt, wenn ich an diese drei wunderbaren Jahre auf den Bahamas zurückdenke. Die Spieler und Organisatoren sind alle ausgesprochen freundlich. Sie haben beschlossen, dass ich die große Siegertrophäe des Turniers mitnehmen darf, wenn ich mich im Sommer von der Insel verabschiede, um nach Italien zu gehen. In einem Artikel für die Lokalzeitung nannte mich Elton Joseph, der Präsident des Schachverbands der Bahamas, "einen Freund der Bahamas", was vielleicht das netteste Kompliment ist, das ich je erhalten habe. Wann immer möglich, werde ich bei zukünftigen Olympiaden vorbeischauen, und dann werde ich zuallererst diese wunderbaren Spieler von den Bahamas begrüßen. Die Organisatoren überlegen, ob sie das Einladungsturnier erweitern, und auch das ist ein Grund, bei zukünftigen Schachabenteuern an die Bahamas zu denken!
Übersetzung aus dem Englischen: Johannes Fischer