Schachvereine als Arbeitsplatz: das „FSJ“

von Christian Zickelbein
30.05.2017 – Das "Freiwillige Soziale Jahr" (FSJ) bietet die Chance im Laufe von 12 Monaten in einer gemeinnützigen Körperschaft mitzuarbeiten, Menschen kennenzulernen, seine Persönlichkeit weiterzuentwickeln und für die berufliche Orientierung Erfahrung zu sammeln. Was viele nicht wissen: Auch Schachklubs sind Betätigungsfelder für FSJler. Christian Zickelbein wirbt für diese Möglichkeit.

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Das „Freiwillige Soziale Jahr“ (FSJ) ist eine von den Schachverbänden und ihren Vereinen noch viel zu selten genutzte Chance, interessierte Mitarbeiter für ein leider meist nur auf ein Jahr befristetes Engagement zu gewinnen. Der Hamburger Schachklub von 1830 e.V. sucht zur Saison 2017/18 schon zum neunten Mal nach einem FSJler oder gern auch nach zweien. Unser kurzer Rückblick auf sieben gute Jahre der Zusammenarbeit mit der Hamburger Sportjugend soll möglichen Interessenten zeigen, wie vielfältig und abwechslungsreich ihre Tätigkeit vor allem in der Jugendarbeit sein kann, aber auch andere Vereine anregen, sich mit dem Modell dem FSJ zu befassen und ihre Möglichkeiten zu prüfen, es zu erproben.

2008/09 war Arne Bracker, aus der eigenen Jugend hervorgegangen und mit seinem Zwillingsbruder Frank Mitglied unserer Teams, das 2008 und 2010 die DVM U20 gewann, unser erster FSJler. Er hat Maßstäbe gesetzt, ohne doch mit seiner Arbeit festzulegen, was seine Nachfolger zu leisten hätten.

Sein Nachfolger war wieder ein Spitzenspieler: Felix Meißner von der SG Leipzig, verpflichtet in einem Telefongespräch in der Sylvesternacht 2009. Höhepunkte seines FSJ waren eine erfolgreiche Turnierreise mit dem Gymnasium Grootmoor nach Istanbul und die Entdeckung eines unserer größten Talente Luis Engel, den Felix trainiert und als Coach auf große Meisterschaften begleitet hat.

Felix Meißner

Noch heute spielen die beiden gemeinsam in unserer 2. Bundesliga – wie auch Felix‘ Freund Paul Doberitz, der mit ihm aus Leipzig kam und als FSJler bei Björn Lengwenus‘ SC Schachelschweine anheuerte, bei dem zweiten Hamburger Verein, der Jahr für Jahr FSJler verpflichtet und in seinen Grundschulen als Schachlehrer einsetzt.

Die erste (und leider bis heute einzige) Frau in der Gruppe unserer FSJler war Julia Prosch, für die Fußball ihr Leistungssport und Schach ein Ausgleich war. Sie arbeitete 2010/11 erfolgreich für unsere Jugend im Klub und in den Schulen, von ihrer Arbeit zehren wir bis heute. Nach dem FSJ ging sie leider aus Hamburg weg, um ihre Karriere als Fußballerin voranzutreiben.

Mit Martin Grünter kam 2012/13 wieder ein Spitzenspieler, der sein FSJ im Klub auch zu seiner eigenen sportlichen Qualifikation nutzen konnte und dennoch seinen Schwerpunkt auf die Arbeit in unseren Schulschachgruppen setzte. Sein Meisterstück hat Martin an der Grundschule Hasenweg geliefert, wo er im Rahmen einer Kooperation nach dem Vereinsmodell der Hamburger Sportjugend innerhalb eines halben Schuljahres 40 neue Mitglieder im Alter von 6 bis 10 Jahren für den Klub gewann, die alle ebenso wie ihre Eltern gehofft haben, er könnte in Hamburg studieren und bliebe ihnen als Trainer erhalten. Leider zog er weiter zum Studium nach Bonn, spielt aber bis heute in unserer 2. Bundesliga!

2013/14 übernahm Jan Hinrichs unsere FSJ-Stelle, aus der Schachgruppe am Gymnasium Grootmoor hervorgegangen und mit unserer Jugend-Bundesliga sehr erfolgreich. In seine Zeit fällt die Gründung des „HSK Kids-Cups“, der am 8. April als „HSK Kids-Youth-Cup“ im HSK Schachzentrum seine 23. Auflage erleben wird. Dieses Turnier mit regelmäßig mindestens 60 Teilnehmern soll die Kinder aus unseren vielen Grundschulen an den Klub heranführen.

2014/15 kam Timo Paulsen von den Schachfreunden Hamburg zu uns. Für den Abiturienten an der Brecht-Schule lag nahe, dass er sich vor allem in unserer Schulschachgruppe dort engagierte. Im März 2017 wurde Timo zum 1. Vorsitzenden des Hamburger Schachjugendbundes gewählt.

Da der „HSK Kids-Cup“ am Küchentisch im Hause Hinrichs erfunden wurde, war 2015/16 der logische Nachfolger als FSJler Jans jüngerer Bruder Lars Hinrichs. Lars machte unsere jährliche Jugendreise, 2016 nach Westensee, zu seinem Schwerpunkt-Projekt für die Präsentation bei der Hamburger Sportjugend machte, gab viel Training und führte auch die Jugend-Bundesliga als Teamchef durch die Saison. In seinem letzten Jugendjahr als aktiver Spieler will er 2017 noch einmal zur DVM U20!



Lars Hinrichs, ganz links mit seiner Mannschaft bei der DVM U20, die 2015 in Osnabrück die 11. Deutsche Vereinsmeisterschaft U 20 für den HSK gewann.

Aktuell haben wir zwei FSJler. Finn Gröning kommt aus der Jugendarbeit des Klubs. Er trainiert vor allem in vielen Schulschachgruppen und hat als Schwerpunkt den HSK DWZ-Cup U12 entwickelt, ein gelungenes Turnier, das er hoffentlich auch über das FSJ hinaus weiterleiten wird. Kevin Schreiber hat ein vielfältiges Programm, das ihn fast rund um die Uhr in Atem hält. Vorbereitet durch seine Erfahrungen als Jugendsprecher in Mecklenburg-Vorpommern, hat er von Anfang an eigenverantwortlich und im Team an verschiedenen Projekten gearbeitet – er ist redaktioneller Mitarbeiter auch unserer Schachschule Hamburg, gibt unseren Jugend-Newsletter heraus, trainiert an drei Schulen, führt als Spieltrainer eine junge Mannschaft in den Hamburger Mannschaftskämpfen und organisiert gemeinsam mit Lars Hinrichs unsere Jugendreise mit 80 Teilnehmern nach Husum.

Zurzeit ist Kevin in Israel – als Vertreter des HSK auf einem „Match-Making-Seminar“ zum Aufbau neuer Partnerschaften im deutsch-israelischen Jugendaustausch und bereitet einen für 2018 geplanten Austausch mit der Chess Academy des Hakfar Hayarok Youth Village vor! Wir hoffen, dass uns Kevin über dieses Projekt über seinen studienbedingten Abschied von Hamburg hinaus verbunden bleibt.

Zugleich mag dieses herausragende Projekt auch für die Nachfolgerin oder den Nachfolger interessant sein, die wir nun für 2017/18 mit dem Beginn am 1.8. oder 1.9. 2017 suchen. Wie gesagt: Wir suchen zwei FSJler, am besten auch wieder eine Frau, weil wir das große Arbeitsprogramm des Klubs ohne FSJler kaum noch bewältigen. Die FSJler haben großen Anteil an der Entwicklung des ehrenamtlich geführten HSK mit inzwischen über 700 Mitgliedern, darüber hinaus mit Schachgruppen an über 30 Hamburger Schulen. Wir nehmen mit 30 Mannschaften am allgemeinen Spielbetrieb von der 1. Bundesliga bis in die Basisklasse teil; vier Frauen-Teams verteilen sich in der nächsten Saison von der 1. Frauen-Bundesliga bis in die Landesliga; auch unsere zwölf Jugend-Mannschaften starten in allen Ligen von der Jugend-Bundesliga bis in die Basisklassen. Und die mit uns kooperierenden Schulen qualifizieren sich für die eine oder andere Deutsche Meisterschaft. An allen Wochentagen gibt es Jugendtraining im Klub.

Vor fünf Jahren haben wir die Schachschule Hamburg als eine Initiative des Klubs gegründet, die Top-Trainings für starke Spieler anbietet, aber auch Kompakt-Trainings (sieben Stunden) oder Abendkurse über mehrere Wochen für Anfängerinnen und Anfänger jeden Alters. Ihr besonderer Schwerpunkt sind wöchentliche Ferienkurse in allen Hamburger Ferien. Inzwischen hat die Schachschule mit ihrem neuen Schulleiter Andreas Christensen (Künstlername: Jones) auch unsere Schachwochen in Hamburger Einkaufszentren in ihre Regie genommen.

Der HSK bietet also neben Hamburg als lebendige Großstadt ein weites und vielfältiges Arbeitsfeld: Jeder, der mitanpacken will, ist willkommen! Ich möchte jedoch allen Interessenten gleich ein Wortspiel der exzellenten FSJ-Betreuer bei der Hamburger Sportjugend ins Stammbuch schreiben: „Freiwillig am Freiwilligen Sozialen Jahr ist nur die Entscheidung, eins zu machen!“ Mit dem Beginn des FSJ beginnen also die Pflichten und ein Vorgriff aufs spätere Arbeitsleben mit 39 Wochenstunden. Ein Vorgriff nur, denn die Hamburger Sportjugend definiert: „Das FSJ im Sport ist ein Bildungs- und Orientierungsjahr, das pädagogisch begleitet wird und Erfahrungsräume für Freiwillige eröffnet. Der Erwerb persönlicher Kompetenzen und sportlicher Lizenzen sowie Berufs- und Engagementorientierung stehen im Mittelpunkt.“ Dazu trägt übrigens die Hamburger Sportjugend mit einigen ausgezeichneten Seminaren nachhaltig bei. Außer den drei Pflichtseminaren (à fünf Tagen) dürfen 10 der 25 Seminartage frei gewählt und auch für die eigene schachliche Entwicklung genutzt werden – wie natürlich auch der Urlaub von 30 Tagen.

Tatsächlich werden wir den FSJlern ihren Dienstplan nicht vorschreiben, sondern die Anleiter werden ihn gemeinsam mit ihnen individuell erarbeiten, sodass er vermutlich weitgehend einvernehmlich gestaltet wird, weil wir versuchen werden, die besonderen Interessen und Stärken unser FSJler zu berücksichtigen. Auch der Anteil von Veranstaltungen an den Wochenenden wird miteinander abgestimmt, aber ganz ohne Engagement an Wochenenden wird es nicht gehen: Viele Wettkämpfe und Turniere finden dann statt, auch unsere voraussichtlich drei Schachwochen in Einkaufszentren schließen den Sonnabend ein. Top-Trainings unserer Schachschule finden am Wochenende statt wie ggf. auch Lehrgänge des Hamburger Schachverbandes z.B. zur Trainer- oder Schiedsrichterausbildung.

Wenn Du Dich angesprochen fühlst, schreib‘ uns schnell eine Mail oder greif‘ zum Telefon: Unter 0171-4567172 ist Christian Zickelbein fast jederzeit erreichbar, einst für Felix Meißner sogar in der Sylvesternacht. Der 1. Vorsitzende wird einer Deiner Anleiter sein, aber noch enger könnte je nach Programm Deine Zusammenarbeit mit unserem Jugendwart Bernhard Jürgens als dem offiziellen Anleiter sein oder auch mit Jones, dem Leiter der Schachschule, oder mit Bessie Abram, die unser Schulschach mitkoordiniert und sich besonders im Mädchenbereich engagiert.

Wir begleiten Deinen Werdegang als Trainer in Schulen und Kursen für Kinder des Vereins. Wir arbeiten auch im organisatorischen Bereich mit Dir zusammen. Unser Ziel ist, dass Du mit unserer Hilfe eigenverantwortlich handelst. Wir erwarten von Dir Offenheit und die Motivation, mit dem Team unseres Jugendvorstands die miteinander vereinbarten Aufgaben anzugehen. Bitte lass Dich nicht von den Namen der starken Spieler unter unseren bisherigen FSJlern einschüchtern. Schachkenntnisse sind natürlich wichtig, aber Du musst nicht unsere Kaderspieler trainieren, sondern unsere Kids in den Schulen oder im Klub. Wichtiger als die Spielstärke sind die Liebe zum Schachspiel, Lust und Neugier auf die Zusammenarbeit mit den engagierten Mitarbeitern des HSK. Kommst Du von außerhalb nach Hamburg, wollen wir bei der Quartiersuche helfen, können aber einen Erfolg nicht garantieren. Und die monatlichen Kosten von 430 € für Taschengeld und Sozialversicherung können wir allenfalls noch durch eine Monatskarte für die öffentlichen Verkehrsmittel aufstocken, nicht aber durch die Finanzierung einer Wohnung. Das kann also ein Problem werden – aber ruf an, vielleicht können wir’s miteinander lösen.

Ein schnelle Mail an: ChZickelbeinHSK@aol.com oder ein schneller Anruf wären gut für ein erstes Vorgespräch, die Bewerbungsunterlagen müssten uns möglichst bald erreichen.


  


Christian Zickelbein ist langjähriger Vorsitzender des Hamburger Schachklubs. Er gründete die älteste Schulschachgruppe Deutschlands, war und ist auf vielfache Weise im Schach aktiv. Für sein Engagement erhielt er das Bundesverdienstkreuz. Der Schachbund ernannte ihn kürzlich zum Ehrenmitglied.

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