Schachweltmeisterschaft, Partie 7: Die Geschichte setzt sich fort

von Marco Baldauf
18.11.2018 – Das Match um die Weltmeisterschaft zwischen Magnus Carlsen und Fabiano Caruana liefert zweifelsohne eine Vielzahl an Narrativen. Eines davon ist die Weißmisere, die auch in der zweiten Hälfte des Turniers anzudauern scheint. Auch heute kann Carlsen gegen Caruanas Damengambit nichts ausrichten, Chancen erhält der Weltmeister erst, als Caruana beginnt, sich selbst in Bedrängnis zu bringen. Am Ende steht das 7. Remis im 7. Spiel zu Buche.

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Anzugsvorteil? Fehlanzeige!

Wenig bis gar nichts brachte der Anzugsvorteil den Spielern in der ersten Turnierhälfte des WM-Matches ein. War jemand am Drücker, so war es zumeist Schwarz. Magnus Carlsen hatte in der 1. Runde große Chancen, Fabiano Caruana hingegen in der 6. Partie des Matches. Beide Male schrammten sie mit den schwarzen Steinen knapp am Sieg vorbei. In der Pressekonferenz zur 6. Runde wurden die Spieler bereits gefragt, ob Schwarz das neue Weiß sei. Caruana kochte die Situation herunter. Als "eine Reihe von Zufällen" seien die Ereignisse in London zu werten, weiter nichts. Am prinzipiellen Vorteil des Anzugs dürfe nach der ersten Hälfte des Matches also noch nicht gezweifelt werden.

Anish Giri glaubt auch nicht mehr an Weiß und empfiehlt die frühe Chance auf Zugwiederholung wahrzunehmen

Mit Schwarz bisher eine Bank: Herausforderer Fabiano Caruana | Foto: Turnierseite

Carlsens schwache Weißvorbeitung

Die Misere der Weißspieler in London hängt zum eng mit der Turniervorbereitung des Weltmeisters zusammen. Die vor dem Turnier ausgearbeitete Marschroute lautete offensichtlich: mit Schwarz Rossolimo wasserdicht bekommen, mit Weiß probieren wir herum. Die Schwarz- wie auch Weißstrategie werden umgesetz, das Herumprobieren bringt allerdings noch keine nennenswerte Erfolge ein. Damengambit in Runde 2: Caruanas 10...Td8!? leitet fast ein Carlsensches Eröffnungsdesaster ein, bei dem er sich schnell, aber letztlich problemlos ins Remis rettet. Englisch in Runde 4: etwas mehr Spiel für den Weltmeister, doch zu wenig, um wirklich Siegchancen zu erzeugen. Russisch in Runde 6: nach dem kuriosen 4.Sd3?! hat Carlsen nicht den Hauch eines Vorteils, am Ende ein langes Leiden für einen mageren halben Punkt. In Runde 7 soll die Rückkehr zum Damengambit nochmal Schwung rein bringen.

Bringen noch die erwarteten Erfolge ein: die einst so gefährliche Kombination der weißen Figuren.... | Foto: Turnierseite

... und weltmeisterlicher Führung | Foto: Turnierseite

 

 
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1.e41,166,62354%2421---
1.d4947,29855%2434---
1.Nf3281,60256%2441---
1.c4182,10256%2442---
1.g319,70256%2427---
1.b314,26554%2427---
1.f45,89748%2377---
1.Nc33,80151%2384---
1.b41,75648%2380---
1.a31,20654%2404---
1.e31,06848%2408---
1.d395450%2378---
1.g466446%2360---
1.h444653%2374---
1.c343351%2426---
1.h328056%2418---
1.a411060%2466---
1.f39246%2436---
1.Nh38966%2508---
1.Na34262%2482---
1.d4 Nf6 2.Nf3 d5 3.c4 e6 4.Nc3 Be7 5.Bf4 0-0 6.e3 c5 7.dxc5 Bxc5 8.Qc2 Nc6 9.a3 Qa5 Von der Begegnung in Runde 2 weicht Carlsen heute mit 10.Nd2 ab, Caruanas postwendende Antwort 9...Dd8 schien ihn jedoch bereits auf dem falschen Fuß erwischt zu haben, denn für die nächsten vier Züge investierte der Weltmeister 45 Minuten. 10.Rd1 Rd8 11.Be2 Ne4 12.0-0 Nxc3 13.bxc3 h6 14.a4 Ne7 15.Ne5 Bd6 16.cxd5 Nxd5 17.Bf3 Nxf4 18.exf4 Bxe5 19.Rxd8+ Qxd8 20.fxe5 Qc7 21.Rb1 Rb8 22.Qd3 Bd7 23.a5 Bc6 24.Qd6 Qxd6 25.exd6 Bxf3 26.gxf3 Kf8 27.c4 Ke8 28.a6 b6 29.c5 Kd7 30.cxb6 axb6 31.a7 Ra8 32.Rxb6 Rxa7 33.Kg2 e5 34.Rb4 f5 35.Rb6 Ke6 36.d7+ Kxd7 37.Rb5 Ke6 38.Rb6+ Kf7 39.Rb5 Kf6 40.Rb6+ Kg5 41.Rb5 Kf4 42.Rb4+ e4 43.fxe4 fxe4 44.h3 Ra5 45.Rb7 Rg5+ 46.Kf1 Rg6 47.Rb4 Rg5 48.Rb7 Rg6 49.Rb4 1/2-1/2 (49) Carlsen,M (2835)-Caruana,F (2832) London ENG 2018 10...Qd8!? stellt die Drohung ...d4 auf deutlich häufiger geschieht 10...Be7 11.Bg3 Bd7 12.Be2 Qb6 13.b4 d4 14.Na4 Qd8 15.e4 Be8 16.Nb2 Nd7 17.Nd3 Bh4 18.c5 Bxg3 19.hxg3 Nde5 20.f4 Nxd3+ 21.Bxd3 h6 22.Nc4 Rc8 23.Nd6 Rc7 24.e5 f6 25.Qe2 a6 26.Qe4 f5 27.Qe2 Re7 28.g4 fxg4 29.Qxg4 Kh8 30.g3 Bf7 31.Ra2 Bg8 32.Rah2 1-0 (32) Sokolov,I (2684)-Short,N (2684) Bled 2002 11.Nb3 Bb6 12.Be2 12.0-0-0!? hätte dem Spiel einen völlig anderen Charakter verpasst. Der schwarze Läufer auf b6 steht nun falsch, da er den Angriff am Damenflügel eher behindert. 12...Qe7 das Spiel entwickelt sich entlang normaler Bahnen. Weiß wird Druck in der Folge den Druck gegen d5 erhöhen, Schwarz zu ...dxc4 zwingen und bei symmetrischer Struktur versuchen, seine aktiveren Figurenstellung in Zählbares umzumünzen. Der Läufer auf c8 ist das schwarze Sorgenkind. Gelingt es diesen zu entwickeln ohne dabei Zugeständnisse zu machen hat Schwarz Ausgleich. 13.Bg5 13.cxd5 Nxd5 14.Nxd5 exd5 mit Spiel gegen den Isolani funktioniert hier nicht gut, da Schwarz die bessere Kontrolle über das wichtige Feld d4 hat. 15.0-0 Be6 13...dxc4 13...h6 14.Bxf6 Qxf6 15.cxd5 exd5 16.Nxd5 Qg5 17.Bf3 Be6 ist spielbar für Schwarz, aber unnötig, sich in derartige Komplikationen zu stürzen 14.Nd2 14.Bxc4 h6 15.Bh4 Ne5! 16.Be2 Ng6 17.Bg3= Schwarz hat sich mit dem schlauen Manöver Se5-Sg6 entfesselt und es gibt keinen Grund, weshalb Weiß hier auch nur einen Hauch besser stehen sollte. 14...Ne5 15.0-0 15.Nce4 Bd7= und die Fesselung des Sf6 ist nicht weiter tragisch. Schwarz besetzt zuerst die c-Linie und kann zufrieden sein 15...Bd7 16.Bf4 Ng6 17.Bg3 Carlsen Läufer hat zwar drei Tempi eingebüßt, Caruana jedoch zu 13...dxc4 gezwungen und zudem musst der schwarze Springer zwei Züge aufwenden um von c6 nach g6 zu kommen. Wirklich besser steht er dort jetzt auch nicht. Bc6 18.Nxc4 Bc7 19.Rfd1 Rfd8 20.Rxd8+ Rxd8 21.Rd1 Rxd1+ 22.Qxd1 Nd5 Die Türme sind vom Brett, in der Folge werden sich noch ein paar Leichtfigurenpaare verabschieden. Das Remis scheint zum Greifen nahe. 23.Qd4 Nxc3 24.Qxc3 Bxg3 25.hxg3 Qd7?! der Beginn einer Reihe von etwas unglücklichen Zügen auf Seiten Caruanas. In der Folge scheinen beide Spieler diesselbe Stellung anzustreben, welche zwar Remis ist, aber mit dem deutlichen angenehmeren Spiel für Weiß. Die Frage, ob Caruana dies zu spät aufgefallen ist oder er etwas übersehen hat, kann ich nicht beantworten. 25...Bd5 nebst ...Lxc4 scheint viel einfacher zu sein als das Endspiel, das in der Partie folgt 26.f3 26.Nd2 kann auch kein ernsthafter Versuch sein, Vorteil zu erlangen. Qd8 27.f3 Ne7= 26...Qc7 27.Kf2 Bxc4 28.Qxc4 Qxc4 29.Bxc4 Kf8= 26.Bd3 Carlsen macht sich nun bereit, selbst seinen Läufer für den Springer zu geben. Dies funktioniert hier insbesonders gut, als der schwarze Doppelbauer auf der g-Linie zur Schwäche wird. b6 27.f3 Bb7 28.Bxg6! hxg6 29.e4 Dame und Springer stellen bekanntlich ein besseres Duo als Dame und Läufer dar. Zudem beißt der Lb7 mit der Kette g2-f3-e4 auf etwas, das Aaron Nimzowitsch bereits als beste Formation gegen einen Läufer beschrieben hatte. Die schwarzen Bauern am Königsflügel sind hingegen potenziell schwach, insbesondere der g6. Landet Carlsens Springer auf e5 so ist ...f6 nicht mehr möglich. Caruana hatte bis hierher selbstbewusst und schnell gespielt, scheint nun aber zu verstehen, dass noch einiges an Arbeit bevorsteht. Qc7 30.e5 30.Kf2?! Qc5+ 30.g4!? Ba6 Caruana sollte hier vermutlich mittels 30...f6! um die schwarzen Felder kämpfen 31.Ne5 Qxc3 32.bxc3 Bb5 33.g5! und Schwarz hat noch einige Hürden zu umschiffen Kf8 34.Kf2 Ke7 35.Ke3 Be8 36.f4 f6 37.Nf3 30...Qc5+! treibt den König weiter vom Zentrum weg... 31.Kh2 ehe er mit die Damen vom Brett nimmt Ba6 32.Nd6 Qxc3 33.bxc3 f6 34.f4 Kf8 35.Kg1 Ke7 36.Kf2 Kd7! Caruana ist wieder wach und voll auf der Höhe. Schleunigst muss er seinen König aktivieren und so für Gegenspiel sorgen. Sorgen um die Verteidigung des g7 muss er keine haben. 37.Ke3 37.c4 um den Läufer auszusperren ist eine valide Idee, doch Schwarz ist schnell genug Kc6 38.Ke3 Kc5 39.Kd3 f5 40.Kc3 b5!= 37...Bf1 38.Kf2 Ba6 39.Ke3 Bf1 40.Kf2 ½–½
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WhiteEloWBlackEloBResYearECOEventRnd
Carlsen,M2835Caruana,F2832½–½2018D37FIDE World Chess Championship7

In der morgigen 8. Runde darf Caruana wieder zeigen, ob er mehr aus seinem Anzugsvorteil herausholen kann denn Carlsen. Wir sind gespannt und ab 16 Uhr Live auf Playchess dabei.


Marco Baldauf, Jahrgang 1990, spielt seit seinem sechsten Lebensjahr Schach. Zwei Mal wurde er Deutscher Jugendmeister, seit 2015 spielt er für die Schachfreunde Berlin in der Bundesliga. Für Chessbase schreibt er gelegentlich auf der Homepage, kommentiert live oder versucht sich als Autor von Fritztrainern.

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