Schiedsrichter bei einem Freestyle Chess Turnier: Einige Tipps

von Gerhard Bertagnolli
23.07.2025 – Die Schachwelt zeigt zunehmendes Interesse an dem, was viele mittlerweile als „Freestyle-Schach“ bezeichnen. Gerhard Bertagnolli, der in diesem Jahr bei zwei solchen Veranstaltungen als Hauptschiedsrichter fungierte – eine im Februar in Weissenhaus, Deutschland, und eine weitere im April in Paris, Frankreich –, stand dabei vor einer Reihe einzigartiger Herausforderungen. Diese sind es wert, geteilt zu werden, da sich Freestyle-Schach in mehreren subtilen, aber bedeutenden Punkten vom klassischen Schach unterscheidet.

Ihr persönlicher Schachtrainer. Ihr härtester Gegner. Ihr stärkster Verbündeter.
FRITZ 20: Ihr persönlicher Schachtrainer. Ihr härtester Gegner. Ihr stärkster Verbündeter. FRITZ 20 ist mehr als nur eine Schach-Engine – es ist eine Trainingsrevolution für ambitionierte Spieler und Profis. Egal, ob Sie Ihre ersten Schritte in die Welt des ernsthaften Schachtrainings machen oder bereits auf Turnierniveau spielen: Mit FRITZ 20 trainieren Sie effizienter, intelligenter und individueller als je zuvor.

Erfahrungen als Schiedsrichter bei einem Freestyle-Schach-Turnier

Namenskonventionen

Der Name, der für diese Art von Schach verwendet wird, ist unterschiedlich:

  • Chess960 ist der offizielle Name in den FIDE-Schachregeln. Er bezieht sich auf die 960 verschiedenen möglichen Startpositionen.
  • Fischer Random Chess ist ein anschaulicherer Name, der häufig in den Medien und von der Öffentlichkeit verwendet wird. Er erinnert auch an Bobby Fischer, den 11. Schachweltmeister.
  • Freestyle Chess ist ein neuerer und zunehmend beliebter Begriff. Er betont die Kreativität und Offenheit, die sich aus zufälligen Startkonstellationen ergeben.

Wird eine Startposition ausgeschlossen?

Wie Sie alle wissen, ist die Startposition, die wir im klassischen Schach verwenden, auch eine der 960 Möglichkeiten im Freestyle-Schach: Es ist genau die Position Nummer 518! Eine sehr ähnliche Aufstellung, bei der nur König und Königin vertauscht sind, ist die Position 534. Eine der ersten Fragen im Freestyle-Turnier lautet: Welche Positionen sind ausgeschlossen?

Obwohl alle 960 Positionen zulässig sind, können bestimmte Positionen, wie beispielsweise 518 oder sogar 534, durch Turnierregeln ausgeschlossen werden. Diese Ausschlüsse müssen vor Beginn des Turniers klar angegeben werden. Stellen Sie sich vor, es wäre keine solche Regel festgelegt worden und Position 518 würde gezogen – was dann?

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die Methode zur Auswahl der Startposition. Alle Simultanspiele sollten mit derselben Startposition gespielt werden. Der ideale Ansatz besteht darin, mit einer transparenten und zuverlässigen Methode eine Zahl zwischen 0 und 959 (ohne verbotene Positionen) zu ziehen. Ein Beispiel wäre das Ziehen aus einer Schachtel mit nummerierten Kugeln – aber mal ehrlich, wer hat schon so viele Kugeln herumliegen?

Wenn ein solcher vollständiger Satz nicht verfügbar ist, besteht eine praktische Alternative darin, drei separate Schachteln zu verwenden: Alle Schachteln enthalten Zahlen von 0 bis 9 – wenn man aus jeder Schachtel eine Zahl zieht und diese kombiniert, erhält man eine Zahl zwischen 000 und 959 (wenn die erste gezogene Zahl eine „9” ist, muss die zweite gezogene Zahl natürlich zwischen 0 und 5 liegen).

Außerdem sollte klar angegeben werden, ob eine Startposition während des Turniers wiederverwendet werden kann oder nicht. Ich persönlich empfehle, Positionen zu vermeiden, die bereits im Turnier verwendet wurden.

Bekanntgabe der gezogenen Position

Ein entscheidender Moment vor der Runde ist die Bekanntgabe der ausgelosten Position. Zu diesem Zeitpunkt müssen alle Spieler physisch in der Turnierhalle anwesend sein. Eine absolute Isolation von externen Informationsquellen ist unerlässlich – dazu gehören andere Spieler, Trainer, elektronische Geräte und schriftliche Unterlagen.

Warum ist das wichtig?

Die Idee ist einfach: Einige Anfangspositionen bieten Weiß einen erheblichen Vorteil – wenn die optimalen Zugfolgen bekannt sind (einige bekannte Engines geben sogar einen Vorteil von bis zu +0,8 an). Mit dem Aufkommen von Eröffnungsliteratur, die sich speziell mit Freestyle-Schach befasst (ähnlich den Eröffnungsenzyklopädien der 1980er und 90er Jahre), wird die Abgeschiedenheit vor dem Spiel zu einer wichtigen Maßnahme, um Fairness zu gewährleisten.

Sie können sich sicherlich vorstellen, welchen Vorteil ein Spieler hätte, wenn er genau wüsste, was die besten Anfangszüge für die ausgewählte Startposition sind...

Bei den Turnieren, bei denen ich als Hauptschiedsrichter fungierte – mit allen Top-Spielern mit einer Wertungszahl von 2700+ – haben wir eine Besonderheit eingeführt: Die Spieler durften vor Beginn der Partie eine 10-minütige Beratungsphase einlegen. Während dieser Pause konnten sie sich von anderen Teilnehmern beraten lassen, die in derselben Runde und mit derselben Farbe spielten. Natürlich muss eine solche Regel im Voraus in den Turnierbestimmungen klar festgelegt werden. Ich fand es besonders interessant zu beobachten, wie unterschiedlich die Spieler diese Möglichkeit nutzten: Die meisten versammelten sich, um die Stellung zu besprechen und Ideen auszutauschen, während einige wenige sich dafür entschieden, die 10 Minuten allein an ihrem Brett zu verbringen und sich ausschließlich auf ihre eigenen Gedanken (möglicherweise im Zusammenhang mit Eröffnungsideen) und 

Technische Einrichtung und Positionsvorbereitung

Sobald eine Position gezogen ist:

  • Überprüfen Sie die Position mit einem zuverlässigen Tool oder einer Website. Beispielsweise bietet https://www.freestyle-chess.com/ einen Konfigurator, in den die Positionsnummer eingegeben werden kann, um die Aufstellung anzuzeigen.
  • Zeigen Sie die Position auf einem großen Bildschirm an, der für alle Teilnehmer gleichzeitig sichtbar ist. Dies minimiert Informationsverzögerungen und verhindert, dass ein einzelner Spieler die Position vor den anderen analysieren kann.
  • Vorbereitungszeit vor dem Spiel – ja oder nein? Erwägen Sie, die Position einige Minuten (z. B. 5–10 Minuten) vor Beginn der eigentlichen Runde anzuzeigen. So haben die Spieler Zeit, grundlegende Strategien zu entwickeln. Bei Freestyle-Schach kann ein schwacher erster Zug das Spiel sofort gefährden.
  • Richten Sie jedes Brett manuell auf der Grundlage der ausgewählten Position ein. Eine doppelte Überprüfung ist unerlässlich, da Fehler in dieser Phase die Integrität des gesamten Spiels gefährden könnten.
  • Praktische Beobachtungen während des Spiels

Freestyle-Schach behält alle Regeln des klassischen Schachs bei, mit nur einer Änderung: der „neuen“ Ausgangsposition. Der Schiedsrichter sollte versuchen:

  • Starten Sie alle Partien gleichzeitig.
  • Beobachten Sie die Rochade genau, da sie in ungewohnten Startstellungen häufig missverstanden wird. Versuchen Sie, die Standardregel für die Rochade anzuwenden: Berühren Sie zuerst den König, bewegen Sie dann den Turm (falls erforderlich) und ... alles mit einer Hand! In einigen Startstellungen bewegen sich der König oder der Turm (aber nicht beide) während der Rochade nicht. In einigen Startstellungen kann die Rochade bereits mit dem ersten Zug erfolgen.

Eine leicht zu merkende Regel: Nach Abschluss der Rochade müssen der König und der beteiligte Turm auf denselben Feldern stehen wie in einem normalen Spiel.

  • Seien Sie geduldig, wenn einige Spieler ihren ersten Zug hinauszögern. Dies ist oft eine bewusste Pause, insbesondere bei Spitzenspielern, die versuchen, die zugrunde liegenden Ideen hinter der unorthodoxen Startposition zu erahnen.
  • Verstehen Sie, dass einige Spieler abwarten, was andere zuerst spielen – das ist üblich.

Nicht vergessen: Bei Live-Übertragungen muss sichergestellt werden, dass die DGT-Bretter für die gezogene Position korrekt konfiguriert sind. Auch wenn dies formal nicht Aufgabe des Schiedsrichters ist, wird es in der Praxis oft zu einer solchen – eine falsche Startposition auf dem Bildschirm kann Verwirrung oder Gerüchte unter den Zuschauern auslösen. Und an diesem Punkt ist es definitiv die Aufgabe des Schiedsrichters, die Gerüchte auszuräumen – daher ist es besser, das Problem von vornherein zu vermeiden!

Abschließende Bemerkungen

Abgesehen von den anfänglichen Komplexitäten verläuft eine Partie Freestyle-Schach ähnlich wie eine klassische Partie. Die Aufgaben des Schiedsrichters vor dem ersten Zug sind jedoch wesentlich anspruchsvoller.


Gerhard Bertagnolli, Jahrgang 1976, Internationaler Schiedsrichter aus Südtirol/Italien mit Einsätzen südlich und nördlich der Alpen, steht gerne auch für deutschsprachige Schachfreunde für Fragen zu Turnieren in Italien zur Verfügung.