Aus den russischen Schachmedien
Ein Thema, das zurzeit alle Schachmedien Russlands bewegt, ist die anstehende Präsidentschaftswahl im russischen Schachbund sowie die überraschende Kandidatur von Kirsan Ilyumzhinov für diesen Posten. Ob es sich um einen genau überlegten Schachzug oder eine Kurzschlussreaktion Ilyumzhinovs handelt, kann nur spekuliert werden. Die Tatsache, dass sein Posten als Präsident des Weltschachbundes nach 23 Jahren Amtszeit gefährdet ist, könnte als Auslöser für seine Kandidatur interpretiert werden. Die Präsidentenwahl des russischen Schachbundes findet am 03. Februar 2018, kommenden Samstag, in Moskau statt.
Chess-news.ru berichtet, dass Andrey Filatov gern Präsident des Russischen Schachbundes bleiben würde. Außer Andrey Filatov gibt es aber nun sechs weitere Kandidaten.
Alle Kandidaten für den Präsidentenposten im Überblick:
1. Kirsan Ilyumzhinov – Die Kandidatur wurde unterstützt von der Generalversammlung der Kalmykischen Schachspieler sowie bei den Vorstandsversammlungen der Schachbünde in Inguschetien (keine Akkreditierung) und der Bezirke Astrachan und Wladimir (keine Akkreditierung).
2. Zaurbek Malsagov – Die Kandidatur wurde unterstützt von der Generalversammlung der gemeinnützigen Vereinigung Schach und Dame der Republik Kabardino-Balkarien.
3. Sergey Nesterov – unterstützt von der Vorstandsversammlung des Schachbundes der Republik Krim. (Dieser Schachbund ist nicht akkreditiert.)
4. Andrey Selivanov – unterstützt von der Generalversammlung des Schachbundes der Republik Nordossetien-Alanien. (Dieser Schachbund wird nicht im Register der akkreditierten Sportbünde des Russischen Sportministeriums geführt.)
5. Ivan Starikov – unterstützt von der Generalversammlung des Schachbundes der Republik Karatschai-Tscherkessien (Dieser Schachbund wird nicht im Register der akkreditierten Sportbünde des Russischen Sportministeriums geführt.)
6. Eduard Suboch – die Kandidatur wurde unterstützt von der Generalversammlung der regionalen Sportorganisation „Schachbund Oblast Rostow“.
Der Wahlkampf hat in Russland für hohe Wellen gesorgt. So meldete chess-news.ru am 24.01.18, dass Andrey Filatov Silvio Danailov sogar wegen Verleumdung Danailov auf 100 000 Euro Schadenersatz verklagen wolle. Auslöser der Auseinandersetzung war ein Tweet Danailovs, in dem dieser Filatov als Mitglied der "Bande von Makro&Freunde" bezeichnete und ihm vorwarf, sich in deren "korrupten Machenschaften" einbinden zu lassen.
Der Betreiber von chess-news.ru – Evgeny Surov – veröffentlichte in diesem Zusammenhang ein langes Interview mit Silvio Danailov. Silvio Danailov ist in der Schachwelt alles andere als ein unbeschriebenes Blatt. Er war Manager und Trainer von Veselin Topalov, außerdem zeitweise von Ruslan Ponomarjov. Sieben Jahre lang war er zudem als Trainer der bulgarischen Nationalmannschaft tätig, ebenfalls sieben Jahre lang als Präsident des bulgarischen Schachbundes und vier Jahre als Präsident des Europäischen Schachbundes (ECU). Ihm wird vorgeworfen als Präsident des Europäischen und bulgarischen Schachverbandes Geld des bulgarischen Sportministeriums an eine Scheinfima umgeleitet zu haben. Aus diesem Grund wurde dem bulgarischen Schachverband in Bulgarien die Anerkennung als Sportverband entzogen. Auch in der FIDE und der ECU ist der bulgarische Verband derzeit nicht anerkannt. Bulgarische Schachspieler müssen unter der Flagge der FIDE antreten.
Silvio Danailov im Interview mit chessnews.ru
In seinem Interview mit Evgeny Surov erklärt Danailov, Schach derzeit nur noch als Hobby zu betreiben. Momentan beschäftige er sich mit Finanzen, im Speziellen mit Kryptowährungen. Ob die virtuelle Währung in 20 Jahren das Gold ersetzen kann, sei eine spannende Frage, glaubt Danaillov.
Auf Surovs Frage, was leichter sei: Einem zufällig ausgewählten Spaziergänger die momentane Lage der FIDE oder die Kryptowährung zu erklären, antwortet Danailov, dass es ein Ding der Unmöglichkeit sei zu erklären, was bei der FIDE gerade vor sich gehe. In den letzten 30 Jahren, so Danailov, sei die FIDE unter der Herrschaft von Makropoulos und seinen Unterstützern, von Danailov abwertend als "Makro&Friends" bezeichnet, heruntergewirtschaftet worden. Ilyumzhinov hätte lediglich als Sponsor fungiert.
Danailov wirft Makropoulos Verleumdung vor. Die drei- bis vierhunderttausend Schweizer Franken Gerichtskosten, die die FIDE zu Danailovs "Vernichtung" ausgegeben hätten, hätten sie sinnvoller investieren sollen. Danailov betonte, keinerlei politische Ambitionen in der FIDE zu verfolgen. Das Schach verliere aber ständig an Beliebtheit. Das großartige Turnier in Wijk aan Zee finde in den westlichen Medien kaum Beachtung.
Danailov kritisierte zudem die vergleichsweise geringen Preisgelder im Schach. Der aktuelle Schachweltmeister bekomme, ziehe man seine Auslagen für Trainer usw. ab, alle zwei Jahre höchstens etwa 400 000 Euro. In den USA sei dies ein Jahresgehalt eines guten Programmierers. Auch ein unbekannter Fußballspieler der zweiten spanischen Liga würde dieses Geld pro Jahr verdienen.
Im Schach finde keine Entwicklung statt, so Danailov. Es fehle an PR-Arbeit, im TV würden keine Schachsendungen mehr ausgestrahlt, das Internet würde nicht optimal genutzt. Die FIDE solle professioneller werden und als Unternehmen funktionieren, andernfalls würde sich nichts ändern.
Auf die Frage, was er von den Schachevents im Iran und in Saudi-Arabien hält, bemerkte Danailov kritisch, dass jeder beliebige Europäer nicht glücklich wäre, in eine Burka gezwungen zu werden, mit dem Hinweis, dass man nur so Schach spielen dürfe, will man ein wenig Geld damit verdienen.
Die Ausrichtung der Frauen-Weltmeisterschaften sei ein chronisches Problem. Weil sich keine anderen Gastgeber finden ließe, würden diese in Ländern wie dem Iran stattfinden. Bei den Schnellschach-Meisterschaften verhielte es sich ähnlich. Abgesehen von der FIDE käme kein anderer Sportbund auf die Idee, im Iran oder in Saudi-Arabien Weltmeisterschaften veranstalten zu lassen.
Danailiov ist allerdings der Auffasung, dass der FIDE-Vermarkter Agon gute Arbeit leiste. Es sei richtig, für die Übertragungen der Schachpartien Geld zu verlangen. Schach zu vermarkten sei allerdings ein extrem hartes Geschäft – so Danailovs langjährige Erfahrung.
Danailovs Botschaft an die Schachwelt: Den Profis, insbesondere den Top 10 der Welt, legt er nahe, sich mehr um die Verbreitung des Schachs zu kümmern, anstatt nur bei Turnieren anzutreten, um Geld zu verdienen. Etwas mehr Spendenbereitschaft, Selbstlosigkeit und Engagement sei wünschenswert. Die Top Profis können es sich durchaus erlauben, etwas für das Kinderschach zu tun oder den Hobby-Schachspielern zu helfen, das Schach zu popularisieren, ohne dafür gleich eine hohe Gage zu verlangen. Die FIDE brauche einen radikalen Wechsel seiner Mitarbeiter, um einen Neubeginn als professionelles Unternehmen zu wagen.