Solingen schlägt Baden-Baden

von Marco Baldauf
25.02.2018 – Ein wahres Spitzenspiel gab es heute für Zuschauerinnen und Zuschauer in Aachen zu besuchen: Erster traf auf Zweiter, Titelverteidiger auf Meister der Saison 2016: die Begegnung zwischen Baden-Baden und Solingen hat sich mittlerweile zum Klassiker der Schachbundesliga gemausert. Zudem: wichtige Begegnungen im Abstiegskampf - sieben Teams kämpfen um drei Plätze an der Sonne.

The Dutch Stonewall - A fighting repertoire against 1.d4 The Dutch Stonewall - A fighting repertoire against 1.d4

In der Holländischen Stonewall-Variante kämpft Schwarz vom ersten Zug an um die Initiative. Gehen Sie mit GM Erwin l'Ami auf eine faszinierende Reise und lassen Sie sich von ihm die Tiefe und den Reiz dieser attraktiven Eröffnung demonstrieren!

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Alle Augen waren heute nach Aachen gerichtet. Dort sollte/könnte/würde heute die Entscheidung um den Meistertitel 2018 fallen. Naja, zumindest die Vorentscheidung. Doch klar war, dass der Ausgang der Begegnung zwischen Baden-Baden und der SG Solingen die Weichen für das letzte Drittel der Saison wegweisend stellen würde. Alle anderen Begegnungen entpuppten sich da fast zum Nebenschauplatz. Doch war es freilich nicht nur in Aachen spannend bis zum Schluss.

Spielort Deizisau

In Deizisau - beim Heimspiel des kleinen Schwestervereins der OSG Baden-Baden - entführte beispielsweise die Amateurtruppe der Schachfreunde Berlin völlig überraschend zwei Mannschaftspunkte. Gestern kamen die Hauptstädter noch relativ chancenlos gegen Schwäbisch Hall unter die Räder, heute rissen sie sich zusammen und kamen zu einem verdienten 5-3 Erfolg. Auch Reisepartner Dresden machte die gestrige Schlappe wett und fegte Schwäbisch Hall von den Brettern. Der schönste Zug des Tages gelang wohl Alexander Seyb.

 

Wie zu jedem Bundesligakampf wurde auf der Homepage der Schachfreunde Berlin Live getickert.

SF Berlin - SF Deizisau 5:3

6 Kraemer, Martin ½ : ½ Leko, Peter 2
9 Sprenger, Jan Michael, Dr. ½ : ½ Meier, Georg 4
10 Schreiner, Peter ½ : ½ Krasenkow, Michal 5
11 Baldauf, Marco ½ : ½ Heimann, Andreas 8
12 Abel, Dennes ½ : ½ Kozul, Zdenko 9
13 Seyb, Alexander 1 : 0 Graf, Alexander 10
15 Lauber, Arnd 1 : 0 Keymer, Vincent 11
16 Thiede, Lars ½ : ½ Dautov, Rustem 12

USV Dresden - SK Schwäbisch Hall 5½:2½

2 Almasi, Zoltan ½ : ½ Jakovenko, Dmitry 4
3 Nisipeanu, Liviu-Dieter 1 : 0 Laznicka, Viktor 6
5 Bartel, Mateusz ½ : ½ Gharamian, Tigran 7
8 Paehtz, Elisabeth ½ : ½ Michalik, Peter 10
9 Vogel, Roven 1 : 0 Le Roux, Jean-Pierre 11
10 Neef, Maximilian ½ : ½ Wirig, Anthony 12
11 Maiwald, Jens-Uwe 1 : 0 Zeller, Frank 15
13 Moehn, Hans ½ : ½ Zpevak, Pavel 16

Spielort Hockenheim

Standesgemäße Ergebnisse gab es in Hockenheim zu verzeichnen. Der Hamburger SK, diese Saison in ungewohnt niedrigen Gefilden der Tabelle angesiedelt gelang nach der gestrigen Niederlage heute ein kleiner Befreiungsschlag. Das 6-2 gegen den direkten Konkurrenten aus Hofheim verschafft etwas Luft im engen Tabellenkeller. Der HSK bleibt damit zwar auf einem Abstiegsplatz, das rettende Ufer ist jedoch nur noch einen Zähler entfernt (eine Tabellensituation, von der Hamburger Fußballer derzeit nur träumen können). Norderstedt gelang gestern ja der erste Saisonzähler, heute stand nur einen Brettpunkt zu Buche. Hockenheim spielt mit acht Großmeistern freilich in einer anderen Liga.

Hamburger SK - SV Hofheim 6:2

1 Duda, Jan-Krzysztof ½ : ½ Volokitin, Andrei 1
5 Miton, Kamil 1 : 0 Savchenko, Stanislav 3
6 Kempinski, Robert 1 : 0 Ginsburg, Gennadi 5
8 Ernst, Sipke 1 : 0 Perske, Thore 6
9 Kollars, Dmitrij ½ : ½ Lobzhanidze, Davit 7
11 Ftacnik, Lubomir 1 : 0 Gurevich, Vladimir 8
12 Heinemann, Thies ½ : ½ Margolin, Boris 9
14 Carlstedt, Jonathan ½ : ½ Zude, Arno 11

SK Norderstedt - SV Hockenheim ½:7½

1 Olszewski, Michal 0 : 1 Ponomariov, Ruslan 4
3 Ostrovskiy, Andrey 0 : 1 Balogh, Csaba 8
4 Kopylov, Michael 0 : 1 Wagner, Dennis 9
5 Krause, Benedict ½ : ½ Saric, Ivan 10
6 Parvanyan, Ashot 0 : 1 Buhmann, Rainer 11
8 Powierski, Emil 0 : 1 Baramidze, David 12
9 Meyer, Falko 0 : 1 Banusz, Tamas 13
10 Polischuk, Viktor 0 : 1 Braun, Arik 14

Spielort Mühlheim

Ebenso wie die Hamburger kämpft auch Mühlheim dieses Jahr gegen den Abstieg. Nur vier Punkte gelangen ihnen in den ersten acht Runden, so verwundert es nicht, dass die Devise "Vier Punkte gegen München" lautete. Mit starker Aufstellung um ihren Topspieler David Navara gelang dies mit Bravour. Das 6-2 gegen Zugzwang München am Samstag konnte man heute sogar noch toppen und holte ein 7-1 gegen Bayern München. Mühlheim klettert damit auf Rang Zehn der Tabelle. Die Abstiegsgefahr ist allerdings noch nicht vollständig gebannt.

Tief drin im Tabellenkeller hängen hingegen die beiden Teams aus München. Zugzwang München gelang heute allerdings ein beachtenswertes 4-4 gegen Werder Bremen. Mich beeindruckt es, wie das Münchner Amateurteam sich immer teuer verkauft und auch nominell sehr viel stärkeren Teams Punkte abluchst. Dem Sieg gegen Deizisau Anfang Februar folgt heute das nächste Lebenszeichen.

FC Bayern München - SV Mühlheim Nord 1:7

3 Bischoff, Klaus 0 : 1 Navara, David 1
5 Johansson, Linus 0 : 1 Tregubov, Pavel V. 2
6 Fedorovsky, Michael ½ : ½ Fridman, Daniel 3
7 Lindgren, Philip 0 : 1 Landa, Konstantin 4
8 Schneider, Stefan 0 : 1 Feygin, Michael 7
10 Schenk, Andreas ½ : ½ Zelbel, Patrick 8
12 Belezky, Alexander 0 : 1 Hausrath, Daniel 9
15 Rafiee, Makan 0 : 1 Zwirs, Nico 14

MSA Zugzwang München - SV Werder Bremen 4:4

1 Mons, Leon 1 : 0 Fressinet, Laurent 3
2 Kindermann, Stefan ½ : ½ Efimenko, Zahar 5
3 Bromberger, Stefan 0 : 1 Hracek, Zbynek 7
4 Hertneck, Gerald ½ : ½ Nyback, Tomi 8
5 Zysk, Robert 1 : 0 Spoelman, Wouter 9
7 Schramm, Christian ½ : ½ Babula, Vlastimil 10
9 Eichler, Christoph 0 : 1 Werle, Jan 11
10 Lammers, Markus ½ : ½ Markgraf, Rolf-Alexander 12

Spielort Aachen

In Aachen war es also angerichtet: OSG Baden-Baden, der souveräne Meister der vergangenen Saison traf auf SG Solingen, Meister des Jahres 2016 und Tabellenführer nach Runde Neun. Eineinhalb Brettpunkte trennte die beiden Kontrahenten vor der Begegnung. 17-1 Mannschaftspunkte wiesen beide Teams auf: Baden-Baden hatte in Runde Acht überraschend gegen Hamburg gepatzt, Solingen eine Runde zuvor gegen Werder Bremen einen Punkt abgegeben.

Baden-Baden bot alles auf, was nicht mit Vorbereitung auf das Kandidatenturnier beschäftigt war, namentlich Fabiano Caruana und Levon Aronian. Zudem fehlte Peter Svidler - vielleicht ist er mit einer Sekundantentätigkeit beschäftigt? Man kann nur spekulieren, doch so wie so stand fest, dass der Meister nominell als Favorit ins Rennen ging. Durchschnittlich 61 Elo wies Baden Baden an jedem Brett mehr auf, 2726 Elo vs 2665 Elo lautete die durschnittliche Mannschaftsstärke.

Da ich heute selbst am Brett sitzen durfte, konnte ich den Kampf leider nicht live mitverfolgen und so bekam ich zum ersten Mal gegen 13:00 Uhr was aus Aachen mit. In Deizisau fieberte man nicht nur beim eigenen Kampf gegen eben meine Berliner Mannschaft mit. Mindestens ein Auge war immer auf das Handy und die Übertragung aus Aachen gerichtet. Und die Stimmung in Deizisau war alles andere als gelassen. "Schlecht sieht es aus", hieß es von Philipp Schlosser, man machte sich Sorgen um Arkadij Naiditschs Stellung. Einige Partien waren bereits remisiert und an keinem der übrigen Bretter konnte man wirklich gute Stellungen der Baden-Badener erblicken. Arkadij stand nach einem "schiefgelaufenen Cambridge Springs" (Philipp Schlosser) hingegen mit dem Rücken zur Wand. Und Philipps düstere Prognose sollte sich später bewahrheiten. Sieben Remis und ein Sieg von Erwin L'Ami gegen Arkadij Naiditsch standen am Ende zu Buche.

 

Erwin L'Ami schaffte es in der Folge jedoch, seinen Damenflügel in Bewegung zu setzen und pflanzte etwas auf c6 ein. Hier ist es für Schwarz bereits schwierig zu verteidigen.

 

Für einen so aktiven und dynamischen Spieler wie Naiditsch war die Stellung äußerst unangenehm. Die schwierige Verteidigungsaufgabe gelang ihm nicht und L'Ami konnte mehr und mehr Fortschritte erzielen.

 

Der Mann des Tages: Erwin L'Ami

Erwin L'Ami ist nicht nur ein hervorragender Spieler sondern auch Eröffnungsexperte und Sekundant von Anish Giri. Sein Wissen teilt er auf verschiedenen DVDs mit, zuletzt veröffentlichte er zur Botwinnik Variante im Halbslawen.

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OSG Baden Baden - SG Solingen 3½-4½

3 Vachier-Lagrave, Maxime ½ : ½ Harikrishna, Pentala 2
4 Anand, Viswanathan ½ : ½ Rapport, Richard 3
6 Wojtaszek, Radoslaw ½ : ½ Ragger, Markus 4
7 Adams, Michael ½ : ½ Van Wely, Loek 5
8 Vallejo Pons, Francisco ½ : ½ Ganguly, Surya Shekhar 6
9 Bacrot, Etienne ½ : ½ Van Kampen, Robin 7
10 Naiditsch, Arkadij 0 : 1 L'Ami, Erwin 10
11 Movsesian, Sergei ½ : ½ Predojevic, Borki 11

Nachdem Philipp Schlosser sich als guter Hellseher erwiesen hat, wage ich es, seine Prognose für den weiteren Saisonverlauf hier in den Raum zu werfen: "Wenn Solingen will, dann stellen sie so auf, dass ihnen die Meisterschaft nicht mehr zu nehmen ist." Da erst zwei Drittel der Saison gespielt sind halte ich hier einfach mal dagegen. Klar ist, dass Solingen nach diesem Sieg der heißeste Anwärter auf den Titel ist. Doch bereits in zwei Wochen wartet mit Hockenheim der Vizemeister des vergangenen Jahres auf die Klingenstädter. Bei der zentralen Endrunde in Berlin müssen zudem noch die Hürden Aachen, Deizisau und Schwäbisch Hall genommen werden. Das Rennen um die Meisterschaft bleibt weiterhin spannend!

Im Parallelkampf gewann übrigens Gastgeber Aachen gegen Speyer-Schwegenheim. Am Spitzenbrett boten die Aachener Vasily Ivanchuk auf. Dessen Ausbeute blieb an diesem Wochenende mit ½/2 jedoch eher überschaubar.

Speyer Schwegenheim - DJK Aachen 2½-5½

1 Oleksiyenko, Mykhaylo 1 : 0 Ivanchuk, Vassily 1
7 Shytaj, Luca, Dr. ½ : ½ van Foreest, Jorden 4
8 Yankelevich, Lev 0 : 1 Lupulescu, Constantin 5
10 Kovacs, Gabor 0 : 1 Parligras, Mircea Emilian 6
11 Hoolt, Sarah ½ : ½ Handke, Florian, Dr. 9
13 Commercon, Simon 0 : 1 Burg, Twan 12
16 Prestel, Oliver ½ : ½ Hoffmann, Michael 14
17 Mager, Denis 0 : 1 Braun, Christian 15

 

Tabelle nach 10 Runden

1. SG Solingen 10 19 57 249½
2. OSG Baden Baden 10 17 54½ 235½
3. SV Werder Bremen 10 16 51½ 241
4. SV Hockenheim 10 14 50½ 208
5. SF Deizisau 10 12 46 209
6. SK Schwäbisch Hall 10 12 45 212
7. DJK Aachen 10 12 45 193½
8. USV Dresden 10 11 39 191
9. Schachfreunde Berlin 10 10 38½ 170
10. SV Mülheim Nord 10 8 38 183
11. SV Hofheim 10 7 33 140½
12. Speyer-Schwegenheim 10 7 31 155
13. Hamburger SK 10 6 37 152
14. FC Bayern München 10 4 29 130½
15. MSA Zugzwang 10 4 26½ 120½
16. SK Norderstedt 10 1 18½   89

Partien Runde 10

 

 

 


Marco Baldauf, Jahrgang 1990, spielt seit seinem sechsten Lebensjahr Schach. Zwei Mal wurde er Deutscher Jugendmeister, seit 2015 spielt er für die Schachfreunde Berlin in der Bundesliga. Für Chessbase schreibt er gelegentlich auf der Homepage, kommentiert live oder versucht sich als Autor von Fritztrainern.

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