Studieren Sie die Klassiker!

von Mattis Trätmar
03.03.2021 – Die großen Partien der frühen Meister sind praktisch die "Lehrbücher" für die nachfolgenden Generationen. Und unter den Klassikern waren besonders die Weltmeister mit ihren Partien herausragende Lehrmeister. Studieren Sie die Klassiker, empfiehlt Mattis Traetmer.

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Studieren Sie die Klassiker!

Wie Sie sicherlich wissen, ist es im Schach, wie auch in anderen Bereichen wichtig, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Doch warum ist dies überhaupt so?

Nun, dafür gibt es mehrere Gründe. Zunächst einmal geht es darum, zu verstehen, warum etwas vor mehreren Jahren so stattgefunden hat, unter welchen Bedingungen gespielt wurde, welche Grundsteine gelegt wurden und zu welchem Nutzen/Sinn dies geschah, wie die alten Meister dachten, anhand welcher Prinzipien sie die Stellung beurteilten und welche Auswirkungen das „Wirken“ der alten Schachschule auf die Gegenwart hat. Es gibt noch etliche weitere Gründe, warum es meiner Meinung (und nicht nur ich teile diese Meinung, sondern die Mehrzahl der Leute, die ich vom Schach bis jetzt kennen lernen durfte, ebenfalls) nach unerlässlich ist, sich mit den Klassikern zu befassen. Doch werde ich mich in diesem Artikel auf die oben genannten beschränken, da sie schon genug Input bieten.

Bevor ich weiter auf die einzelnen Aspekte zu sprechen komme, werde ich kurz erwähnen, welche Meister der Vergangenheit hier primär Erwähnung finden, mit ein paar ihrer Partien: Wilhelm Steinitz, Jose Raoul Capablanca und Mikhail Tal.

Wenn man sich mit den klassischen Partien, den alten Meistern, ihrem Werden und ihrem Einfluss auf das weitere Schachgeschehen auseinandersetzt, kann man viele Dinge für sich daraus ziehen. Jedenfalls, so denn es im richtigen Rahmen und unter entsprechenden Bedingungen geschieht.

Als ich damit anfing, Schach zu spielen, lag mein Fokus vor allem darauf, Eröffnungen zu studieren, gegen andere Schachneulinge erste praktische Erfahrungen zu sammeln und, wie könnte es anders sein, Taktikaufgaben zu lösen. Diese Bereiche sind unbestritten sehr wichtig und sollten im Weiteren immer mehr optimiert werden. Und doch geht es meiner Ansicht nach um noch vieles Weiteres, das sehr wichtig für die eigene schachliche Ausbildung ist. In diesem Zusammenhang kommt das Studium der Klassiker zum Tragen. Es dauerte eine ganze Weile, bis ich zu verstehen begann, dass es zu einem guten Schachspieler auch gehört, sich mit den Partien und Spielern vergangener Tage zu beschäftigen, deren Partien zu studieren, interessante Ansätze / Prinzipien, Grundsätze, Faustregeln usw. zu verstehen und nachvollziehen zu können, warum es zur damaligen Zeit so gespielt wurde und heute entweder ebenso noch Beachtung findet oder eben nicht etc.

Ich wäre wohl nicht so davon mitgenommen und beeindruckt worden, wenn mich nicht mein damaliger Kadertrainier FM Wolfgang Pajeken immer wieder dazu ermutigt hätte, sich zu Hause mit einem Buch der Klassiker und einem Brett hinzusetzen und sich seine Gedanken dazu machen zu lassen. Dem gebührt ein großer Dank!

Nach und nach begann ich also zu verstehen, warum es so wichtig ist und darüber hinaus machte es mir auch richtig Spaß, mich geistiger Produktivität ausgesetzt zu sehen.

Es mag jetzt der eine oder andere einwenden, dass früher alles komplett anders war und heute wenig Aussagekraft geschweige denn Relevanz besitzt. Diese Annahme ist jedoch grundlegend falsch. Ich würde sagen, dass das Meiste früher einfach schlichter und unter weniger innovativem und entwicklungstechnischem Fortschritt gehalten wurde, als jetzt der Fall. Das ist aber per se ganz normal, der Lauf der Dinge, der Evolution und außerdem alles andere als schlecht. Ich werde das jetzt nicht weiter ausführen, gehe ich fest davon aus, dass jeder weiß, worauf ich hauptsächlich anspiele (Engines, KI, Alpha Zero, Stockfish …)

Wolgang Pajeken pflegte stets zu sagen, dass ein gewisses Maß an „Schachkultur“ nicht fehlen dürfe, wollte man besser im Schach werden. Ich würde sogar sagen, dass das aneignen einer elementaren „Schachkultur“ auch unterstreicht, in welcher goldenen Ära wir heute leben. Mit den verschiedensten Möglichkeiten, sich zu verbessern. Es geht also, um es mal ein bisschen zu abstrahieren, um „Wertschätzung“ unserer Zeit und der Gegenüberstellung der damaligen Zeit. Das ist schon sehr gravierend und selbstredend äußerst faszinierend, was sich in ein paar hundert Jahren Schach entwickelt hat!

Die Weltmeister der Schachgeschichte bis heute:

Wilhelm Steinitz (Erwähnung in diesem Artikel)
Emmanuel Lasker
Jose Raoul Capablanca (Erwähnung in diesem Artikel)
Alexander Aljechin
Max Euwe
Mikhail Botwinnik
Vassily Smyslov
Mikhail Tal (Erwähnung in diesem Artikel)
Tigran Petrosjan
Boris Spasski
Robert James Fischer (Bobby Fischer)
Anatoly Karpov
Garri Kasparov
Wladimir Kramnik
Viswanathan Anand (Vishy Anand)
Magnus Carlsen (amtierender Weltmeister)

Endspiele der Weltmeister Band 2 - Von Steinitz bis Spassky

Geniessen Sie Capablancas feine Technik, Tals Magie, Laskers Kampfgeist, Petrosians Verteidigungskunst, Smyslovs Gefühl für Harmonie sowie Aljechins und Spasskys Angriffskunst.

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Wilhelm Steinitz

Den Grundstein des positionellen Schachs und generell aus der Riege der Schachweltmeister legte der österreichisch-amerikanische Wilhelm Steinitz im Jahre 1886 indem er seine Grundsätze und Prinzipien formulierte. Diese fanden kurze Zeit später Anklang bei den damaligen Schachspielern, gelten heute jedoch größtenteils als überholt.

Eine seiner wohl berühmtesten Partien ist hier zu sehen:

„Die phänomenale Kombination“: Steinitz-Von Bardeleben, Hastings 1895

Diagramm 1) Stellung nach 16.d5!

Diagramm 2) Stellung nach dem phänomenalen 22.Txe7+!!

Diagramm 3) Stellung nach dem finalen 25.Txh7+!

 

Master Class Band 4: José Raúl Capablanca

Er war ein Wunderkind und um ihn ranken sich Legenden. In seinen besten Zeiten galt er gar als unbezwingbar und manche betrachten ihn als das größte Schachtalent aller Zeiten: Jose Raul Capablanca, geb. 1888 in Havanna.

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Jose Raoul Capablanca

Der Kubaner Jose Raoul Capablanca war der 3. Schachweltmeister der Geschichte und bekannt für sein positionelles Verständnis und seine stringente Logik. Insbesondere im Endspiel war er ein wahrer Virtuose. Au seinen Partien konnte ich sehr vieles lernen und ich bin noch heute beeindruckt davon, wie konsistent und in sich schlüssig seine Spielweise war.

Hier nun eine Partie von ihm, die ich sehr instruktiv finde.

„Der eingesperrte Läufer“; Winter-Capablanca, Hastings 1919

Partie 2

Diagramm 4) Stellung nach 15…f6

Diagramm 5) Stellung nach dem Sprengzug 23…c4!

Diagramm 6) Stellung nach dem Schlusszug 29…Txd4 -+

Man beachte, dass der Lg3 so ziemlich die gesamte Partie dort verweilen musste und er einfach nicht mitreden konnte! Schwarz gewinnt nun sehr leicht, indem er seinen a-Bauern in die Waagschale wirft, die weißen Türme bindet und so seinen entscheidenden Vorteil in den vollen Punkt umwandelt. Weiß hingegen kann dem nur tatenlos zusehen, da sein Läufer so unfassbar schlecht ist! (Schwarz spielte im Grunde die meiste Zeit mit einer Figur mehr!)

 

Mikhail Tal

Jetzt komme ich auf jenes Genie zu sprechen (und zudem mein absoluter Lieblingsspieler), das mich wohl am meisten geprägt und geformt hat, nämlich den Letten Mikhail Tal. Er wird zu Recht als „Zauberer von Riga“ bezeichnet. Seine Partieanlage wich vollkommen von der seiner Vorgänger ab. Ich würde seinen Spielstil als chaotisch, zu mutigen Opfern bereit und wo es nur ging nach Komplikationen trachtend zusammenfassen. Aus heutiger Sicht waren viele seiner größtenteils genial hochgepriesenen Opfer objektiv falsch oder zumindest fragwürdig. Doch damals brachte es völlig neuen Wind in das sonst sehr solide behandelte Spiel und noch heute sind viele Leute Anhänger von Mikhail Tal. Ich könnte hunderte seiner Partien hier anbringen, da ich alle sehr eindrücklich und großartig finde, egal, was heutige Engines davon halten; Man sollte schließlich nie die Rolle von psychologischen Elementen (wie den Gegner unter Druck setzen, Angreifen, überraschende Züge zu spielen etc.) unterschätzen, egal, welchen Bereich man untersucht.

Master Class Band 2: Mihail Tal

Dorian Rogozenco, Mihail Marin, Oliver Reeh und Karsten Müller stellen den 8. Schachweltmeister und seine Eröffnungen, sein Verständnis der Schachstrategie, seine Endspielkunst und nicht zuletzt seine unsterblichen Kombinationen in Videolektionen vor.

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„Das Momentum der Entwicklung“: Tal-Suetin, Tiflis 1969

Diagramm 7) Stellung nach 13.bxc3

Diagramm 8) Stellung nach 17.f5! (Vergleich: Entwicklung Weiß – Entwicklung Schwarz!)

Diagramm 9) Stellung nach der kurzen Schlusssequenz 21.exf7+; Der Schwarze wurde in der Mitte zur Strecke gebracht!

 

Ich hoffe, Euch mit dem Artikel und den darin gezeigten Partien gute Beispiele an die Hand gegeben zu haben, um die Relevanz des Studiums der Klassiker zu unterstreichen!

Ich freue mich auf Feedback!

 


Mattis Traetmar ist 22 Jahre alt und von Beruf biologisch-technischer Assistent. Neben dem Schach und dem Schreiben von Artikeln über diverse schachliche Themen interessiert er sich für Naturwissenschaften. Er freut sich über Feedback zu seinen Artikeln, positives wie konstruktiv negatives!

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