Vlastimil Hort: "Woran ich mich erinnern kann..."

von Vlastimil Hort
27.04.2020 – Bobby Fischer war der überlegene Sieger beim Turnier in Rovinj/Zagreb 1970. Vlastimil Hort belegte einen geteilten zweiten Platz, aber "...eigentlich waren wir nur Statisten", erinnert sich der Hüter der Schachgeschichten.

ChessBase 18 - Megapaket ChessBase 18 - Megapaket

Das Wissen, das Du jetzt brauchst!
Die neue Version 18 bietet völlig neue Möglichkeiten für Schachtraining und Analyse: Stilanalyse von Spielern, Suche nach strategischen Themen, Zugriff auf 6 Mrd. LiChess-Partien, Download von chess.com mit eingebauter API, Spielervorbereitung durch Abgleich mit LiChess-Partien, eingebaute Cloud-Engine u.v.m..

Mehr...

Vlastimil Hort erinnert sich …

2. Peace Tournament in Rovinj/Zagreb 1970

Die Organisatoren aus Jugoslawien haben mich nie vergessen und mich zu diesem spektakulären Turnier eingeladen. Es war ein superstarker Event, dieses zweite Friedensturnier. Die ersten zwei Drittel  wurden auf der wunderschönen Insel Sveta Katarina genau gegenüber der Altstadt von Rovinj ausgetragen, die nächsten 6 Runden in Zagreb. 

Wie immer in Jugoslawien gab es auch diesmal gute Preisgelder. Besonders erfreulich auch für uns, dass die Dinars konvertibel waren. Blaues Meer, strahlende Sonne waren wunderbare Zugaben.

Robert Fischer sowie einige starke Russen waren dabei. Außerdem der Serbe Gligoric, Uhlmann aus der DDR und eine starke kroatische Schachtruppe. Walter Browne aus den USA, gebürtiger Australier, war der junge „Rising Star“ im Turnier.

Woran ich mich erinnern kann…

Fischer war wieder Mal in „top form“, gewann fast alle Partien, bis auf die gegen Vlado Kovacevic. Wir anderen waren zur Statistenrolle verdammt. Ich weiß nicht, welcher Teufel mich ritt, dass Remis-Angebot meines Idols abzulehnen.

Robert war sehr nett zu mir. Oft lud er mich in seine Hotelsuite ein, um mit mir über die Runden zu sprechen. Er war auch in Zagreb bevorzugter Gast der Organisatoren. Alle seine Extra-Wünsche wurden ihm gerne erfüllt.

Wer lebt noch von den damaligen Turnierteilnehmern außer mir?

Wolfgang Uhlmann, der gerade seinen 85sten Geburtstag gefeiert hat, Kovacevic, der Fischer in diesem Turnier als Einziger besiegt hat sowie Bruno Parma und Dragen Marovic. Die Zeit vergeht einfach viel zu schnell und bevor die Erinnerungen ganz verblassen, tauche ich immer wieder gerne ein in all meine Schach-Erlebnisse.

Nach dem Turnier bekamen Fischer und ich eine Einladung der besonderen Art. Wir sollten einige Tage auf einem Schiff verbringen, das uns auf der blauen jugoslawischen See zu noch unbekannten Orten schippern sollte. Mit an Bord, natürlich wegen Fischer, einige attraktive Hostessen. Sie umschwirrten ihn wie die Hornissen, doch er schenkte ihnen keinerlei Aufmerksamkeit. Nur wenn sie ihm seine geliebte kalte Milch oder die unzähligen Steaks servierten, die er hastig herunterschlang, sah er kurz vom Schachbrett auf und nickte mit dem Kopf. Sein Interesse galt seinem Chess-Pocketset. Falls er mal nicht analysierte, was selten vorkam, sprang er kopfüber von der Reling ins Meer. Damals war er noch vollkommen durchtrainiert and handsome! Wenn ich ihn heute noch so vor mir sehe, kommt mir unweigerlich der Vergleich zu Johnny Weißmüllers Tarzan in den Sinn.

Bobby Fischer schwamm gerne

Nach der Abkühlung trocknete er sich schnellstens ab, um sogleich wieder zum Chess-Set zurückzukehren oder sich irgendeinem Schachjournal zu widmen. Geredet wurde nicht viel! Für mich ein Erlebnis, mein Idol so privat von der Nähe zu erleben. Ich hatte großes Glück dabei sein zu können.

Woran ich mich noch erinnern kann…

In meiner Partie gegen Petrosjan hatte ich mit Schwarz ein abgebrochenes Turmendspiel. Ich stand schlecht.

Die Rettung kam von Dimitry Bjelica. Der bekannte Schach-Journalist, der uns das ganze Turnier über begleitete, hatte für den darauffolgenden Vormittag ein Simultan mit Petrosjan organisiert. Das liebe Geld lockte ihn. Seine Gegner spielten ihn wohl ziemlich müde, denn am Nachmittag war er so fertig, dass er die gewonnene Stellung geben mich verpatzte.

 

„Vlasty, how did you save it?“ Fischer hatte großes Interesse an der Partie und ich musste sie ihm Zug um Zug zeigen. Auf jeden Fall hat Petrosjan sich sehr geärgert. Das Remis kostete ihn viel mehr als das Honorar für sein Simultan. Gier ist eben ein schlechter Ratgeber.

Über Vlastimil Hort:

Vlastimil Hort, geboren 1944 in Kladno, Tschechoslowakei, emigrierte später nach Deutschland. Mit 16 Jahren feierte er sein Debüt als Nationalspieler bei der Schacholympiade 1960 und gehörte danach über 20 Jahre lang zur absoluten Weltspitze. Er hat viele andere große Schachspieler, darunter zahlreiche Weltmeister, kennengelernt und gegen sie gespielt. In seinen Erzählungen wird die Erinnerung an die großen Spieler vergangener Zeiten wieder lebendig.

Kürzlich veröffentlichte er eine Sammlung seiner Geschichten und arbeitet derzeit an einem weiteren Band.

Vlastimil Hort „Meine Schachgeschichten“. 2019, Seite 82 ff. (Schach-Niggemann)

 


Ehemaliger Weltklasse-Spieler, WM-Kandidat, vielfacher Autor und bekannter TV Schachmoderator.

Diskutieren

Regeln für Leserkommentare

 
 

Noch kein Benutzer? Registrieren