ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
Wie steht die Erwartung, wenn eine Schachspielerin mit einer ELO-Zahl von 2387 gegen eine Gegnerin mit einer ELO Zahl von 1728 antritt? Antwort: Die Gewinnerwartung für die Favoritin liegt bei 0,99.
Und was haben diese Zahlen mit der Frauenbundesliga 2016/17 zu tun? Antwort: Dies waren die Durchschnittsratings der Kader der Saison 2015/16 der Mannschaften OSG Baden-Baden und TuRa Harksheide. Die erstgenannte Mannschaft spielte in der 1. Frauenbundesliga und holte die Meisterschaft, TuRa gewann die 2. Frauenbundesliga-Ost.
Die Stammspielerinnen von TuRa Harksheide (v.l.n.r): Inken Köhler, Carina Brandt, Nathalie Wächter, Luise Diederichs, Annika Polert und Emily Rosmait
Das bedeutet, dass diese beiden Kader in der Saison 2016/17 gegeneinander antreten werden; wahrscheinlich nicht in exakt dieser Form, wohl aber in einer ähnlichen, denn TuRa verzichtet mit vollster Überzeugung auf den Einkauf von Spielerinnen aus dem Ausland.
„Aber dann steigt ihr doch direkt wieder ab!“
So was musste sich das „Mädchen für Alles“ bei TuRa, Eberhard Schabel, sicherlich häufiger anhören, aber die Mannschaft wird sich dennoch das Ziel gesetzt haben, auch angesichts dieser starken Konkurrenz nicht direkt wieder abzusteigen. Doch die interessanteste Frage ist, wie es eine solch junge Mannschaft geschafft hat, in die wahrscheinlich stärkste Frauenliga der Welt zu gelangen.
„Unser Dabeisein ist das Ergebnis eines langjährigen Mädchenschachkonzeptes, welches 2003 seinen Anfang nahm. Dieses führte dann dazu, dass unsere Mädchen unbekümmert und ohne Druck die 2. Liga- Ost gewinnen konnten. Von Beginn an haben wir unser Mädchenteam kontinuierlich verbessern können, gewannen die Mädchen an Spielstärke dazu und waren dazu noch stets das absolut jüngste Team der verschiedenen Frauenligen.“
Diese Aussage von Herrn Schabel lässt erkennen, dass TuRa einem ganz klaren Konzept folgt: Man nehme Engagement, Geduld, Zeit, Talent und vor allem Spaß am Sport, warte ein paar Jahre und schon - das ging aber schnell - landet die „Mädchenschachtruppe“ in der 1. Bundesliga. Selbstverständlich ist es nicht so einfach, wie es sich anhört, aber anscheinend ist TuRa einer von wenigen bzw. der einzige Verein, der es über mehrere Jahre geschafft hat, aus Mädchen, die von pinken Schachfiguren begeistert sind, Frauenbundesligaspielerinnen zu machen.
Warum klappt dieses Konzept bei TuRa, warum bei anderen Vereinen nicht?
Warum wird Geld in ausländische Spielerinnen investiert, anstatt in die Eigengewächse?
Manch einer wird als Argument anführen, dass sich durch den Kauf von Spielerinnen das Niveau in der Liga anhebt. Nun, das stimmt. Der Erfolg ist sicherlich ein weiteres Argument dafür, sich die stärksten Spielerinnen zu kaufen, aber es wäre doch auch schön, wenn man diese Erfolge mit den eigenen Spielerinnen feiern könnte, welchen, die man seit dem Kindergarten / der Grundschule kennt. Selbstverständlich kommen diese Talente nicht von selbst angeflogen, sondern man muss sehr viel Zeit und Energie in ihre Ausbildung investieren. Doch es lohnt sich.
Natürlich gibt es viele Baustellen, die Vereine zu bewältigen haben. Sei es die Nachwuchsarbeit, die finanziellen Mittel, der fehlende Zusammenhalt in einer Mannschaft, die Trainingsarbeit oder der Auftritt im Internet. Doch man kann etwas dagegen tun. Engagement und Euphorie für die Sache. Jeder kann etwas tun, und sei es eine noch so kleine Aufgabe, die man erledigt. Wenn sich viele Leute engagieren, dann kann ein Verein größer werden und auch Erfolge erzielen. Man denke wieder an TuRa. Vor 20 Jahren gegründet, hat es Herr Schabel mit einem kleinen Team geschafft, diesen und noch weitere Erfolge zu erzielen.
Selbstverständlich lief nicht alles reibungslos. Es gab Auf-, aber auch Abstiege. Glück spielte auch eine Rolle z.B, dass man Freiplätze bekommen hat, um in den Ligen zu bleiben. Es gibt auch immer noch Herausforderungen, die bewältigt werden müssen, zum Beispiel überschneiden sich die Bundesligatermine mit der Schule bzw. mit der Uni.
Doch all das gehört auch dazu und am Ende überwiegt die Freude über die errungenen Erfolge.
Hier noch eine Kostprobe vom „Mädchenschach“:
Ein Teil des FBL-Teams beim Sieg der U20w DVM (v.l.n.r): Jasmin Zimmermann, Annika Polert, Trainer Wolfgang Krüger, Luise Diederichs und Emily Rosmait
Ein Teil der Frauenmannschaft beim Einsatz in der 2. Frauenbundesliga. 1.Reihe hinten Nathalie Wächter und Luise Diederichs(v.l)
Beim Blick auf die angemeldeten Mannschaften für die 1. Frauenbundesliga sprang mir direkt ein Neuling ins Gesicht: TuRa Harksheide. Wie kommt es, dass TuRa ein Team in der stärksten Frauenliga der Welt stellen kann?
Unser Dabeisein ist das Ergebnis eines langjährigen Mädchenschachkonzeptes, welches 2003 seinen Anfang nahm. Dieses führte dann dazu, dass unsere Mädchen unbekümmert und ohne Druck die 2. Liga- Ost gewinnen konnten. Von Beginn an haben wir unser Mädchenteam kontinuierlich verbessern können, gewannen die Mädchen an Spielstärke dazu und waren dazu noch stets das absolut jüngste Team der verschiedenen Frauenligen. Bei unserem Projekt war es dabei wichtig, dass wir unser Team aus unserem Mädchenschachbereich heraus geformt haben. Soweit ich weiß, ist dies einmalig in Deutschlands Frauenschach und auch über den Grenzen hinaus wurde dies positiv wahrgenommen. So gab es nach unserem Aufstieg mehrere Anfragen junger Spielerinnen (14-16 Jahre) aus anderen Ländern, denen wir jedoch für 2016/17 absagen mussten.
Häufig hört man, dass Vereine darauf verzichten in den 1. Ligen zu spielen, da sie finanziell nicht dazu in der Lage sind. Wie sieht es bei TuRa aus?
Leider ist es auch im deutschen Frauenschach so, dass das Aufkommen finanzieller Mittel über die Spielstärke des Teams und letztendlich über die Endplatzierung entscheidet. Zumeist sind es Einzelpersonen, die sich einbringen, und erlahmt das Interesse am Engagement, bedeutet dies nicht selten auch das Aus des Frauenteams in der 1. Liga.
Unsere Schachgruppe ist in einen großen Verein eingebettet und ein Plus dieser Konstellation ist der „Solidargedanke“ der derzeit 35 Sportabteilungen mit ihren ca. 4200 Mitgliedern des TuRa Harksheide in Norderstedt. Dies führte u. a. auch dazu, dass ein sportlicher Erfolg, was ja zum Beispiel der Aufstieg in die erste Frauenbundesliga ohne Zweifel ist, sehr stark gefördert und unterstützt wird. Somit gab und gibt es kein finanzielles Problem bei TuRa-Schach.
Was gibt es für Herausforderungen für den Haupt- und Schachverein, für die Betreuer und vor allem für die Mädchen selbst? Wo liegen die Stärken, wo die Probleme?
Natürlich ist unser Start in der FBL eine große Herausforderung für unsere Spielerinnen und für TuRa Schach. Eine Stärke ist hier, dass unser Team und wir Trainer/Betreuer die Saison zusammen planen und organisieren. Der Stamm kennt sich schon seit Jahren und hat insbesondere im Jugendbereich schon viele Wettkämpfe erfolgreich gestalten können. Ein Problem werden die beiden sehr weiten Auswärtstermine sein, wo es u. a. gilt mit den Schulen eine Freistellung zu organisieren, um bereits Freitag anreisen zu können. Gerade die Terminstauung Anfang 2017 wird es auch für unsere Studentinnen nicht einfach machen, die Termine mit einzubinden. Allerdings haben wir einen Kader von 14 Mädchen, und so werden wir immer mit einem Team spielen können.
Wie sieht es mit dem Nachwuchs aus? Wird versucht, alle Mädchen in Richtung Bundesliga zu bringen, wie es bereits geschehen ist? Und was ist mit den Jungs?
Die Gesamtsituation bei TuRa SCHACH stellt sich aktuell sehr gut dar. Neben dem Aufstieg in die 1. FBL gelang es unserer ersten Jugend ebenfalls, die Jugend-Bundesliga zu erreichen. Wir haben gut funktionierende Trainingsgruppen, verteilt auf die ganze Woche und zusätzlich via Skype. Dennoch wird es nicht so einfach werden, stets neue Spielerinnen aus den eigenen Reihen für die 1. oder 2. Frauen- Bundesliga fit zu machen. Insbesondere im Mädchenschach ist es ein langer Prozess. Es kann also gut sein, dass in einiger Zeit wieder ein kleiner „Einbruch“ folgen könnte, bevor wir wieder ein Team haben welches in der Frauenbundesliga spielen kann.
In den letzten Jahren haben wir weniger zwischen Jungs und Mädchen beim Schach unterschieden, da der Anteil von Jungs und Mädchen fast halbe-halbe ist. So trainieren alle nach Leistungsstand zusammen, spielen zusammen in den Teams der Jugend und im Erwachsenenbereich. Allerdings ist es derzeit in Deutschland noch so, dass es für Mädchen und Frauen etwas leichter ist, in die oberen (Frauen-) Ligen zu kommen. Dies mag dann auch in der Wahrnehmung unseres Vereins ein Grund dafür sein, dass man TuRa Harksheide eher mit Mädchenschach verbindet.
Und wer sind die Trainer? Welche Trainingsarbeit leisten sie?
Neben unserem IM Alexander Bodnar arbeiten wir mit mehreren Trainern unseres Bundeslandes zusammen. So mit den Kadertrainern Wolfgang Krüger (Möllner SV) und Thomas Tannheiser (Lübecker SV). Hinzu kommen die Trainer der Mädchen, die bei uns als Gastspielerinnen aufgestellt sind. Die Trainingsarbeit wird ähnlich sein wie in anderen Vereinen auch, so dass wir hier nichts neu erfunden haben.
Bei den Frauen Bundesliga, bei den Herren „nur“ Verbandsliga. Was sind die Ziele für die Jungs, für die Erwachsenen? Glaubst du, dass man in weiteren 20 Jahren auch dort die Spitze erklimmen kann?
In 20 Jahren wird es wohl für mich nur eine sichere Sache geben, und das wäre dann mein 76. Geburtstag.
Ich glaube ja, dass wir in der vergangenen Zeit gut damit zurechtgekommen sind, dass wir uns nicht irgendwelche Ziele gestellt haben, sondern einfach nur Schach gespielt und gelernt haben. Das entspannte Klima innerhalb unserer Schachgruppe führte bisher dazu, dass wir uns ganz gut entwickelt haben. Der aktuelle Stand unserer Ligateams ist überraschend gut und natürlich werden wir es nicht ablehnen, wenn wir demnächst weitere Aufstiege feiern können. Allerdings wissen wir auch, dass es auch Abstiege geben kann. Das gehört zu unserem Werdegang dazu.
Du bist sozusagen das „Mädchen für alles“ im Verein, auch die Website hältst du meistens täglich aktuell. Täten ein paar „helfende Hände“ nicht gut?
Vorab möchte ich schreiben, dass ich mich total dafür begeistern kann, für TuRa SCHACH Zeit und Energie aufzuwenden. So habe ich unsere Entwicklung nicht nur gesehen, sondern auch entscheidend mitgeprägt. Das ist für mich ein wirklich sehr schönes Gefühl.
Dennoch ist es auch richtig, dass die Aufgaben nicht weniger, sondern mit dem sportlichen Erfolg mehr geworden sind. Bisher ist es mir gelungen Dinge zu delegieren, Jugendliche und Erwachsene mit in die Orga einzubinden und so Aufgaben abzugeben. In der Zukunft würde ich dies gern weiter ausbauen wollen. Allerdings ist unsere Mitgliederstruktur so, dass wir sehr wenige Erwachsene über 30 Jahre haben und unsere Jugendlichen noch sehr mit ihrem Schulalltag zu kämpfen haben. Es bleibt also auch bei TuRa SCHACH ein Thema „helfende Hände“ zu binden, was uns jedoch sicher gelingen wird.
Und zum Abschluss: Welchen Platz werden die Mädels in dieser Saison erreichen?
Getreu unserem Slogan „Alles kann Mädchenschach“, sehe ich unsere Mädels auch 2017/18 in der 1. Frauenbundesliga. Als Neuling geht es also für uns um den Ligaerhalt und mit uns werden dies noch weitere 4-5 Teams anstreben. Entschieden wird dies beim großen Schachevent in Berlin, wo beide Bundesligen ihre Abschlussrunden spielen und worauf sich unsere Spielerinnen schon heute freuen.
Vielen Dank für die Antworten und viel Erfolg weiterhin mit dem Verein!
Das „Mädchen für Alles“, Eberhard Schabel