Wer war Graf Isoard?

von Martin Weteschnik
10.01.2014 – Auch durch schlechtes Schach kann man sich unsterblich machen - wenn der Gegner berühmt ist und ihm etwas Hübsches gelingt. So geschah es dem Grafen Isoard, der dem Herzog von Braunschweig in dessen Partie gegen Paul Morphy zur Seite stand. Aber gab es den Grafen überhaupt? Bei der Recherche für sein jüngstes Buch machte Martin Weteschnik eine sensationelle Entdeckung. Mehr...

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Während der Recherche zu meinem Thriller »7 Stunden« stieß ich auf den Grafen Isoard, von dem nicht einmal der Vorname überliefert ist, obgleich er zu seiner Zeit doch eine gewisse ›Berühmtheit‹ erlangte. Damals bereits ging die uns bekannte Schachpartie via Zeitungen und Schachzeitschriften um die Welt, als nämlich Graf Isoard gemeinsam mit dem Herzog von Braunschweig (Karl II, auch »Diamantenherzog« genannt) gegen den Amerikaner Paul Morphy an der bis heute berühmtesten und meist publizierten Partie der Schachgeschichte mitwirkte. Neuerdings ist gar ein Video aufgetaucht, in dem der ehemalige Weltmeister Bobby Fischer eben diese Partie kommentiert.

Gleich eingangs ist auf die eigentliche Schreibweise des Nachnamens des Grafen hinzuweisen. Kursieren unterschiedliche Schreibweisen (insbesondere ›Isouard‹), so ist ›Isoard‹ die korrekte. Die französische Schreibweise findet sich auch bei Wikipedia (Schreibart dort einheitlich in allen Sprachen: ›Isoard‹), Joachim-Jean-Xavier d’Isoard betreffend, dem wohl bekanntesten Familienmitglied, Kardinal und Bischof zu Napoleons Zeiten, einem Onkel ›unseres‹ Grafen. Aber selbst Wikipedia schafft es nicht ganz, den Namen des Grafen überall richtig zu schreiben, denn unter dem Suchbegriff Karl II., Herzog von Braunschweig, Isoards Freund, findet sich beim Verweis auf Letzteren plötzlich wieder ein Graf Isouard mit zusätzlichem ›u‹ geschrieben. Verzeihlich. Lustig wird es dann schon, wenn man in einer Datenbank für Schachpartien zwar oben genannte legendäre Partie findet, mit einem ›Carl Isouard‹, weil der nicht nur im Nachnamen falsch geschrieben, sondern obendrein mit dem Vornamen des Freundes, Karl II., versehen wurde.

Vollständig lautet der Name der Familie ›dʼIsoard-Vauvenargue‹, was darauf zurückzuführen ist, dass die dʼIsoards im 18. Jh. die Besitztümer der Vauvenargues in der Region Provence-Alpes-Côte d’Azur (ungefähr 15 km westlich der Stadt Aix-en-Provence gelegen) erwarben und als ihren Stammsitz auserkoren hatten. Die Familie der dʼIsoard-Vauvenargues ist mittlerweile ausgestorben. Interessanterweise gelangte deren Schloss 1958 in Picassos Besitz und wurde zu dessen Alterssitz. Der große Künstler liegt hier auch begraben.

Meine postalische Recherche führte durch französische Behörden, über das Bürgermeisteramt, die Kirche, städtische und staatliche Archive und – dank hilfreicher Mitarbeiter überall – letztlich auch zum Erfolg.

Vor Kurzem erst hat man die Hinterlassenschaft der Familie archiviert, und ich bekam vom Archives Départementales Bouches du Rhone (Centre d'Aix-en-Provence) eine hübsch erstellte Dokumentation zugeschickt (mein Dank nochmals an dieser Stelle, auch für die Genehmigung, den für diesen Artikel bedeutsamen Brief auf meiner Homepage posten zu dürfen; Verweis:103 J Archives de la famille d’Isoard-Vauvenargues).

Ein Blick auf den Stammbaum der Familie dʼIsoard-Vauvenargue (hier ein Auszug) grenzt die Suche bereits auf zwei Kandidaten ein:







Da alle anderen Familienmitglieder zur Zeit der Schachpartie (1858) entweder zu jung oder bereits gestorben waren, blieben nur noch Marc Léon Bruno Joseph Gustave oder sein Neffe Jean Gonzague Léon Edward übrig.

Wenn wir bereits den Verdacht hegen könnten, der Ältere möge der Passendere sein, lässt sich das natürlich nicht anhand des Stammbaums klären. Hier hilft ein weiterer Blick in das Archiv. Erstaunlicherweise fördert ein solcher noch immer vorhandene Korrespondenz aus der fraglichen Zeit zutage. Und nicht nur das!

In den Unterlagen des Archives fanden sich aufgelistet fünf Briefe aus der Korrespondenz zwischen Marc Léon Bruno Joseph Gustave und dem Herzog von Braunschweig. Das genügt, diesen Grafen mit dem Herzog von Braunschweig und der Schachpartie gegen Paul Morphy in Verbindung zu bringen. Diesen Schriftstücken kann man entnehmen, wie der Graf und der Herzog gegeneinander Schach zu spielen pflegten.

Nur diese fünf Briefe sind aus jener Jahrzehnte währenden Freundschaft übrig geblieben. Die beiden Freunde mögen hunderte solcher kleinen Schreiben verfasst haben. Eines davon (datiert vom 26. Oktober 1867) von Karl II. an seinen Freund, den Grafen dʼIsoard, lautet:




Lieber Graf,

Ich habe jeden Tag jemanden geschickt, um Nachrichten von Ihnen zu erfahren, und es tut mir sehr leid, zu wissen, dass Sie noch leidend sind.

Für den Fall, dass Sie wieder auf den Beinen sind, teile ich Ihnen mit, dass Paul Morphy heute Abend in die Loge in der Oper kommen soll, und ich schicke Ihnen eine Karte. Aber kommen Sie bitte nicht, wenn Sie nicht richtig erholt sind; Sie könnten sich erkälten und rückfällig werden.

 

 

Abbildungen des Briefes...


Wie aus dem Nichts taucht der Name Paul Morphy auf! In einem der fünf verbliebenen Briefe. Das nennt man wohl Rechercheglück!

Der aufmerksame Leser wie der Schachhistoriker werden gleich erkannt haben, dass es sich bei besagtem Treffen um Morphys zweiten Europaaufenthalt handelt – also nicht um die Einladung zu jenem denkwürdigen Abend, an dem jene einzigartige Partei gespielt wurde. Dennoch beweist der Brief, um welchen Grafen es sich handelt; der Brief erscheint umso bemerkenswerter, da er mit Sicherheit nicht der Erwähnung Paul Morphys wegen, sondern aus purem Zufall aufgehoben wurde – ein ungewöhnlicher Fund!

Die Partie

 

 

 

Zum Grafen noch ein paar Eckdaten, die sich aus der Benennung des archivierten Materials herauslesen lassen. Geboren am 6. Oktober 1804, Reifeprüfung 1822, Dank und Auszeichnung vom Papst als Offizier für Dienste während des Konklaves 1829 (das der Wahl Pius VIII vorausging). Anscheinend besaß dʼIsoard höhere Offizierspatente. In den Archiven befinden sich zudem vom Grafen selbst verfasste Gedichte. Nun ja ...

Am 16.Dezember 1883 wurde sein Tod bekannt gegeben.

Übrigens kann man in dem Thriller »7 Stunden« auch erfahren, worüber das legendäre Schachgenie Paul Morphy letztlich verrückt geworden ist. Und das – ich schwör’s – ist genauso wahr wie der Plot dieses spannenden Thrillers.

 

Fischer führt Morphys Partie vor...

 

 

7 Stunden
Thriller von Martin Weteschnik,

Angsterfüllt sitzt ein junger Mann im Halbdunkel einer Blockhütte und schreibt. Sein Stift hastet über das Papier. Zuvor musste er auf dramatische Weise erfahren: In nur sieben Stunden kann sich die ganze Welt verändern.

Den Leser erwartet mit dem vorliegenden Buch ein packender Thriller vor historischem Hintergrund. Die "Tschirnhauslegende" prophezeit die Apokalypse für den Fall, dass die durch den Dresdner Universalgelehrten Ehrenfried Walther von Tschirnhaus einst getrennten Hälften eines rätselhaften Papiers wieder zusammenfinden. Die beiden mit einem Zahlencode versehenen Fragmente sind der Schlüssel zur Öffnung eines kunstvollen Silberbergs, geschaffen durch den Hofjuwelier August des Starken, Johann Melchior Dinglinger. In diesem verschollenen Kabinettstück soll etwas verborgen sein, das unser aller Schicksal bestimmen kann.

Fluch oder Segen?

Was, wenn jemand jene geheimnisvolle Macht für seine Zwecke missbrauchte? Ist dann die Welt noch zu retten oder sind die geschriebenen Worte des jungen Mannes in der Blockhütte seine letzten – und womöglich die letzten der Menschheit?
 

Sieben Stunden bei Dresdner Buchverlag...

Zu Martin Weteschnik...

 

 


international renommierter Schachbuchautor und Taktik-Experte, hat sich nun ganz der Belletristik zugewandt

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