Wie gemalt

von Alina L'Ami
17.10.2014 – Die meiste Freude auf der Isle of Man hatte natürlich Nigel Short, auch wenn er seinen schachlichen Erfolg dort damit begründet, dass "er nicht abgelenkt war." Aber auch die anderen Teilnehmer - Gewinner oder nicht - erlebten unbeschwerte Tage auf einer Insel mit ganz speziellem Klima. Alina L'Ami nutzte die Licht- und Wetterspiele zum Malen von Bildern - mit ihrer Kamera. Mehr...

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Viele Gewinner auf der Isle of Man

Eine Freundin fragte mich vor ein paar Wochen: "Und Alina, was steht bei dir als Nächstes auf dem Plan?"
Nun spreche ich immer ziemlich schnell, um mit meinen Gedanken mitzuhalten, aber besonders dann, wenn mich der Enthusiasmus packt. Wenig überraschend führte das zu einem “Missverständnis”:

"Isle of Man!"

"OK", meinte sie, "auch ich mag Männer, aber wohin fährst du als Nächstes?"
 
Für mich ist dieses amüsante Missverständnis typisch für die vielen paradoxen Dinge, die ich in den zehn Tagen, die ich auf dieser wunderbaren kleinen Insel verbracht habe, erlebt habe.

So habe ich mich schon kurz nach der Landung gefragt, ob ich den richtigen Flug erwischt hatte: Ich war auf nördliche Landschaften und Klima gefasst, aber die Vegetation wirkte ziemlich tropisch! Hatte ich dem Herbst wieder einmal einen Streich gespielt?

Nicht wirklich, denn die Sonne war alles andere als tropisch und das Wetter war so wechselhaft und instabil, dass viele Spieler wegen seiner Kapriolen nach der Hälfte Turniers krank geworden waren... Vielleicht waren diese Erkältungen ansteckend und übertrugen sich mit der gleichen Geschwindigkeit von Spieler zu Spieler wie die gute Stimmung! Wenn diese beiden Dinge zwei Seiten einer Medaille sind, dann konnte man das Schniefen und Husten für die gute Stimmung leicht in Kauf nehmen.

Das erinnert mich an Van Goghs Bilder voller Wirbelwindwolken...

Douglas, wenn es nicht regnet. Für dieses Foto musste ich mich ein wenig ins Zeug legen… Fast hätte ich unbefugtes Gelände betreten, aber die Zäune waren zu hoch... aber dann entdeckte ich eine andere Möglichkeit, doch dort war die Sicht zunächst durch ein ähnliches Hindernis wie die Gitterstäbe des Gefängnisses versperrt. Aber am Ende hat alles geklappt :) Und natürlich musste ich mich beeilen, denn nur eine Minute später schüttete es bereits wie aus Eimern!

So richtig gefallen hat meiner Kamera das nicht, ...

... vor allem nicht, wenn mich der Ehrgeiz packte...

... und ich das, was mir im Geiste vorschwebte, nämlich ein gutes Foto, für alle Ewigkeit festhalten wollte...


Die Luft war so frisch und das Lächeln der Sonne so einzigartig, dass ich unruhig wurde und der Versuchung einfach nicht widerstehen konnte, die faszinierenden Farben der Natur einzufangen. Als Malerin wäre Douglas der perfekte Ort für meine künstlerischen Studien gewesen!

Aber meine hartnäckige Suche nach dem Lächeln der Sonne wurde oft mit einem breiten Grinsen belohnt. Aufs Wetter übertragen: immer wieder gab es einen kalten Regenschauer oder riesige Meereswellen überraschten mit einer nassen Umarmung, falls man so kühn gewesen war, einen Spaziergang auf der Promenade zu wagen. Bei meinen künstlerischen Versuchen auf dem Feld der Fotografie wurden meine Schuhe einmal so durchnässt, dass ich keine andere Lösung fand, als sie auf der Elektroheizung meines Zimmers zu trocknen. Das Problem war nur, dass ich es damit ein wenig übertrieben habe und so muss ich mir bald neue Schuhe kaufen...
 
Obwohl Sonne und Vegetation ein wenig in die Irre führten, so entdeckte ich doch wirkliche Wärme – im Herzen der Einheimischen. Immer, wenn ich zufällig vorbeikommende Passanten etwas gefragt habe, antworteten sie nicht nur prompt und hyperinformativ, sondern auch mit einer Begeisterung, mit der ich in diesen nördlichen Breitengraden nicht gerechnet hatte.
 
Eigentlich wollte ich bei meiner Reise zur Isle of Man ein paar Tage lang „die Seele baumeln lassen“ und mich dem Müßiggang hingeben. Ich hatte vor, mein Handy auszuschalten, genau wie sämtliche Kanäle der Sozialen Medien, um mich ganz dem vermeintlichen Frieden des Ortes hinzugeben und mich voll und ganz auf das Turnier zu konzentrieren. Ich stellte jedoch fest, dass dieser Plan ein Loch hatte, denn die Insel ist berühmt für ihre Schafe mit sechs Hörnern und, wichtiger noch... für ihre Manx-Katzen ohne Schwanz!

Nun habe ich keine einzige dieser Katzen entdeckt; obwohl ich die paar Dutzend, die mir über den Weg gelaufen sind, sorgfältig überprüft habe – doch alle sahen aus wie ganz normale Katzen.

Aber auch wenn wir das Reich der Symbole verlassen und ins Gebiet des Realen zurückkehren, so bietet die Insel mehr Aufregendes, als man denken könnte. So findet auf der Isle of Man das gefährlichste Motorradrennen der Welt statt, das in den Snaefell-Bergen beginnt und die Teilnehmer zwingt, in engen Kurven mit halsbrecherischem Tempo abwärts zu fahren. 1907 fand dieses Rennen zum ersten Mal statt und seitdem hat es mehr als 200 Opfer gefordert... aber trotzdem erfreut sich dieser Wahnsinn auf zwei Rädern anhaltend großer Beliebtheit.
 
Schach ist weniger tödlich (zumindest nicht auf direktem Wege), aber mit PokerStars als Sponsor sorgte das Turnier 2014 für genauso viel Aufregung wie ein Pokerturnier. Apropos Casino… viele der Teilnehmer waren dort am Abend regelmäßig zu Gast und während der Runden konnte man in der Regel schon am Gesicht ablesen, wessen Träume auf schnellen Reichtum von der schmerzhaften Realität zerstört worden waren...
 
Die Zeit ist gekommen, um über den gesellschaftlichen und politischen Status der Insel zu sprechen und auch der ist paradox. Die Isle of Man ist britische Kronkolonie, aber gehört weder zu Großbritannien noch zur EU! Wer Genaueres wissen will, googelt bitte – das Internet bietet hier jede Menge interessanter Fakten.

Die Flagge der Isle of Man und der Name der Insel auf Manx-Gälisch

Als charakteristisch für die Insel empfand ich den Modernismus und die Originalität, die sich hinter dem sprichwörtlichen britischen Traditionalismus verbergen; oder ist es genau anders herum?! Bezahlt wird mit britischem Pfund, aber zugleich gibt es auf der Isle of Man eine eigene Währung mit dem gleichen Wert, die aber nirgends sonst auf der Welt akzeptiert wird. Früher hatten die Bewohner ihre eigene Sprache, Manx-Gaelisch, die aber nicht mehr gesprochen wird, aber im ursprünglichen Namen der Insel noch erhalten geblieben ist: Ellan Vannin.

Wie in England und Irland gibt es auch hier eine lebendige Pubkultur.

Meine übliche Faszination für Türen und Fenster

Die Vergangenheit wird festgehalten

Die Isle of Man hat ihre eigene Flagge, die ein Triskele-Zeichen ziert. Ich habe eine Reihe von Erklärungen für das alte, dreibeinige Symbol gehört; diejenige, die mir am meisten gefallen hat, sagt, dass die Insel so klein ist, dass man eigentlich nie wirklich weggehen kann und sich so immer in Gesellschaft seiner Landsleute befindet. Davon gibt es weniger als 100.000.

Der Mann, der alles Mögliche über die Isle of Man erzählte, und den ich bei einer Straßenbahnfahrt kennengelernt hatte (zufällig wohnte er in der gleichen Pension wie ich!)

Diesen Aspekt spürte ich auch in dem kleinen Organisationsteam, das perfekt aufeinander abgestimmt und harmonisch wirkte. Und die Freundlichkeit des Hauptorganisators, Alan Ormsby, muss einfach erwähnt werden!

Turnierdirektor Alan Ormsby bedankte sich bei allen für ihre Unterstützung; aber wir sollten ihm dankbar sein!

Die Verlosung des Siegers beim Studienlösewettbewerb. Harika Dronavalli nahm die Verlosung vor, zog aber leider nicht meinen Namen.

Der Hauptgewinner war aber natürlich Nigel Short

Nigel in seinem Element

Die Insel bewahrt alle typisch britischen Traditionen wie das Linksfahren und das reichhaltige Englische Frühstück. Ich habe zwar zunächst nicht verstanden, was die Bohnen auf dem Teller mit Eiern, Wurst und Schinken sollten, aber habe sie jeden Morgen mit großem Vergnügen gegessen! I

Und einmal mehr: Tradition im modernen Gewand – was machen die Frühlingszwiebel und die Gurke hier?!

Ich bin mit Begeisterung mit dem alten Zug gefahren, der aus einer alten Dampfmaschine und Wagen bestand, die über 100 Jahre alt waren, aber nicht immer war das Festhalten an der Tradition so schön.

Die Straßenbahn

 

Und die Dampflok

Ich habe doch gesagt, dass die Manxianer glücklich sind

Die Unisex-Toiletten. Anderswo sind sie vielleicht üblich, aber ich war ziemlich überrascht, sie in dieser vermeintlich traditionellen Umgebung zu sehen. 

Zum Beispiel bieten zwei getrennte Wasserhähne für heißes und kaltes Wasser keinen allzu großen Komfort, zumindest nicht für eine Touristin.

Es ist nicht ganz leicht, den Abfluss und meine Hand zu fotografieren :)) Aber Sie wissen, worauf ich hinauswill: Es gibt einen Hahn für heißes und einen für kaltes Wasser. Beides soll man mischen, um so die richtige Wassertemperatur zu erhalten. Wenn man mich fragt, ist das nicht ganz so einfach. 

Und die Schiedsrichter ermittelten die Paarungen per Hand ohne einen Computer zu benutzen! Nun führte das zu ausgezeichneten Ergebnissen, aber verlangte ihnen sicher auch einiges ab...

Eine sehr plastische Illustration des Modernismus, der sich unter dem Mantel des Traditionalismus verbirgt, sind vielleicht die Unisex-Toiletten, die nicht nur nützlich, sondern auch praktisch sind!
 
Was mich betrifft, so war die positivste Form des Traditionalismus die klassische Bedenkzeitregelung, die in offenen Turnieren kaum noch angewandt wird: zwei Stunden für 40 Züge, danach eine Stunde für die nächsten 20 Züge und erst dann eine Viertelstunde für den Rest der Partie, all das mit einem Zeitaufschlag von 30 Sekunden pro Zug ab dem ersten Zug. Ich neige dazu, auf der Suche nach der Wahrheit eine Menge Zeit zu verbrauchen und das beliebte 90 Minuten + 30 Sekunden-Format für die ganze Partie hat mich oft noch vor der rein technischen Phase der Partie in Zeitnot gebracht.

Ich habe dieses Jahr schon eine Reihe von Turnieren gespielt, die ich lieber vergessen würde, aber angesichts der ausgezeichneten Spielbedingungen auf der Isle of Man fühlte ich mich wie neugeboren. Und bei allen Unterschieden in der Spielstärke ging es dem Turniersieger Nigel Short so ähnlich, wie er bei seiner Dankesrede bei der Abschlussfeier verriet.

Die entscheidende Partie zwischen Howell und Short

Nigel Short hat sich darüber gefreut, ein solch tolles Turnier zu spielen, nach einer "nicht so tollen Schachzeit".

Auch David Howell spielte ein großes Turnier,...

... selbst wenn er die letzte Runde verlor.

Nigel in action

"Das Geheimnis hinter meinem Erfolg ist, dass es kein Geheimnis gibt: Ich war nicht abgelenkt und konnte mich um mich selbst kümmern."

Aber Nigel sollte nicht als einziger Gewinner betrachtet werden, denn man muss nicht notwendigerweise Erster werden, um ein Gewinner zu sein. So haben wir mit großem Interesse die Partien einer Gruppe sehr junger und talentierter Spieler aus Israel verfolgt, die etlichen Großmeistern das Leben schwer gemacht haben.

Der israelische Tisch bei der Abschlussfeier; mit dabei ist Alon Greefeld, ein extrem dynamischer Spieler; ich habe bereits zwei Mal – und mit der gleichen Variante – gegen ihn verloren, aber diese interessanten Partien haben uns beide viel Spaß gemacht.

Die talentierte WIM Yuliya Shvayger aus Israel

Und ich habe mich gefreut, wie meine Freundin Harika Dronavalli starken und erfahrenen Gegnern Paroli geboten und sich so den Weg zum Gewinn des Frauenpreises gebahnt hat.

Harika Dronavalli

Die Inderin holte den ersten Frauenpreis

Dahinter kamen Ihre Reporterin..

... und Elisabeth Pähtz ins Ziel.

Wenn ich Elisabeth nicht schon lange kennen würde, würde ich denken, dass sie Kontaktlinsen trägt, um diese strahlenden blauen Augen zu haben. Doch ihre Augen sind ebenso unverfälscht, wie ihr ganzer Charakter.

Geburtstagskinder: Ja, Nigel und ich sind beide am 1. Juni geboren worden, und nach einer Reihe von weniger schönen Schachturnieren waren wir beide froh über unser Abschneiden! 

Michael Adams spielte vorne mit,...

... aber zum Sieg reichte es nicht.

Maxime Vachier-Lagrave, kurz: MVL genannt



Der Favorit gab hier gegen Daniel Fridman sein erstes Remis ab

Gegen wen MVL hier wohl spielt...?

Es ist Sergey Tiviakov, erkennbar an der "See-Buy-Fly"-Tasche. Der Niederländer reist viel und kauft die notwendigen Dinge oft im letzten Moment am Flughafen in Amsterdam. Inzwischen hat er eine große Sammlung solcher Tüten.

Laurent Fressinet

Der Franzose startete mit zwei Remis nicht optimal, kämpfte sich aber zurück


Abhijeet Gupta

Julio Granda Zuniga landete nicht ganz da, wo er wollte, spielte aber spektakuläres Schach

Gabriel Sargissian gehörte zu den glücklichen...

... Preisträgern und freute sich riesig.

Yochanan Afek komponierte eine Studie extra für das Turnier und spielte auch noch mit.

Ein glücklicher Alan B (mit seiner Mutter), der die Turniersensation war (siehe die Partien für mehr) und sich gefreut hat, den IM- und den GM-Titel zu bekommen!

Zu einem amüsanten Zwischenfall, der meinem Landsmann Mihail Marin das angenehme Gefühl gab, die gleiche Partie zwei Mal zu gewinnen, kam es in der letzten Runde. Nach einer guten Partie hatte er einen mehr oder weniger sicheren Weg zum Gewinn gesehen. Nach der Rückkehr von einer kleinen Zigarettenpause standen die Figuren wieder in der Ausgangsstellung, die Uhren waren angehalten und die Partieformulare entfernt worden. Offensichtlich hatte sein Gegner die Partie respektvoll aufgegeben, aber wie Mihail feststellte, standen die beiden Könige mitten auf dem Brett, so als ob die Partie Remis geworden wäre.

Mihail Marin

Mihail hat den Fehler sofort korrigiert und machte sich dann auf die Suche nach einem Schiedsrichter, um das Partieformular zu unterschreiben und eine Kopie seines Formulars mitzunehmen. Aber als Fiona (die Presseverantwortliche des Turniers) seinem Gegner (IM Ferguson) das Problem schilderte, erkannte Mihail, das er sein eigenes mit einem anderen Brett verwechselt hatte...

Fiona Steil-Antoni kümemrte sich um die Turnier-Promotion

Sofort korrigierte er die Stellung der Könige wieder, entschuldigte sich bei Fiona und seinem Gegner und ein paar Züge später hatte er tatsächlich gewonnen! Aber trotz seines Gefühls, zwei Mal gewonnen zu haben, erhielt er nur einen Punkt für diese Partie.
 
Viele der Teilnehmer werden dies wunderbare Turnier sicher noch einmal spielen wollen und vielleicht gewinnen sie beim nächsten Mal auch am Pokertisch!

Schach begründet Freundschaften: Keith Arkell, Elisabeth Paehtz, Fiona Steil Antoni and Jonathan Hawkins
 

Die Isle of Man: Wie gemalt!

Hafen bei Flut...

... und Ebbe

Douglas im Regen

Palmen an der Promenade

 

 


Alina L'Ami ist Schachprofi, WGM, und bringt allem, was sie macht, großen Enthusiasmus entgegen. Sie liebt es, in die entlegensten Winkel der Erde zu reisen, um dort Schach zu spielen und darüber hier bei ChessBase zu berichten.

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