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45 Jahre nach Beginn des bedeutendsten Sportereignisses in der Zeit des Kalten Kriegs machte ich Urlaub in Island, vor allem auf Drängen meiner Frau, die Geologin ist - geologisch ist wohl kein Land der Erde so aufregend wie Island. Natürlich besuchte ich auch meinen alten und guten Freund Gardar Sverrisson.
Gardar (Isländisch: Garðar) wurde 1959 in Reykjavík geboren. Er arbeitete schon früh als Journalist und im Laufe seines Lebens veröffentlichte er unter anderem zwei Biographien, einen Roman und etliche Kurzgeschichten. Auch im öffentlichen Leben war er aktiv: als Generaldirektor einer parlamentarischen Gruppe von Sozialdemokraten, als Vorstandsmitglied des isländischen Zentrums für Menschenrechte und viele Jahre auch als Präsident der nationalen Koalition von Menschen mit Behinderungen in Island. Er hat Politikwissenschaften und Wirtschaft an der Universität von Island studiert und an der University of Arizona einen MFA im kreativen Schreiben gemacht.
2004 gehörte Gardar zu einer Gruppe, die sich dafür einsetzte, dass man Bobby Fischer aus der Haft in Japan entlässt und ihm Asyl in Island gewährt. Am Ende war er Bobby Fischers einziger Freund und er kümmerte sich bis zu dessen Tod im Jahre 2008 um den ehemaligen Weltmeister. Einen Bericht über Fischers letzte Jahre und meine Freundschaft mit Gardar findet man in diesem Bericht.
Wir verbrachten einen wunderbaren Nachmittag mit Gardar. Er zeigte uns Reykjavik, vor allem die Orte, an denen er regelmäßig mit Bobby war (ein ausführlicher Bericht folgt in einem späteren Artikel). Als Erstes besuchten wir Laugardalshöllin, der Saal, in dem der Wettkampf stattgefunden hat.
Laugardalshöllin wurde 1965 als Islands größte Sporthalle gebaut. Unzählige Sportveranstaltungen und Konzerte fanden dort statt - Led Zeppelin trat 1970 auf, Leonard Cohen 1988 und David Bowie ein Jahrzehnt später.
So sah Laugardalshöllin vor Beginn des Wettkampfs Spassky gegen Fischer aus.
Der eigens für den Weltmeisterschaftskampf angefertigte Schachtisch stammt von dem Kunsttischler Ragnar Haraldsson. Das Schachbrett und die Figuren waren aus Lavastein und Marmor. Aber Fischer war unzufrieden mit dem Material und der Größe der Felder. Das Lavabrett wurde während der 1., 4., 5. und 6. Partie benutzt. Die dritte Partie wurde auf einem Brett aus Holz und den damals üblichen Staunton-Figuren gespielt, und dieses Brett und diese Figuren nahm man auch für die Partien 7–21.
Heute gehören der Schachtisch, das Brett aus Lavastein, die Figuren und die Uhren, die während der ersten Partie benutzt wurden, dem Isländischen Nationalmuseum in Reykjavik.
Das zeitgenössische Staunton-Set und die Garde-Schachuhr, die im Wettkampf benutzt wurden.
Und so sieht es heute aus: Laugardalshöllin, die Hallensportarena in Reykjavik, die Platz für 5.500 Zuschauer hat. Mit einem Klick auf das Bild (und die meisten der anderen Bilder) lässt sich die Ansicht vergrößern.
Dies ist das einzige Erinnerungsstück an den Wettkampf von 1972, eine kleine Plakette rechts neben dem Haupteingang, ein kleiner Punkt auf dem vorherigen Bild. Die Inschrift lautet: "Skákamband Íslands, Heimsmeistaraeinvigid í Skák 1972, Laugardalshöll – Reykjavík. Austragungsort des Schachweltmeisterschaftskampfs, Boris Spassky UdSSR - Robert J. Fischer USA"
Als wir ankamen, war es schon spät, und die Halle war geschlossen. Aber Gardar fand eine Lösung des Problems: ein Freund im Inneren des Gebäudes, den er um einen Gefallen bat.
Jón Sigurðsson öffnete den Saal für uns und führte uns herum. Er hat genau den gleichen Namen wie der Begründer des unabhängigen isländischen Staats. Ein Bild dieses Sigurdssons findet man auf den isländischen 500 500 Kronur Scheinen.
So sieht der große Saal heute, 45 Jahre nach dem Wettkampf, aus.
Die Bühne, auf der die Partien - nun, zumindest die meisten von ihnen - gespielt wurden.
Im Empfangsbereich hängen zwei Karikaturen des Spassky-Fischer Wettkampfs an prominenter Stelle
Die Bildunterschriften stammen von Halldor Petursson, einem isländischen Karikaturisten, der für eine isländische Zeitung 18 Karikaturen angefertigt hat. Auf dieser (ein Klick auf das Bild vergrößert es) sehen wir (von links nach rechts) Jim Slater, der den Preisfonds erhöht; GM Fridrik Olafsson, der Gudmundur Thórarinsson, den Präsident des Isländischen Schachverbands, unterstützt; Fischer mit Pistole und Sporen; über ihm FIDE-Präsident Max Euwe, rechts den Sponsor und PR-Chef des Wettkampfs, Chester Fox; in der Mitte Hauptschiedsrichter Lothar Schmid mit den Schiedsrichterassistenten Gudmundur Arniaugsson und Harry Golombek; Boris Spassky verteidigt seine Krone, unterstützt von seinen Sekundanten GM Efim Geller und Iivo Nei.
Auf diesem Bild sehen wir (von links nach rechts) Spasskys Sekundanten GM Efim Geller, GM Nikolai Krogius (mit Brille) and Boris Spassky; Fischer, der die Krone an sich nimmt, seinen Leibwächter Saemundur Pálsson, seinen Sekundanten GM William Lombardy, ein Koch, der ein "Wikingerbüffet" zubereitet; über ihnen Hauptschiedsrichter Lothar Schmid (mit Brille) und Schiedsrichterassistent Gudmundur Arniaugsson, darunter Chester Fox (der versucht, einen Teil von Fischers Gewinn zu stehlen); FIDE-Präsident Max Euwe versucht Fischers Krone in die Hand zu bekommen und wird von Vize-Präsident Harry Golombek gehalten, Fischers Agent, Gudmundur Thórarinsson, Präsident des Isländischen Schachverbands und Fridrik Olafsson.
In seinem Büro zeigte und Jon Sigurdsson ein Gästebuch, das er gefunden hatte ("irgendwo im Keller"), sowie etliche nicht verkaufte Eintrittskarten, die zwischen $5 und $11 gekostet haben.
Wir haben das Gästebuch sorgfältig untersucht, und...
... die Einträge von Fischer und Spassky gefunden (ein Klick auf das Bild vergrößert es) ...
... und dazu noch eine ganze Reihe anderer Einträge, die wahrscheinlich nach dem Wettkampf gemacht wurden.
Doch zurück zum Wettkampf 1972: Am 6. Juli, entschuldigte sich Fischer überraschend bei Spassky, bei FIDE-Präsident Max Euwe und bei den Organisatoren, weil er bei der Eröffnungsfeier nicht dabei war. Fischer schrieb einen Entschuldigungsbrief an Spassky, den er selbst zu Spassky Hotelzimmer brachte und unter die Tür des Hotelzimmers schob. Danach schien das Match gerettet zu sein. Die Erwartungen vor Beginn des Wettkampfs werden von Prof. Dr. Christian Hesse in Ein großer Moment im Schach, Teil 2 geschildert.
"Am Abend des 7. Juli fand schließlich die Auslosung im Spielsaal statt. Der Journalist Brad Darrach liefert einen Augenzeugenbericht: 'Um 20:45 Uhr begannen die Feierlichkeiten. Als Spassky die Bühne betrat, brandete starker Applaus auf. Bobby erhielt sehr viel weniger Beifall. Spassky ging zum Schachtisch und begutachtete ihn in Ruhe; er hatte ihn bereits einmal gesehen. Bobby, der die greifbaren Arrangements für das Match bislang nicht gesehen hatte, warf einen schnellen Blick auf die Bühne. (…)
Der Tisch war ein winkelförmiges, modernes Stück aus schwerem Mahagoniholz, das rot glänzend poliert war. Cremefarbene Lederbezüge waren an den Ecken eingearbeitet, auf die sich die Spieler stützen konnten. (…) Bobby starrte ungefähr eine Minute auf den Tisch ohne sich zu bewegen. Im Saal wurde es still. (…) Dann bewegte sich Bobby Hand langsam zum Schachbrett, bis er schließlich den weißen König liebevoll berührte.'"
Die erste Partie wurde vier Tage später, am 11. Juli 1972, gespielt. Unser nächster Bericht erscheint genau 45 Jahre später, am nächsten Dienstag, den 11. Juli 2017.
Vor 45 Jahren - Bobby Fischer in Island (1)
In der letzen Juniwoche 1972 war die Schachwelt im Aufruhr. Der Weltmeisterschaftskampf zwischen Titelverteidiger Boris Spassky und Herausforderer Bobby Fischer sollte am 1. Juli in Reykjavik beginnen. Aber von Fischer war in der isländischen Hauptstadt nichts zu sehen. Die Eröffnungsfeier fand ohne ihn statt und die 1. Partie, die am 2. Juli gespielt werden sollte, wurde verschoben. Doch in den frühen Morgenstunden des 4. Juli traf Fischer schließlich in Reykjavik ein. Frederic Friedel berichtet.
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