Zum 145. Geburtstag von Akiba Rubinstein

von André Schulz
01.12.2025 – Am 1. Dezember 1880, heute vor 145 Jahren, wurde Akiba Rubinstein geboren, der vielleicht beste Spieler seiner Zeit, der nie um die Weltmeisterschaft spielen konnte. Über 20 Jahre lang gehörte Rubinstein zur absoluten Weltspitze, doch sein Leben verlief tragisch.

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Der große Akiba Rubinstein (1880-1961)

Akiba, oder auch Akiwa Rubinstein, am 1. Dezember 1880 geboren und am 15. März 1961 gestorben, war einer der größten Spieler der Schachgeschichte und vielleicht der beste seiner Zeit, der nicht Weltmeister wurde. Sein schachliches Schaffen fällt in die Zeit zwischen 1903 und 1931, umfasst also nicht ganz 30 Jahre. Der größte Teil von Rubinsteins Leben, vor und besonders nach seiner glänzenden Schachkarriere, liegt jedoch weitgehend im Dunkel.

Über Rubinsteins tatsächlichen Geburtstag gab es Kontroversen und unterschiedliche Angaben. Nun haben die Schachhistoriker sich auf den 1. Dezember geeinigt, das Datum, das auch auf seinem Grabstein steht. Rubinstein kam in einer jüdischen Familie in dem Städtchen Gmina Stawiski im heutigen Nordwesten Polens zur Welt. Zur Zeit von Rubinsteins Geburt gehörte das Gebiet noch zum russischen Zarenreich. Sein Vater starb wenige Tage vor Rubinsteins Geburt. Akiba Rubinstein hatte 13 ältere Geschwister, die jedoch alle bis auf eine Schwester im Kindesalter an Tuberkulose starben. Die Mutter heiratete ein zweites Mal, Akiba Rubinstein bekam noch einen jüngeren Halbbruder. Die Familie zog nun nach Bialystok.

Mit 14 Jahren lernte Rubinstein das Schachspiel, spielte in den Gaststätten in seinem Viertel und konnte schließlich den bis dato besten Spieler der Stadt, G. G. Bartoszkiewicz, besiegen. Mit 16 Jahren beschloss Rubinstein, Schachprofi zu werden.

1903 zog Rubinstein, inzwischen Anfang 20, nach Lodz, dem Zentrum des polnischen Schachs. Dort traf er auf Georg (Hersz) Salwe (1862–1920), den besten polnischen Spieler jener Zeit. Mit einer Vielzahl von Trainingspartien wurde Salwe Rubinsteins Schachlehrer und Trainer.

Ab 1903 nahm Rubinstein an Turnieren teil. Sein erstes Turnier war die Allrussische Meisterschaft in Kiew, wo er bereits als Fünfter abschloss. 1905 war Rubinstein einer der Teilnehmer beim Hauptturnier in Barmen und belegte mit Oldrich Duras den geteilten ersten Platz. 1906 gewann Rubinstein in Lodz ein Viererturnier unter anderem vor Tschigorin und wurde bei der Allrussischen Meisterschaft in St. Petersburg Zweiter hinter seinem Mentor Salwe. Mit seinen Siegen bei den internationalen Turnieren 1907 in Ostende (mit Ossip Bernstein) und in Karlsbad war Rubinstein in der Weltspitze angekommen.

Akiba Rubinstein im Alter von etwa 25 Jahren

Karlsbad 1907, Sitzend: Rubinstein, Marco, Fähndrich, Tschigorin, Schlechter, Hofter, Tietz, Maróczy, Janowski, Dr. Neustadtl, Drobny, Marshall, Stehend: Nimzowitsch, Wolf, Mieses, Cohn, Johner, Leonhardt, Salwe, Vidmar, Berger, Spielmann, Dus-Chotimirski, Tartakower, Dr. Olland

Bei der Allrussischen Meisterschaft 1907 in Lodz gelang Rubinstein gegen Georg Rotlevi die Partie, die als seine „Unsterbliche“ in die Schachgeschichte eingegangen ist.

    

Rubinstein spielte in den folgenden Jahren neben Turnieren auch eine Reihe von Wettkämpfen, die er allesamt gewann. Mit Ausnahme eines Wettkampfes gegen Salwe am Anfang seiner Karriere hat Rubinstein im Laufe seiner Laufbahn alle seine Wettkämpfe gewonnen.

Rubinstein wurde zu den Turnieren nach Wien und Prag eingeladen und belegte dort gute Plätze. 1909 gewann er zusammen mit Weltmeister Emanuel Lasker das Superturnier in St. Petersburg mit 3,5 Punkten Vorsprung vor dem Rest des spielstarken Feldes.

Lasker und Rubinstein

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1910 zog Rubinstein nach Warschau um. Bei der Warschauer Stadtmeisterschaft musste er sich mit dem zweiten Platz hinter Alexander Flamberg begnügen. Ein Match kurz danach gewann Rubinstein deutlich. Aus gesundheitlichen Gründen musste Rubinstein seine Teilnahme an der Meisterschaft in Hamburg ebenso absagen wie einen geplanten Wettkampf gegen Ossip Bernstein.

Im folgenden Jahr nahm er am Turnier in San Sebastián teil und wurde hinter dem jungen Aufsteiger José Raúl Capablanca Zweiter, wobei Rubinstein dem Kubaner eine seiner wenigen Niederlagen beibrachte.

Er war ein Wunderkind und um ihn ranken sich Legenden. In seinen besten Zeiten galt er gar als unbezwingbar und manche betrachten ihn als das größte Schachtalent aller Zeiten: Jose Raul Capablanca, geb. 1888 in Havanna.

1912 setzte Rubinstein seine Erfolgsserie mit mehreren glänzenden Turniersiegen in San Sebastián, Bad Pistyan, beim 18. DSB-Kongress und bei der Allrussischen Meisterschaft in Vilnius fort.

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1913 war Rubinstein gemäß den nachträglichen Berechnungen von Jeff Sonas der beste Spieler der Welt. Schon 1912 hatte Rubinstein an Emanuel Lasker eine Herausforderung für einen WM-Kampf geschickt. Lasker akzeptierte im Prinzip, hatte aber Capablanca eine Zusage gegeben. Die Verhandlungen zogen sich in die Länge, schließlich einigte man sich auf einen Termin im Herbst 1914, mit Austragungsorten in Russland und Deutschland. Rubinstein verbrachte 1913 einige Monate in Bad Reichenhall, wo er sich vielleicht schon auf den WM-Kampf vorbereitete.

Beim Turnier in St. Petersburg 1914 schied Rubinstein allerdings in der Vorrunde aus. Dann beendete der Erste Weltkrieg das internationale Turnier- und Schachleben für Jahre. Rubinstein spielte aber in den Kriegsjahren noch zwei Turniere in Polen.

Schon aus den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg berichteten Zeitgenossen von ersten Merkwürdigkeiten im Verhalten von Rubinstein. Seine Depression und sein labiles Nervensystem begannen sich zu zeigen. Durch die politischen und wirtschaftlichen Umwälzungen am Ende des Ersten Weltkrieges verlor Rubinstein seine finanziellen Rücklagen und lebte fortan unter prekären Verhältnissen, was seinem labilen Gemütszustand vielleicht Vorschub leistete.

1917 heiratete er. Ein Jahr später wurde sein Sohn Jonas geboren. 1919 zog die Familie ins schwedische Göteborg. Rubinstein spielte Turniere und Wettkämpfe in Schweden, Berlin und Warschau und gab Simultanvorstellungen.   

Anfang 1920 hatte Rubinstein Bogoljubov im Wettkampf besiegt und erinnerte während einer Simultantournee in den Niederlanden daran, dass er noch eine Vereinbarung mit Lasker über einen WM-Kampf hatte. Lasker verhandelte aber auch mit Capablanca, und im Unterschied zu Rubinstein hatte Capablanca finanzielle Unterstützer, die die Forderungen von Lasker erfüllen konnten. 1921 verlor Lasker den Titel an Capablanca. Der Kubaner akzeptierte eine Herausforderung von Rubinstein, doch dieser konnte die hohen Forderungen von Capablanca nie erfüllen, so dass der Kampf nie zustande kam.

Rubinstein spielte 1921 das Internationale Turnier in Den Haag, das er hinter Alexander Aljechin und Savielly Tartakower respektabel als Dritter abschloss. Ein Viererturnier in Triberg mit vier Umgängen konnte Rubinstein vor Efim Bogoljubov und Richard Reti gewinnen.

1922 spielte er mit guten Ergebnissen und Platzierungen im oberen Bereich der Tabelle Turniere in London, Hastings und Prag mit und gewann das Meisterturnier des Wiener Schachkongresses unter anderem vor Tartakower, Tarrasch und Aljechin. Gegen Aljechin gewann Rubinstein in nur 26 Zügen, nachdem er zuvor in London und Hastings gegen den kommenden Weltmeister noch zweimal verloren hatte. Im Laufe des Jahres 1922 zog Rubinstein mit seiner Familie von Göteborg in die Nähe von Potsdam um. Zum Jahreswechsel 1922/23 war Rubinstein auch der Sieger des Christmas Congress in Hastings, während er als Zwölfter im Mai 1923 in Karlsbad und als Zehnter im Juli des gleichen Jahres in Mährisch-Ostrau für seine Verhältnisse ungewöhnlich schlecht abschnitt.  

1924 und 1925 belegte Rubinstein bei seinen Turnieren zumeist wieder gute Ergebnisse, darunter den zweiten Platz in Baden-Baden 1925 hinter Aljechin. Im November 1925 fand das erste große internationale Schachturnier in der Sowjetunion statt. Bogoljubow gewann vor Lasker. Rubinstein erreichte nur Platz 14 bei 21 Teilnehmern.

Bogoljubow und Rubinstein, 1925

Im folgenden März 1926 wurde die Weltelite in das Panhans-Hotel am Semmering eingeladen. Rubinstein belegte einen respektablen sechsten Platz. Rubinsteins schlechte wirtschaftliche Verhältnisse bewegten Hans Kmoch dazu, ein Buch mit den besten Partien des Meisters herauszugeben, „Rubinstein gewinnt!“, um den Erlös Rubinstein zukommen zu lassen. Während des Jahres 1926 zog Rubinstein mit seiner Familie von Deutschland nach Antwerpen, Belgien, um. 1927 kam dort sein zweiter Sohn Samy zur Welt. In Belgien hatte Rubinstein anfangs noch Kontakt zu den Spielern des Landes und anfangs wohl auch einige Schüler, darunter Alberic O’Kelly und Paul Devos (1911–1981).

In den Jahren 1926 bis 1930 spielte Rubinstein noch eine recht große Anzahl von Turnieren, auch Topturniere, und erzielte weiterhin gute Resultate. 1927 gewann er die Landesmeisterschaft von Polen, und 1930 nahm er in der polnischen Mannschaft an der Schacholympiade in Hamburg teil, gewann mit der Mannschaft Gold und erzielte am ersten Brett mit 15 aus 17 das beste Ergebnis aller Teilnehmer.

Bei der polnischen Meisterschaft 1927, gegen Tartakower

Das polnische Team 1930

Allerdings war Rubinstein neben dem Brett zu dieser Zeit schon desorientiert. Gemäß den Berichten seines Mannschaftskollegen Tartakower musste Rubinstein vom Betreuer der polnischen Mannschaft häufig zu seinem Brett zurückgebracht werden, weil er sich in den Räumen der Hamburger Mozart-Säle im Logenhaus der Freimaurer verlaufen hatte und allein nicht zurückfand.

Im Frühjahr 1931 reiste Rubinstein als erster Spitzenschachprofi zu einer Simultantournee nach Palästina. Bei der Schacholympiade in Prag im Sommer 1931 gehörte er zum polnischen Team, schnitt hier aber nicht mehr so gut ab (+3, -2, =7). Im Dezember des Jahres wurde er bei einem kleinen Viererturnier in Rotterdam Letzter. Es war sein letztes Turnier. Aus dem Jahr 1931 sind noch ein paar Simultanpartien bekannt.

Aufgrund seines Gemütszustandes musste sich Akiba Rubinstein 1931 aus dem Turnierschach zurückziehen. Die Familie lebte nun in einer Wohnung in Brüssel über einer Gaststätte, die von Rubinsteins Frau Eugenie geführt wurde. Rubinstein nahm am gesellschaftlichen Leben praktisch nicht mehr teil. Zeitweise soll er sich in einem Sanatorium aufgehalten haben.

Gelegentlich erhielt Rubinstein Besuch. Um 1936 kam Hans Kmoch und war entsetzt von Rubinsteins Zustand, da dieser inzwischen weitgehend verwahrlost war. Nach der Besetzung Belgiens durch die Deutschen sollen SS-Leute einer Anekdote zufolge auch nach der jüdischen Familie Rubinstein gesucht haben. Sie nahmen aber beim Anblick Rubinsteins Abstand davon, ihn mitzunehmen, heißt es. Sein Sohn Samy (1927–2002) wurde jedoch später verhaftet und 1943–44 in einem Lager bei Mechelen eingesperrt.

In den 1940er Jahren besuchte der kanadische Meister Daniel Yanofsky Rubinstein. Von dem Besuch im Jahr 1946 ist eine Partie erhalten. Gelegentlich kam O’Kelly. Auch ein Besuch von Miguel Najdorf in den frühen 1950er Jahren ist überliefert. Den letzten öffentlichen Auftritt von Rubinstein als Schachprofi gab es 1946 bei einer Simultanvorstellung in Lüttich.

1950 gehörte Rubinstein zu den Spielern, die von der FIDE ehrenhalber den Großmeistertitel erhielten.

Nachdem seine Frau Eugenie 1954 gestorben war, wurde Rubinstein noch schweigsamer. Er wurde von seinen Söhnen im jüdischen Altersheim in der Rue de la Glacière 31–35 untergebracht, wo er an manchen Tagen sein Zimmer, das er sich mit einem anderen Bewohner teilte, nicht verließ. Schach interessierte ihn aber immer noch. Er spielte Partien auf seinem Taschenschach nach oder analysierte zusammen mit seinen Söhnen Partien, wenn sie ihren Vater besuchten.

Als das Altersheim in der Rue de la Glacière wegen Renovierung zeitweise geschlossen war, wurden die Bewohner in Antwerpen untergebracht. Dort starb Akiba Rubinstein am 15. März 1961.

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André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.
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