12.01.2009 – Zusammen mit seinem Cousins "GZA" und "Ol' Dirty Bastard" gründete der
amerikanische Rap-Musiker RZA, bürgerliche Name: Robert Diggs, Anfang der 90er
Jahre den Wu-Tang-Clan und ist heute mit über 20 Mio. verkauften Platten einer
der erfolgreichsten HipHop-Produzenten weltweit. Neben der Musik gilt seine
Liebe dem Schachspiel und so griff er eine Idee des "Bishop
of HipHop" Adisa Banjoko, Gründer der Hip-Hop Chess Federation, auf und
transportierte das Schachspiel mit Gründung der Plattform Wuchess.com in die
HipHop-Welt. "In den Neighbourhoods gibt es viel Gewalt", sagt RZA. "Oft
kommt es dort zu
Messerstechereien, weil die Jugendlichen nicht nachdenken, weil sie ihren
Verstand nicht trainieren. Aber wenn du Schach spielst, dann musst du das Denken
üben. Beim Schach darfst du richtig sauer werden, und du darfst das am Brett
rauslassen." Dr. René Gralla sprach mit RZA über HipHop, Wut und Schach.HipHop Chess Federation...Wuchess.com...Zum Interview...
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"Am
Brett darfst du deine Wut rauslassen"
Sie sind eine der
einflussreichsten HipHop-Gruppen der Gegenwart: der Wu-Tang Clan, der sich
Anfang der 90-er Jahre in Staten Island, New York City, formiert hat. Kopf der
Truppe ist Robert Diggs (39) aka RZA. Nachdem der Reimkünstler vor sechs Jahren
in trauter Zweisamkeit mit Xavier Naidoo "Ich kenne nichts (das so schön ist wie
du)" geschmachtet und Platz 1 in Deutschland erobert hat,
ist der Wortartist
unter seinem zweiten Alias "Bobby Digital" jetzt hierzulande in den Plattenläden
vertreten mit dem Soloalbum "Digi Snacks".
Damit nicht genug: Außerdem will RZA
die Kids für das Schlauspiel Schach begeistern, wie ChessBase-Autor Dr. René
GRALLA beim Interview in Berlin erfährt. Auszüge des Gesprächs sind in der
Tageszeitung "Neues Deutschland" (ND) veröffentlicht worden.
DR. RENÉ GRALLA:
Sie sind nicht nur Mastermind des Wu-Tang Clan, sondern inzwischen auch
Schachmeister ...
RZA: ... nein,
ich habe nur einen Wettkampf der besten HipHop-Spieler gewonnen (lacht),
darunter mein Bandkollege GZA und der Rapper Paris. Das war ein gutes Turnier,
und ich bin ohne Niederlage durchmarschiert.
DR. R.GRALLA:
Respekt! Das war das "1st Annual Chess Kings Invitational". Organisator war eine
"Hip-Hop Chess Federation", abgekürzt HHCF. Ist diese HHCF etwa ein realer
Verband mit einer greifbaren Struktur?
RZA: Ja, klar!
Gegründet wurde die HHCF vor vier Jahren, und die treibende Kraft ist der Musik-
und Schachjournalist Adisa Banjoko, in der Szene besser bekannt als "Bishop of
HipHop". Die Hip-Hop Chess Federation wird durch Spenden finanziert und hat ihre
Zentrale in San Francisco.
Adisa Banjoko
DR. R.GRALLA:
HipHop und Schach, wie passt das denn zusammen?
RZA: Die Hip-Hop
Chess Federation will Kinder dafür begeistern, Schach zu lernen, Martial Arts zu
lernen, HipHop zu lernen. Diese drei verschiedenen Kunstformen sind wunderschön,
um Geist und Körper zu formen. Und das ist eine gute Methode, Aggressionen
auszudrücken, ohne dabei körperlich gewalttätig zu werden. Im August 2008 wurde
der "International Youth Day" der Vereinten Nationen in New York gefeiert. Die
Leute von der Hip-Hop Chess Federation präsentierten dabei ihr Projekt, und auch
ich habe dort gesprochen. Inzwischen gehöre ich nämlich dem Führungsgremium der
HHCF an, als "Entwicklungsdirektor", das ist mein offizieller Titel.
DR. R.GRALLA:
Eine neue Perspektive für die Ghetto-Kids dank der Hip-Hop Chess Federation?
RZA: Korrekt. In
den Neighbourhoods gibt es viel Gewalt. Unlängst war ich in London, dort kommt
es oft zu Messerstechereien, weil die Jugendlichen nicht nachdenken, weil sie
ihren Verstand nicht trainieren. Aber wenn du Schach spielst, dann musst du das
Denken üben. Beim Schach darfst du richtig sauer werden, und du darfst das am
Brett rauslassen. Deine Wut kannst du mit deiner Strategie ausdrücken.
DR. R.GRALLA: Mit
Schach den Frust kanalisieren?
RZA: Du lernst,
deine Emotionen zu kontrollieren, das ist das Geheimnis der Martial Arts. Viele
denken, dem anderen ins Gesicht zu schlagen, das sei Martial Arts. Schau dir
Bruce Lee an: Martial Arts in Vollendung ist es, überhaupt nicht zuschlagen zu
müssen. Das Gleiche gilt für HipHop: Als die Kämpfe zwischen den Gangs in New
York eskalierten, haben sie dort einen Weg gefunden, zu kämpfen ohne zu kämpfen.
Das war der Anfang der Rap-Battle und der DJ-Battle, you know, und so ist HipHop
geformt worden.
Wu Tang Clan: Da mystery of chess boxin'
DR. R.GRALLA:
Sogar Will Smith hat sich als Schachfan geoutet. Ist der auch schon Ihrer
Hip-Hop Chess Federation beigetreten?
RZA: Noch nicht,
aber wir wollen ihn einladen. Eine Menge Leute in der HipHop Community spielen
Schach, angefangen bei MC Griff von Public Enemy bis zu Dilated Peoples. Die
möchten wir alle zusammenbringen.
DR. R.GRALLA: Sie
beweisen, dass Schach nicht bloß etwas für verschrobene Typen ist.
RZA: Genau!
Angeblich ist Schach etwas für Nerds, für Außenseiter und Waschlappen. Manche
halten Schach auch für ein Spiel der Weißen. Nein, Mann, Schach ist das Spiel
der Könige.
DR. R.GRALLA: Und
Schach hat Wurzeln in Afrika ...
RZA: ... so ist
es, in Äthiopien hat sich über die Jahrhunderte mit der eigenständigen Variante
Senterej eine afrikanische Spielkultur entwickelt.
DR. R.GRALLA:
Inzwischen hat der erste US-Amerikaner mit afrikanischen Wurzeln die Weihen
eines Großmeisters erlangt ...
RZA: ... yeah,
Maurice Ashley, und der ist supercool. Ich habe ihn in New York getroffen, an
meinem Geburtstag, und er hat mir zur Feier des Tages einen netten
Kuchen mitgebracht.
DR. R.GRALLA: Sie
haben Ihr eigenes Internetportal WuChess.com ins Netz gestellt.
RZA: Schüler
dürfen WuChess.com kostenfrei nutzen, ansonsten sind für die
Jahresmitgliedschaft 48 Dollar zu entrichten, das ist doch wirklich nicht zu
viel. Das Geld fließt an die Hip-Hop Chess Federation, auf diese Weise
finanzieren wir Schachveranstaltungen für Kinder im ganzen Land.
DR. R.GRALLA:
Anstelle von Diagrammen im altvertrauten Look präsentieren Sie auf WuChess.com
ein neues Design, mit stilisierten Kung Fu-Kämpfern als Springer.
RZA: Ich möchte
eine optische Fusion kreieren aus Martial Arts und Schach. Niemand kauft
Schachbretter heute. Hätten die ein zeitgemäßes Styling, würden die auch den
Kids gefallen.
DR. R.GRALLA: Sie
selber haben Schach gelernt als 11-jähriger von einem Mädchen. Das Ihnen dem
Vernehmen nach gleichzeitig auch die männliche Jungfernschaft genommen haben
soll ...
RZA: ... das
stimmt, sie brachte mir Schach bei, und sie brachte mir Sex bei. Was für eine
Nacht! (lacht) Genauer studiert habe ich das Spiel mit dem Buch von Susan
Polgar "Schachtaktik für Champions".
DR. R.GRALLA:
Haben Sie mal gegen Susan Polgar gespielt?
RZA: Bisher
leider noch nicht. Dafür bin ich im Teamchess gestartet mit der zweimaligen
US-Meisterin Jennifer Shahade.
DR. R.GRALLA:
Wollen Sie einen Titel im Schach holen?
RZA: Ich möchte
Internationaler Meister werden. Ich habe gehört, dass du das als Erwachsener
nicht mehr schaffen kannst, aber das glaube ich nicht. Momentan habe ich ein
Rating zwischen 1600 und 1700 ELO, und ich bleibe dran. I keep going.
DR. R.GRALLA: Wie
oft trainieren Sie Schach?
RZA: Wenn ich zu
Hause bin und keine Termine habe, durchschnittlich drei Stunden am Tag. Mit
Kumpels, die locker vorbeischauen. Meist zocken wir Blitzschach, aber kein
Bullet Chess, sondern in der Regel 10-Minuten-Partien. Fünf-Minuten-Partien
finde ich im Moment zu heftig.
DR. R.GRALLA:
Haben Sie eine Lieblingsfarbe?
RZA: Nein. Ich
nehme jede Seite des Brettes.
DR. R.GRALLA:
Sind Sie ein offensiver Spieler?
RZA: Ja, ich liebe den Angriff. Gerade deswegen gefällt mir auch eine alte
Eröffnung, die viele für wenig sinnvoll halten: das Königsgambit. Angeblich soll
das nichts bringen, aber ich l i e b e (sagt's mit besonderer Betonung)
das Königsgambit. Und mit dem Königsgambit habe ich das HipHop-Turnier gewonnen.
DR. R.GRALLA:
Themenwechsel vom Schach zur aktuellen Politik. Während des Vorwahlkampfes der
Demokraten im vergangenen Jahr hatten Sie noch Hillary Clinton unterstützt.
RZA: Als Bill
Clinton Präsident war, ging es den Afroamerikanern besser. Mehr Essen war auf
dem Tisch, es gab mehr Jobs. Seitdem Mister Bush den Laden übernommen hat, ist
das vorbei. Ich habe eine riesengroße Familie. Viele meiner Cousins sind
arbeitslos, viele meiner Brüder finden keinen Job. Hätte ich es nicht im
Musikbusiness geschafft, wäre meine Familie zusammengebrochen.
DR. R.GRALLA: Sie
können natürlich nicht allen helfen ...
RZA: ... wenn Sie
sich meine eigene Familie anschauen, kriegen Sie eine Vorstellung davon, wie es
um das Land als Ganzes steht. Ich bin kein besonders politischer Mensch, aber
als hat sich Hillary Clinton um die Präsidentschaftskandidatur der Demokraten
beworben hat, sagte ich mir, dass es besser wäre für unsere Sisters und
Brothers, wenn wir die Clintons zurück ins Präsidentenamt bringen könnten.
DR. R.GRALLA: Nun
ist jedoch statt Hillary Clinton deren demokratischer Mitbewerber Barack Obama
zum Nachfolger des Republikaners George W. Bush gewählt worden.
RZA: Ich habe
Obamas Aufstieg verfolgt, und wow, der Mann ist phantastisch! Er beeindruckt
mich wirklich: Ich schätze an ihm das, was er repräsentiert, nicht als
Schwarzer, sondern als Mensch. Egal, wie und wo du lebst, auf welchem Level auch
immer, du hast deine individuellen Qualitäten und Fähigkeiten. Nutze sie
und führe dein Leben wie ein Prinz, das ist die Botschaft von Barack Obama.
DR. R.GRALLA: Sie
haben im Sommer 2008 ein Soloalbum veröffentlicht. Leitet "Digi Snacks" Ihren
Abschied vom Wu-Tang Clan ein?
RZA: Wie der Clan
sich weiter entwickeln wird, weiß ich nicht. Mit "Digi Snacks" beginnt die Ära
von "Bobby Digital", das ist meine künstlerische Identität in dieser Produktion.
Und die Musik ist erst der Anfang, "Bobby Digital" wird eine Marke für Filme,
Videogames, Bücher.
DR. R.GRALLA:
Allerdings sind Sie inzwischen 39 Jahre alt. Wie lange können Sie glaubwürdig
HipHop machen?
RZA: Das liegt
doch an dir selbst - so lange du Lust drauf hast. Wer will dich dann stoppen?!
DR. R.GRALLA: "You
can't stop me now", das ist ein offenbar programmatischer Titel auf der CD.
ChessBaseDie ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.
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