"GELB UND WEINROT SIND UNSERE FARBEN!"
Jetzt rollt das Leder wieder bei der EM 2012 in Polen und der Ukraine. Und man
kann schon heute darauf wetten, dass anlässlich diverser Expertenrunden auf
allen TV-Kanälen unweigerlich das Stichwort "Rasenschach" fallen wird. Dass
"Rasenschach" tatsächlich mehr ist als eine Floskel, das demonstrieren
inzwischen die "fuß brothers" Jena, die beide Disziplinen, Balltreten und
Figurenschieben, gleichberechtigt nebeneinander pflegen. Die fitte Truppe hat
unlängst beim 2. Schachfußball-Turnier des SV Werder Bremen hinter dem Hamburger
SK und dem Team „Deep Chess“ den dritten Platz geschafft,
hier dazu der Bericht
. Über Kameradschaft auf dem
Heiligen Grün und die richtige Angriffsstrategie am Brett spricht „fuß brothers“-Gründungsmitglied Jan Richter, 41 - im Hauptberuf Lehrer für Deutsch,
Englisch und Französisch an einem Gymnasium - , mit ChessBase-Autor Dr. René
Gralla.
Jan Richter
Dr. René Gralla : Was machen die "fuß brothers" während der jetzt angebrochenen
Tage der EM?
Jan Richter: Wir schauen die Spiele, mit einem deutlichen Schwerpunkt auf den
Begegnungen der deutschen Mannschaft.
Dr. R. Gralla: Ihr Klub pflegt Fußball und Schachsport gleichberechtigt
nebeneinander. Was bedeutet das konkret?
J. Richter: Unter den Freizeitkickern gibt es erstaunlich viele Schachspieler,
und so sind wir auf die Idee gekommen, die "fuß brothers" zu gründen. Wobei sich
dann bald auch Synergien in umgekehrter Richtung entwickelt haben: weil
Schachspieler, die sich gesagt haben, ein bisschen Fußball nebenbei tut mir gut,
zu uns gestoßen sind. Einmal in der Woche trainieren wir Fußball, und einmal im
Monat ist ein Übungsabend im Schach angesetzt.
Dr. R. Gralla: Offenbar nehmen Sie gerade Fußball sehr ernst. Haben Sie schon
höhere Spielklassen im Visier?
J. Richter: Nein, im Gegenteil, wir sind in keiner Liga gemeldet, und wir
trainieren auch bloß auf dem Kleinfeld.
Dr. R. Gralla: Immerhin fahren Sie zu Wettkämpfen am Wochenende. So haben Sie
unlängst einen sensationellen dritten Platz geschafft bei einem kombinierten
Schach- und Fußballturnier des SV Werder. Wie lief das ab?
J. Richter: Nominiert wurden sieben Spieler, und die mussten für beide
Disziplinen zur Verfügung stehen. Man durfte also eben gerade nicht mit zwei
Teams anreisen, etwa eine Mannschaft für Fußball und eine für Schach! Erst stand
Fußball in der Halle auf dem Programm, vier Feldspieler und ein Torwart, und
dann wurde ein doppelrundiges Blitzturnier ausgetragen, an sechs Brettern. Im
Schach hatte man also einen Ersatzspieler zur Verfügung und im Fußball zwei. Für
den Endstand wurden die Ergebnisse in beiden Disziplinen saldiert.
Hier wird Geschichte geschrieben: Die „fuß brothers“ Jena bei SV Werder
Bremen vor einer Hallenwand mit einem Graffiti, das links den jungen Otto
Rehhagel zeigt. Foto: fuß brothers e.V. Jena
Dr. R. Gralla: Auf welcher Position spielen Sie?
J. Richter: Torwart, aus Altersgründen. Früher war ich Allrounder, habe von der
Verteidigung bis zum Angriff fast alles gemacht.
Dr. R. Gralla: Wie lange dauern die Partien im Fußball?
J. Richter: In Bremen waren das zehn Minuten, das können aber auch mal 15 Minuten
sein.
Mal im Geist der Drachenvariante das gegnerische Tor stürmen? Das Team der
fuß brothers Jena um Mastermind Jan Richter (links) diskutiert die richtige
Strategie in einer Spielpause des 2. Schachfußball-Turniers des SV Werder
Bremen.
Foto: fuß brothers e.V. Jena
Dr. R. Gralla: Einer der Großen im deutschen Fußball, Felix Magath vom VfL
Wolfsburg, behauptet gerne, dass er am Schachbrett für seine Strategien auf dem
Platz inspiriert worden sei. Ist da was dran? Immerhin gibt es analog zur
Faustregel im Schach, dass man durch das Zentrum zu attackieren habe, auch eine
Theorie im Fußball, dass der Angriff durch die Mitte dem Marsch über die Flügel
vorzuziehen sei.
J. Richter: So genau haben wir eigentlich noch gar nicht darüber nachgedacht. Immerhin
pflegen wir die Brüderlichkeit, dafür steht schließlich schon das "brothers" im
Vereinsnamen, und das merkt man auch auf dem Platz: Bei uns gibt es keine
ballverliebten Dribbelkünstler, sondern es wird kein Laufweg gescheut, und das
Passspiel wird gepflegt, mit dem richtigen Moment der Abgabe für einen
erfolgreichen Abschluss. Insofern sind wir dann doch eher eine Mannschaft, die
über die Flügel kommt, mit dem tödlichen Pass in die Mitte beziehungsweise dem
Rückpass hinter die Reihen der gegnerischen Abwehr.
Am Brett Pläne für das Stadion schmieden: Felix Magath 1985 in seinem Haus in
Quickborn während einer Partie, die er anlässlich eines Interviews für das
„Hamburger Abendblatt“ gegen den Autor René Gralla (Fotos: A. Laible) gespielt
hat.
Nachfolgend das Protokoll der denkwürdigen Begegnung zum Nachspielen: