"Higher League" der Russischen Meisterschaften

von ChessBase
27.05.2004 – Die besten Spieler Russlands, darunter die drei Weltmeister Kasparov, Karpov und Kramnik, werden am Superfinale der Russischen Meisterschaften im kommenden Herbst teilnehmen. Sechs Spieler qualifizieren sich über zwei Vorturniere, die gerade in Tomsk und in St. Petersburg durchgeführt werden. Während in Tomsk nach vier Runden Artyom Timofeev (3,5) vorne liegt, wird das Turnier in St. Petersburg von Alexei Dreev dominiert, der 4,5 Punkte aus den ersten fünf Runden machte. Besonders in St. Petersburg herrscht große Kampfstimmung mit wenig Remis, was vielleicht am Anblick des Schlachtschiffs "Aurora" liegt, dem Symbol der Revolution von 1917, das draußen am Ufer der Newa festgemacht ist. Misha Savinov ist in St.Petersburg und hat uns einen Bericht vom Turnier geschickt. Die Partien aus Tomsk zum Nachspielen... Die Partien aus St. Petersburg zum Nachspielen...Bericht aus St. Petersburg...

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Die Russische Meisterschaft: "Higher League" in St.Petersburg
Von Misha Savinov

Seit 1899, als die erste Russische Meisterschaft organisiert wurde – Sieger Michail Tschigorin – hat die Veranstaltung viele Höhen und Tiefen erfahren. Manchmal war die Meisterschaft sogar stärker besetzt als das Kandidatenturnier, so 1973. Manchmal wurde sie von fast allen starken Spielern ignoriert wie 1984. Auch das Format änderte sich im Laufe der Zeit häufig, von komplizierten mehrstufigen Qualifikationsturnieren bis hin zum liberalen Schweizer System. Das klassische System war natürlich das Rundenturnier, bei dem jeder gegen jeden antritt. Meist nahmen eine gleiche Anzahl eingeladener bzw. vorqualifizierter und qualifizierter Spieler teil.

Die Russischen Meisterschaften neuerer Zeit hatten mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen, besonders in den frühen 90ern. 1994 wurde sie von dem neuen Star Peter Svidler gewonnen, vor den Mitbewerbern Mikhail Ulibin und Sergey Rublevsky. In den folgenden Jahren nahmen fast alle Topspieler teil, Svidler (jetzt schon vierfacher Meister), Khalifman, Bareev, Morozevich, Dreev, Sakaev, nur nicht die drei Weltmeister Karpow, Kasparov und Kramnik. Das Schweizer System war den Elitespielern nicht angenehm, nicht zu sprechen von den (für sie) recht schmalen Preisgeldern und vielleicht noch anderen Gründen.

Erst 2004, nach vielen Jahren der Brutalität des Schweizer System und kurzem Flirt mit einer K.O.-Lotterie, sind die Organisatoren der Russischen Meisterschaften wieder zum guten alten Rundenturnier zurück gekehrt, wodurch man wieder die besten Spieler zur Teilnahme bewegen konnte, dadurch Aufmerksamkeit in den Medien bekam, dadurch Sponoren gewinnen konnte, dadurch die besten Spieler einladen konnte, usw....

Auf der obersten Stufe der Leiter der Russischen Meisterschaften steht nun das Superfinale, das mit etwa $ 300.000 Preisgeld so attraktiv ist, dass man Kasparov, Kramnik, Karpov, Svidler, Grischuk, Bareev und Morozevich für die Teilnahme interessieren konnte. Hinzu kommen sechs Qualifikanten. Das Turnier wird im herbst stattfinden. Datum und Ort stehen noch nicht fest.

Ein Stufe darunter sind zwei Qualifikationsturniere angesiedelt, eins in Tomsk und eins in – St. Petersburg. Es wäre nicht richtig, sie nur als Qualifikationsturniere zu beschreiben. Angesichts der Stärke der Teilnehmer und der Preisgelder sind sie weit mehr als das, eine unabhängige „Higher League“ der Russischen Meisterschaft. Die eigentlichen Qualifikationsturniere waren schon zuvor gespielt worden.

St. Petersburg, die frühere Hauptstadt des Russischen Reiches, ist eine 5-Millionen-Stadt, die heute, am 27. Mai, ihr 301-jähriges Bestehen feiert und 1998 Gastgeber der Russischen Meisterschaften war. Es war eins der stärksten Schweizer-System-Turniere überhaupt und Alexander Morozevich gewann im Stichkampf. Diesmal ist Alexander Dreev (2689) der Elo-Favorit, gefolgt von Alexander Khalifman (2668) und Konstantin Sakaev (2665). Das Preisgeld beträgt $50,000, von denen $10,000 auf den ersten Preis entfallen. Hauptsponsor ist die Viking Bank.

Die Spieler wohnen und spielen im St.Petersburg-Hotel, das am Neva-Ufer liegt. Von der Spielhalle hat man einen großartigen Blick auf den Fluss.


Die Spielehalle

Runde 1

Alexey Ustaev, der Präsident der St. Petersburger Schachföderation und der Viking Bank machte den ersten Zug des Turniers. Alexey Dreev war mit dessen Wahl sehr zufrieden, nämlich mit 1.d4. Als er zuletzt etwas anderes als diesen Zug probierte, 1.e4, folgte ein fünfzügiges Remis gegen Peng Xiaomin 1999.

Dreev gewann seine erste Partie gegen den Moskauer Spieler GM Alexander Riazantsev auf überzeugende Weise und demonstrierte dabei ein besseres positionelles Verständnis und die bessere Endspieltechnik. Was vielleicht noch wichtiger is. Alexey Dreev zeigte sich auch physisch bestens vorbereitet. Obwohl er der ältere der beiden Spieler war, sah  er nach der 53-zügigen Schlacht nicht im Mindesten müde aus. Von den anderen Favoriten gewannen nur Sergey Volkov und Vladimir Epishin, beide mit den schwarzen Steinen. Pawel Tregubov, erster Europameister der ECU, hätte mit diesen gleich ziehen können, doch er stellte in gewonnener Stellung gegen GM Vladimir Belov eine Figur ein und machte Remis.

Der jüngste Teilnehmer ist der 13-jährige IM Ian Nepomniashchy. 2002 schlug er Magnus Carlsen und wurde U12 Europameister. Er hielt seine Partie gegen  against GM Yevseev remis. Ian besitzt großes Selbstvertrauen und qualifizierte sich durch seinen Sieg bei der Russischen U18-Meisterschaft.

 


Ian Nepomnjaschij

Das Treffen zwischen dem Meister von Moskau 2003 und dem von St.Petersburg 2004, Najer gegen Loginov, endete mit einem Sieg von Weiß.


Najer - Loginov

Najer war sehr aggresiv im Mittelspiel und bekam nach dem Opfer des b-Bauern einen starken Angriff. Loginov verteidigte sich zäh, verlor seinen Mehrbauern und einen weiteren Bauern, opferte einen Springer und erzeugte ernste technische für seinen Gegner. In der kritischen Phase wurde Loginov zweimal durch ein Piepen der Uhr am Nachbartisch gestört. Beim zweiten Piep rief er „Macht die Uhr aus!“ und machte dabei den entscheidenden Fehler, indem er die Gelegenheit zum forcierten Remis verpasste.

Runde 2

Zu seinem Pech verpasste Valery Loginov in der zweiten Runde gleich noch ein Remis. Valery ist ein starker und angesehner Großmeister, aber manchmal macht er ganz fürchterliche Fehler. Bei der diesjährigen St. Petersburger Meisterschaft akzeptierte Loginov ein Remis nach einer Pattkombination in Folge eines Turmopfers, doch in Wirklichkeit war der gegnerische König gar nicht Patt. Etwas Ähnliches passierte in seiner Partie gegen Burmakin. In einem theoretischen Remisendspiel gab er seinen Freibauern auf, um Patt zu forcieren. In Wirklichkeit war es Matt in 1.


Analyse mit Burmakin (li.)

Alexey Dreev gewann seine zweite Partei. GM Alexey Kuzmin fand keinen Weg, um mit Weiß das Spiel im Meraner auszugleichen. Dreeev startete einen Angriff und gewann in 43 Zügen.


Kuzmin

Alexsander Khalifmans Gegner war der St. Petersburger GM Sergey Ivanov, der kein Profi ist, sondern als Ingenieur arbeitet. Er ist als Spezialist der Französischen Verteidigung und Khalifman war nicht in der Lage, diese zu durchbrechen.


Alexander Khalifman (li.)

Nach zwei Runden ging Vladimir Epishin (Siege gegen den jungen FM Evgeny Romanov aus Kaliningrad) zusammen mit Dreev in Führung. Sergey Volkov hatte gegen Evgeny Shaposhnikov gute Siegchancen, verpasste aber einige gute Möglichkeiten und musste sich mit Remis begnügen.

Das Turnier ist aber nicht nur Schauplatz vieler Schlachten am Brett, man kann auch alte Freunde treffen.


Konstantin Landa und Sergey Domatov

Runde 3

Vielleicht hat ja das Symbol der 1917-Revolution, das Schlachtschiff Aurora, die Spieler zu mehr Kampfgeist angespornt. In Runde 3 wurden gleich 10 von 17 Partien entscheiden.


Schlachtschiff Aurora

Der kaltblütige Dreev wartete, bis sein Gegner Epishin einen zu impulsiven Zug machte und regierte darauf aufmerksam und effektiv. Nach erneuter Demonstration seiner technischen Fähigkeiten holte er sich den dritten Punkt. Alexander Khalifman kam zu seiner ersten Gewinnpartie gegen IM Oleg Nikolenko, einen sehr erfahrenen Blitzspieler.


Probleme gegen Khalifman: Nikolenko

Auch Vadim Zvjaginsev, einer der originellsten Spieler im Feld, gewann seine erste Partie. Er schlug IM Vladimir Dobrov.


Vadim Zvjaginsev

Die Internet-Berichterstattung wird von "Shahcom" ( www.ruschess.com) organisiert. Einige Uhren erwiesen sich als defekt und wurden ausgetauscht, aber Alles in Allem verläuft die Übertragung ohne Problem.


Support Team der Internet-Mannschaft

Round 4


Blick auf die Spitze von oben.

Volkov – Dreev, eine Schlüsselpartie, war in dieser Runde die längste. Dreev entschied sie für sich. Im 30sten Zug verlor Volkov einen Bauern am Damenflügel und musste danach ums Remis kämpfen, was er aber nicht erreichte.


Alexei Dreev

Im 73.Zug gewann Dreev nach sorgfältigem Spiel. Dreev ist übrigens einer der wenigen Spieler, die mit Sekundant angereist sind. Andere sind Ian Nepomniashchy (GM Sergey Janovsky) and Evgeny Romanov (GM Yury Balashov).


Dreev mit Rainer Filiipenko

Vitaly Tseshkovsky ist zweimaliger UdSSR-Meister, seine Teilnahme an der diesjährigen Meisterschaft war etwas überraschend. Ebensowenig hatte man seine his "+2" mit einer Performance von +2700 bei der letzten Meisterschaft 2003 in Krasnojarsk erwartet. In dieser Runde spielte er gegen Konstantin Sakaev, einen der Favoriten. Sakaev spielte auf gewinn, doch sein Figurenopfer beeindruckte den Veteran nicht, der sich den dritten Punkt und Platz zwei holte.


Das Figurenopfer

Alexander Khalifman schlug Evgeny Alekseev und machte sich damit zum Mitfavoriten auf den Titel. Khalifman verliert nach schwachem Start häufig das Interesse an einem Turnier. Aber nach 3/4 wird er um den Titel kämpfen. Auch . Vladimir Epishin ist nach seinem Sieg über Sergey Ivanov wieder bei "+2".

FM Evgeny Romanov gewann eine 19-Züge-Miniatur mit Schwarz gegen GM Valery Popov nach einem Eröffnungsunglück von Weiß, an dem aber sicher nicht der Trainer schuld ist..


Romanov und sein Trainer GM Yury Balashov

Runde 5

Schließlich hat es doch noch jemand geschafft, den Durchmarsch von Dreev zu stoppen. Natürlich wünsche ich Alexey, dass er das Turnier gewinnt, aber wenn einer jede Partie gewinnt, ist das der Spannung etwas abträglich. Ausgerechnet Vitaly Tseshkovsky war es, dem es gelang den Tabellenführer ein Remis abzunehmen. Er überraschte seinen Gegner mit dem Wolgagambit und gleich leicht aus.


Dreev gegen Tseshkovsky

Unter den Teilnehmern befinden sich eine Reihe von Teenagern, die noch Großmeister werden möchten, darunter Andreikin (14), Romanov (16) und Nepomniashchy (13), die sich bisher sehr gut geschlagen haben.


Pavel Tregubov: Vor der Anlayse

Eine interessante Partie lieferten sich Vladimir Dobrov und Valery Popov. Weiß hatte Dame, Springer und Bauern, Schwarz Dame und vier Bauern. Bald hatte Weiß seinen Vorteil verspielt und musste ums Remis kämpfen, um am Ende nach 7 Stunden doch noch die Niederlage hinzunehmen.


Popov

St. Petersburg ist stolz auf seine “weißen Nächte”. Die Sonne scheint bis in die Abendstunden und direkt in den Turniersaal hinein.

Die Medien zeigen nur geringes Interesse am Turnier, soweit ich beobachtet habe. Zwei nationale TV-Sender hatte Kamera-Teams geschickt und einige Korrespondenten lokaler Zeitungen waren vor Ort.  Auch zuschauer waren nicht sehr viele da. Vielleicht wurde zuwenig Werbung für das Turnier gemacht. Doch die, die da sind, können bestes Schach auf hohem Niveau genießen, außerdem die fachmännischen Kommentare von  GM Evgeny Solozhenkin und WIM Irina Sudakova.


 

St. Petersburg - Stand nach 5 Runden:

Dreev (2689) - 4,5
Tseshkovsky (2564) - 4
,
Epishin (2610) and Khalifman (2668) - 3,
5
Andreikin (2418), Landa (2550), Najer (2606), Romanov (2392), Sakaev (2665), Shaposhnikov (2559), Tregubov (2636), Volkov (2629), Yakovich (2596), Yevseev (2580) and Zvjaginsev (2654) - 3,
Alekseev (2615), Belov (2543), Danin (2332), Ivanov (2546), Popov (2547) and Riazantsev (2555) - 2S,
Burmakin (2570), Dolmatov (2573), Ionov (2548), Kurnosov (2543), Kuzmin (2567), Nepomniashchy (2445), Nikolenko (2520) and Solovjov (2458) - 2,
Dobrov (2443), Gleizerov (2591) and Loginov (2516) - 1
,5,
Silivanov (2291) - 1,
Shapovalenko - 0.

Tomsk - Stand nach vier Runden

1. Timofeev, Artyom 3.5,
2. Khismatullin, Denis 3.0 Inarkiev, Ernesto 3.0 Korotylev, Alexey 3.0 Filippov, Valerij 3.0,
6. Motylev, Alexander 2.5 Ulibin, Mikhail 2.5 Jakovenko, Dmitry 2.5 Kharlov, Andrei 2.5 Kornev, Alexei 2.5 Rublevsky, Sergei 2.5 Gajsin, Evgenij 2.5 Dvoirys, Semen I. 2.5 Shariyazdanov, Andrey 2.5 Rustemov, Alexander 2.5
...

36 players

 

 

 


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