„Ich möchte gern Marathon laufen!“
Interview mit Boris Spasski zum Geburtstag Von Dagobert Kohlmeyer
Boris Spasski beging am heutigen Mittwoch in Moskau seinen 76. Geburtstag. Er tat es in aller Stille. Trotzdem war sein Telefonanschluss an diesem Tag natürlich oft besetzt. Nach einigen Versuchen habe ich ihn dann erreicht, es ist Tradition, dass ich ihm jedes Jahr zum Geburtstag gratuliere.
(Foto: Boris Spasski)
Voriges Jahr befand sich Spasski zu seinem 75. Jubiläum noch in Paris, im Sommer machte er dann durch seine Flucht aus Frankreich Schlagzeilen. Der Exweltmeister wollte weg von seiner Ehefrau Marina, die ihn dort festhielt, und nach Russland. Das bestätigte er mir jetzt in unserem Gespräch. Spasski ist also nicht entführt worden, wie es zwischendurch fälschlich hieß. In den vergangenen Monaten wollte ich Boris nicht stören, der Geburtstag erschien mir aber als guter Anlass, mich nach seinem Befinden zu erkundigen. Sicher interessiert es auch einen größeren Kreis von Schachfreunden, wie es dem 10. Weltmeister nach seinem zweiten Schlaganfall jetzt geht. Spasski hat eine russische Lebensgefährtin, deren Namen ich aber hier nicht öffentlich machen möchte. Sie begrüßte mich kurz am Telefon und reichte dann den Hörer weiter.
Boris, herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag! Wie geht es dir?
Danke, den Umständen entsprechend gut. Ich fühle mich besser als vor ein paar Monaten.
Macht deine Gesundheit Fortschritte?
Ja, aber es geht sehr langsam. Dennoch arbeite ich an meiner Fitness und an meiner Beweglichkeit. Irgendwann werde ich wieder Marathon laufen.
Alle Achtung, Boris!
Ich meine nicht die Kurzstrecke, sondern 42 Kilometer.
Du bist humorvoll wie immer. Beschäftigst du dich auch mit Schach?
Ja, ich schaue mir Partien im Internet an, zuletzt die Spiele von Wijk aan Zee.
Bobby Fischer ist jetzt schon fünf Jahre tot. Denkst du manchmal an ihn?
Ja, ich denke oft an ihn. Leider ist Bobby nur 64 Jahre alt geworden. Ich hätte nicht gedacht, dass ich meinen Schachbruder einmal um 12 Jahre überlebe.
Das ist schon eine stolze Zahl. Ich habe gerade ein Buchmanuskript über Fischer beendet.
Das ist prima. In welcher Sprache kommt das Buch heraus?
In Deutsch.
Ich lese etwas Deutsch.
Wo wohnst du in Moskau mit deiner Lebensgefährtin?
Am Rjasaner Prospekt.
Bleibst du jetzt für immer in Russland?
Ich weiß nicht. Im Moment habe ich jedenfalls nicht die Absicht, nach Frankreich zurückzukehren.
Wie ich gesehen habe, nimmst Du in Moskau und anderswo noch am russischen Schachleben teil. Das ist großartig.
Ja, ich besuche hin und wieder Veranstaltungen, zum Beispiel das Handicap-Turnier Wasjukows im Zentralen Schachklub kurz vor dem Jahreswechsel. Dort gewann Alexander Grischuk. Der Politiker Alexander Shukow war auch dort. Er spielt gar nicht so schlecht.
Boris, danke für das Gespräch, und vor allem bleib gesund!
Jewgeni Wasjukow war so nett, Fotos von dem Turnier in Moskau zu schicken, bei dem Boris Spasski als Ehrengast begrüßt wurde. Die Bilder hat W. Barski geschossen. Auch wenn der Exweltmeister von der Krankheit gezeichnet war, beeindruckte er nach den Worten Wasjukows alle Anwesenden durch seinen großen Optimismus. Das Turnier hatte eine starke Besetzung, es gewann Alexander Grischuk vor Maxim Dlugy.
Boris Spasski spricht mit Anatoli Kremenezki, rechts Wasjukow
Spasski und Tamara Saizewa
Eröffnung des Turniers - von links: Alexander Shukow, Boris Spasski, Jewgeni Wasjukow
Alexander Nikitin, Wladimir Shelnin
Anton Kusin und Anna Wesenina
Alexander Grischuk, Natalja Shukowa mit Tochter Maria und Anatoli Bychowski
Sergej Smagin, Alexander Slotschewski
Anton Kusin, Wadim Swjaginzew
Grischuk - Kobalija
Daniel Dubow - Maxim Dlugy
Sergej Sagrebelnij - Anna Burtassowa
Jewgeni Wasjukow
Alexander Shukow - Sergej Nesterow
Alexander Nikitin, Anatoli Bychowski
Turniersieger Grischuk
Zweiter wurde Maxim Dlugy