Nachdruck aus Neues Deutschland mit freundlicher
Genehmigung
Findet die
Marssonde "Phönix" auch Spuren vom mysteriösen "Jetan Sarang"?
Von Dr. René Gralla
Strahlend schön
sind diese Tage. Ein Sommer ohne Ende, wer will sich da schon Sorgen machen?
Aber schleichend steigen die Temperaturen, langsam beginnen Seen und Flüsse
auszutrocknen. Wasserreserven schwinden, um das kostbare Gut beginnen gnadenlose
Verteilungskämpfe.
Zukunftsangst
breitet sich aus, deswegen organisieren die Mächtigen große Spiele, in Stadien
vor tausenden von Zuschauern, das Volk soll bei Laune gehalten werden. Dieses
Szenario, das der amerikanische Autor Edgar Rice Burroughs (1875 - 1950) in
seiner ersten Story "Unter den Monden des Mars" 1912 entwirft und in einer sich
anschließenden Fantasy-Reihe über den Roten Planeten weiter ausmalt, hat vieles
von dem vorweggenommen, was Zukunftsforscher heute der Erde prophezeien, falls
der Klimawandel nicht gestoppt wird.
Und auch die Strategie der Mächtigen, die
Massen mit Spielen von den wirklichen Problemen abzulenken, ähnelt in der
Fiktion ominös der aktuellen Gegenwart. Bloß dass es jetzt der Fußball ist, der
die Menschen den Alltag vergessen lässt, während auf Barsoom, wie Burroughs
unseren fernen Nachbarn im Sonnensystem nennt, zwei Teams einen Kampfsport
ausfechten, dessen verschiedene Akteure jeweils bloß bestimmte Bewegungen nach
genau festgelegten Regeln ausführen dürfen.
"Jetan", so heißt
im 1922 veröffentlichten Band "The Chessmen of Mars" das ritualisierte
Käftemessen, wie wir von Burroughs lernen, der dauerhaften Nachruhm erworben hat
durch die Erfindung des Dschungelmenschen Tarzan.
Das marsianische Duell auf
einem 100-Felder-Brett zwischen Häuptlingen und Prinzessinnen, Fliegern und
Dwars, Thoats und anderen extraterrestrischen Gestalten orientiert sich bis zu
einem gewissen Grad am irdischen Schach, endet allerdings oft in einem
Unentschieden, wie die Praxis gezeigt hat (Regeln des "Jetan" bei:
http://www.chessvariants.com/other.dir/jetan.html).
Findige Erdlinge
hat das nicht ruhen lassen. Und als Ergebnis diverser Testreihen ist inzwischen
das verbesserte "Jetan Sarang" herausgekommen: dank James Killian Spratt, einem
58-jährigen Bildhauer aus dem US-Bundesstaat North Carolina, der mit seiner
Version des Basis-"Jetan" die literarische Welt des Mars-Biographen Burroughs
transformiert hat in eine Miniaturarena aus 12 mal 12 Feldern.
James Killian Spratt
Samt Figuren aus
dem eigenen Atelier, wobei die weiblichen Protagonisten, die eine wichtige Rolle
im "Jetan Sarang" spielen, auffallend leicht bekleidet sind, eine Konsequenz der
hohen Temperaturen auf dem Mars.
Auf dem Mars ist es heiß
Rot misst sich
nun mit Blau, jede Seite verfügt über 36 Kämpfer beiderlei Geschlechts, und es
gibt drei Wege, eine Partie zu gewinnen: gegnerische Königin - die "Jeddara" -
samt Prinzessinnen gefangennehmen; eine der eigenen Amazonen bis zur Basis des
feindlichen Camps durchbringen; alle Männer der anderen Partei ausschalten.
Siehe die ausführliche Regelkunde bei:
http://www.chessvariants.com/link2.dir/jetan_sarang.html ("Jetan Sarang"
kann online gespielt werden auf:
http://play.chessvariants.org/pbm/presets/sarang_jetan.html).
Eine virtuelle
Reise in den interplanetarischen Raum. Und wer weiß: Falls die gerade gelandete
Marssonde "Phönix" tief genug gräbt, vielleicht buddelt sie am Ende doch noch
einen verwitterten Set "Jetan Sarang" aus.
Der Mars, von der Marssonde Phönix aus gesehen