25 Jahre Bühne, 10 Jahre CD-Laufwerk
Von André Schulz
Wenn Matthias Deutschmann nicht
auf der Bühne steht, oder sein Programm vorbereitetet, dann treibt es ihn zum
Schach. Zum Beispiel auf dem Fritz-Schachserver, wo er als Rasumowski sein
schachliches Unwesen treibt.
Matthias Deutschmann bei Thalia in Bremen
Bullet spielen, chatten, kommentieren, alles kein Problem.
Oder aber im Verein. Das ist in diesem Fall der SK Zähringen, für den er in seiner Jugend und auch danach noch in der Bundesliga
gespielt hat und für den er heute immer Mannschaftswettkämpfe bestreitet. Wenn
seine Gegner ihre Partien aufgeben müssen, kommt es häufiger vor, dass einer
einen Stoßseufzer macht: "Das kenne ich ja: gegen Fritz verlieren."
Simultan gegen Viktor Kortschnoj
Kortschnoj: "Fritz sagte zu mir: Ich kenne 1 Mio. Eröffnungen. Dann sage ich:
Aber nicht dir richtigen!"
Wer Mattias Deutschmanns Gesicht nicht kennt, schaut sofort auf, sobald seine
Stimme ertönt. In der Schachszene ist die Stimme noch bekannter als der Name
ihres Inhabers. Aber nicht nur in den Spielsälen. Als Deutschmann einmal in
einem Supermarkt an der Kasse in der Schlange steht und sich mit jemandem
unterhält, dreht sich ein Mann vor ihm verblüfft um und fragt: "Sind Sie etwa
Fritz?"
Vor 10 Jahren wurde mit der
Version Fritz5 erstmals bei einem PC-Programm eine so genannte kontextsensitive
Sprachausgabe geplant und es war schnell klar, dass Matthias Deutschmann dafür
die ideale Besetzung sein würde. So bekam Fritz nicht nur eine Stimme, sondern
auch Esprit, in Teilen und durchaus gewollt nach dem Vorbild von Wiener
Kaffeehaus-Schwadroneuren. Deutschmann kennt wie jeder Schachclubblitzspieler
seine Pappenheimer.
"Noch Spruch - Kieferbruch"
Was könnte man dazu Gescheites sagen?
Vielleicht, Moment, gleich hab ich's...
Jetzt geht's los
Na bitte, geht doch (Deutschmann bei Fritz-Aufnahmen)
Im Nu machten die Sprüche auf Tausenden von Rechnern mit installiertem Fritz die
Runde. Zuerst wurden sie auf CD und dann in die Hirne der Spieler eingebrannt,
die diese dann wieder bei ihren freien Blitzpartien im Verein zitierten.
Am letzten Sonntag feierte
Matthias Deutschmann im Freiburger E-Werk, das nun Kultur statt Strom erzeugt,
sein 25-jähriges Bühnenjubiläum. Angefangen hatte er als Hausbesetzer im
Freiburger Jugendprotest, entdeckte sich selbst als Wortführer und ging mit
Freunden als "Schmeißfliegen" auf Tournee. Die ersten Rezensionen wären für
andere wohl niederschmetternd gewesen, doch das Attest, habe habe sich "die
Gestik wohl bei Madame Tussot ausgeliehen" kann von einem Schachspieler
vielleicht sogar noch als überschwängliches Lob verstanden werden.
Deutschmann ging nach Berlin und
nahm ein Cello mit, mit dem er auf der Bühne ans Kabarett der Gründerzeit im
Berlin der 20er und 30er Jahre anknüpfte. Während andere ins Comedy-Fach
abschmierten ("German Comedy - die deutsch Antwort auf die englische Küche!"),
bleib Deutschmann dem politisch-literarischem Kabarett verbunden: bisweilen
bissig wie Wolfgang Neuß, manchmal nachdenklich wie Hans-Dieter Hüsch.
Zum 25-jährigem Bühnenjubiläum sprach Dieter Salomon die Laudatio. In seiner
freien Rede offenbarte der Freiburger Oberbürgermeister sein eigens großes
Talent als möglicher Kabarettist und pointierter Sprecher und unternahm einen
kleinen Streifzug durch die letzten 20 Jahre Freiburger Kabarett- und
Kulturgeschichte. Deutschmann, der über Berlin bekannt wurde, aber immer
Freiburger blieb und inzwischen dorthin zurück gekehrt ist, nimmt dabei keine
geringe Rolle ein.
Der Geehrte und eigentliche Kabarettist folgte dem Politiker, wie ja das
Kabarett immer der Politik folgt, aber laut Deutschmann zumeist zu spät kommt,
und lieferte einen Rückblick auf das eigene Schaffen, mit vielen Anspielungen
auf das politische Tagesgeschehen und dabei darüber klagend, dass dem Kabarettisten
immer mehr der Boden unter dem Füßen weggezogen wird, wenn die klassischen
"Grundnahrungsmittel" des Kabaretts, wie z.B. Franz Josef Strauß alle hinweg
gerafft sind, und es dabei auch keine sichtbaren Gegenkonzepte mehr gibt. Der
Zustand der Gesellschaft lasse sich nun am einfachstem auf folgende Formel
bringen: "Plem Plem!"
Auch Schach kam vor, allerdings
nur am Rand: "Ein große Deutsche Bank, ich sage nicht welche, wirbt mit Schach.
Da sitzt ein Mann am Schachbrett, irgendeine sinnlos zusammengewürfelt Stellung,
und grübelt. Plötzlich merkt man: Er hat ja gar keinen Gegner. Wenn Sie aber ihr
Geld der Bank geben, überlegen Sie mal, wer dann ihr Gegner ist."
Wer mehr Schach mit Deutschmann will, holt sich am besten Fritz8, falls nicht
schon geschehen, oder wartet auf Fritz9, bei dem im kommenden Herbst noch einmal
das Sprücherepertoire kräftig erweitert wird.
Videoausschnitt... (aus einer Privatvorstellung während der Buchmesse in
Frankfurt)