"Viking" gewinnt schwedische Mannschaftsmeisterschaft

von ChessBase
20.03.2012 – Die südwestlich von Stockholm liegende Stadt Västeras hat sich inzwischen hinter Stockholm und Göteburg zur dritten Hochburg im schwedischen Schach entwickelt. Nach einigen Open-Turnieren und der schwedischen Einzelmeisterschaft waren die Schachfreunde des SK Västeras diesmal Gastgeber der letzten Runden der schwedischen Mannschaftsmeisterschaft "Eliteserien". Zumeist liefern sich die drei Spitzenvereine Rockade Stockholm, Lund (Mälmö) und Viking (Täby) einen Dreikampf um den Titel. Im letzten Jahr konnte Lund Viking die schon sicher geglaubte Meisterschaft noch entreißen. Deshalb ging Vikings Mäzen Peter Hlawatsch diesmal auf Nummer Sicher und bot in seinem 20er-Kader elf Großmeister auf. Tatsächlich gewann die Mannschaft den Titel. Auf der nachfolgenden Sitzung des schwedischen Schachverbandes wurde jedoch finanzielle Unregelmäßigkeiten publik, was dazu führte, dass der Viking-Mäzen seinen kompletten Rückzug vom Schach erklärte - ein Novum im schwedischen Schach. Jürgen Brustkern berichtet.Turnierseite...  Schwedischer Verband...Bericht, Tabellen, Partien...

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Team Viking gewinnt mit Rekordergebnis schwedischen Titel!
Lund ASK von Stockholmer Großmeistergladiatoren  enthront!

Von FM Jürgen Brustkern

Die Endrunde der schwedischen Mannschaftsmeisterschaft wurde nach 2011 zum zweiten Mal in Folge in der 120 Km südwestlich von Stockholm liegende Stadt Västeras ausgetragen. Die 150.000 Einwohner zählende Industriestadt (ABB Verkehrtechnik hat hier ihre Zentrale) mausert sich neben der Schachburg Stockholm und Göteburg seit einigen Jahren zur heimlichen Schachhochburg.

Der SK Västeras (SKV) organisiert z.B. seit 2009 einer der größten Open-Turniere in ganz Schweden (im Vorjahr mit der Rekordteilnehmerzahl von 258 Spieler) und im letzten Jahr führte man mit knapp 500 Teilnehmer die Schwedischen Meisterschaft durch. Ende April wird die Endrunde der Schwedischen Schulmeisterschaft ausgetragen (ausschließlich für die 4.Schulklasse gibt es landesweit Wettkämpfe) und man erwartet hier über 2000 Tausend junge Menschen!

Der „Macher“ hinter diesen gewaltigen Organisationsleistungen ist der 40 Jährige André Nilsson. Der starke Fide-Meister plant mittelfristig, seinen Heimatverein zu einem Schachzentrum auszubauen. Der SKV verfügt über ausgezeichnete Bedingungen  um diesen Anspruch gerecht zu werden, denn neben einem einem eigenen Vereinsheim kann der Klub mit Unterstützung des Arbeitsamtes eine Vollzeitkraft (!) beschäftigen.

Gastgeber der zehn ELITE und „Superettan“ (hier werden die zwei Aufsteiger ausgespielt) Teams war erneut das im Jugendstil erbaute sogenannte Stadthotel.

Titelralley!

In Schweden  kommen nur sehr wenige Profis zum Einsatz und im Unterschied zu der Deutschen Bundesliga gibt es bei der Aufstellung keinerlei Auflagen. Seit Jahren gibt es im Prinzip gibt es nur drei Klubs die die Meisterschaft unter sich aus machen:

Der Traditionsverein „Rockade Stockholm“ setzt seit  Jahren auf schwedische Titelträger, wohingegen die beiden Titelaspiranten Lund (ein Vorort von Malmö) und Viking (beheimatet in Taby einem Vorort von Stockholm) sich seit 5 Jahren mit ausländischen Spitzen-GM quasi einen Zweikampf  um die Meisterschale liefern.

Lund SK  konnte im Vorjahr den damaligen haushohen Favoriten Viking im letzten Moment die sicher geglaubte Meisterschaft entreißen, und der Frust des „Viking“ Sponsors Peter Hlawatsch war entsprechend groß. Der Immobilienunternehmer Hlawatsch wollte in dieser Saison 2011/12 nichts dem Zufall überlassen und heuert im 20er Kader sage und schreibe 11 Großmeister an!

Nach der Auftaktveranstaltung in Malmö -hier wurde die ersten drei von 9 Runden gespielt- lag Viking schon nach Brettpunkten (wie Deutschland 8 Bretter) deutlich vor dem amtierenden Meister. Das stark abgespeckte Malmö-Team um den amtierenden Schwedischen Meister Hans Tikkanen und dem EU-Jugendeuropameister Nils Grandelius  stolperte in der“ Halbzeit“ mit einer klaren Niederlage gegen Limhamn und hatte vor der Schlussveranstaltung schon zwei Mannschaftspunkte Rückstand.

Le Grand Finale!

In Västeras wurden die letzten drei Runde ausgetragen und Hlawatsch zeigte mit einer erneuten“ Aufrüstung“, dass die Wikinger ELO-Favoriten die Trophäe mit nach Stockholm nehmen wollen. Die Top-GM  Eduard Rozentalis und GM  Vasilios Kotronias  wurden eigens für diese Schlussveranstaltung angeheuert, und fertigten am Freitag den Drittplatzierten Stockholm mit 7:1 ab! Traditionell wurde Viking und Lund für die letzte Runde am Sonntag zusammen gelost, aber leider kam es nicht zum großen Showdown:


Team Viking bei der Arbeit

Am Samstag sicherte sich Viking mit einem Pflichtsieg gegen die Hafenstadt Limhamn die Tabellenführung und der amtierende Meister verlor ausgerechnet gegen das Tags zuvor gedemütigten Stockholmer Team mit 3:5. Der Traum des 53 Jährige Immobilienunternehmer ging somit in Erfüllung, und sein Flagschiff  sichert sich  vorzeitig  die Schwedische Meisterschaft!  Das Endspiel war quasi ein Spiegelbild der ganzen Saison, denn  Viking gewann erneut souverän mit 6,5:1,5 und löste den amtierenden Meister mit einem perfekten 18:0 Resultat ab.

Die gewaltige  Überlegenheit zeigte sich auch in den Brettpunkten,d.h. im Durchschnitt gewann der „Viking-Achter“ jeden Kampf mit 6,5 Punkten! Punktbester des neuen Meisters war der schwedische Nationalspieler GM Evgeny Agrest mit fantastischen 8/9! LASK sichert sich trotz der erfolgten „kleinen Rochade“ die Vizemeisterschaft, da sie die  Mannschaftspunktgleichen Stockholmer um einem halben Brettpunkt „übertreffen“ konnten.


Tikkanen kämpft gegen GM Kotronias mit dem Rücken zur Wand!
Der Mann mit dem gestreiften Anzug ist Vikingsponsor Hlawatsch

 

Beim Vizemeister tat sich vor allem der schwedische Meister Hans Tikkanen mit ausgezeichneten 7/9 hervor.



GM Pontus Carlsson (mitte) zuversichtlich


Sieger Viking mit Sponsor

Historischer Erfolg!

Die eigentliche Überraschung stellt jedoch der vierte Platz des Gastgebers dar:

Das von GM Ralf Akesson (mit 6,5 Punkte aus 9 war der Jugendeuropameister von 1981 der mit Abstand beste Spieler) angeführte Amateurteam erzielte genauso viele Mannschaftspunkte wie die Zweit- und Drittplatzierten  und lag noch vor der letzten Runde selbst auf ein Medaillenplatz! Leider musste der zweite IM im Västeraser Team, IM Eriksson, aufgrund einer Erkältung das Bett hüten, und sagte komplett für das Wochenende ab. Diesen Schwächung konnte zunächst noch  kompensiert werden und man gewann den wichtigen Kampf am Freitag gegen Limhamn, aber am Samstag verlor das Team um Spitzenbrett IM Pontus Sjodahl ausgerechnet gegen die “Underdogs“  aus Umea ( der Nordschwedische Verein hatte mit 700 Km den längsten Anfahrtsweg zu absolvieren) mit 2,5:5,5 ziemlich chancenlos und musste damit den Traum der ersten Medaille in der Vereinsgeschichte aufgeben. Mit einem knappen 4,5 Erfolg gegen Manhem am Sonntag fand der SKV wieder in Erfolgsspur und sicherte damit den sehr guten 4.Platz. Neben dem 50 Jährigen Akesson erspielte sich der Jugendliche Rasmus Janse mit 5,5/8 das zweitbeste Ergebnis für den SK Västeras.

Der Kampf um die zwei Aufstiegsplätze für die nächste ELITE Saison  war ein echter Thriller. Gleich drei Teams teilten sich den ersten Platz Burgswick (mit den in Norddeutschland bekannten Bruderpaar Fries Nielsen) erzielte zwei Brettpunkte mehr als ihre Verfolger und waren sicher im Boot. Aber die zwei nächst platzierten Örgyte (mit dem bekannten Autor IM Ari Ziegler)  und Uppsala waren Mannschaft- und Brettpunkt gleich. Erst die zweite Buchholzwertung (es wurde die Resultaten der ersten vier Bretter genommen) sprach gegen die älteste skandinavische Universitätsstadt (gegründete im 1477!).   

„Geschlagene“ Wikinger!?

Direkt im Anschluß der ELITE- Endrunde wurde  am 14. März auf einer Sondersitzung des Stockholmer Schachverbands (SSK) Details über erhebliche finanzielle Ungereimtheiten (es fehlte eine sechsstellige Summe) der letzten Dekade bekannt gegeben. Bei dieser turbulenten Sitzung war auch Peter Hawaltsch anwesend, und überraschte nach Bekanntgabe dieses Finanzskandals die zahlreichen  Anwesenden mit einer schockierende Nachricht:  “Aufgrund des finanziellen Chaos im Verband,“ sehe er sich gezwungen das Sponsoring des “Team Viking“ mit sofortiger Wirkung einzustellen! Des weiteren teilte er den verblüfften Schachfunktionären mit, dass er sich ganz vom Schach zurück ziehen werde.

Die Aufkündigung der Unterstützung eines Schachvereins war im schwedischen Schach bis dato ein Novum, und  sorgte allseits für erheblichen Gesprächsstoff.


ELITE-Serie

Plac. Lag 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 TB1 TB2
1 Viking * 7 5 6 6 8 18 57.0
2 LASK * 3 7 6 3 5 6 6 12 43.0
3 Rockaden S 1 5 * 7 7 12 42.5
4 Vasteras 1 * 6 12 36.5
5 Manhem 3 * 6 5 10 36.0
6 Rockaden U 2 * 4 6 5 9 34.5
7 Limhamn 5 4 * 3 5 7 32.5
8 Eksjo 2 3 1 2 2 * 5 6 26.5
9 Solna 2 2 2 5 * 3 2 28.0
10 Kamraterna 0 2 1 3 3 3 3 5 * 2 23.5

Quelle: Chess-results

Superrettan

Plac. Lag 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 TB1 TB2
1 Burgsvik * 5 5 4 5 13 43.5
2 Orgryte * 4 5 5 13 41.0
  Upsala 3 4 * 5 5 5 13 41.0
4 Farsta 3 3 * 4 4 12 36.5
5 Orebro 4 ½ 4 * 6 6 3 6 4 9 37.0
6 Schack 08 3 4 2 * 4 2 8 33.0
7 SASS 2 * 4 5 7 31.0
8 Wasa 3 5 4 * 4 6 34.5
9 Lulea 3 3 2 4 3 * 5 32.0
10 Rodeby 3 4 6 4 * 4 30.5

Quelle: Chess-results

 

Partien:

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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