Der Hamburger Rechtsanwalt André van de Velde (37) ist
seit drei Jahren Vorsitzender des Hamburger Schachverbandes und seit sieben
Jahren Co-Geschäftsführer der DSB Wirtschaftsdienst GmbH des Deutschen
Schachbundes. Außerdem hat er die Aufgabe des Geschäftsführers der im April
2006 gegründeten SchachShop DSB GmbH des Deutschen Schachbundes übernommen.
André van de Velde (rechts) beim Turnier "Rechtes gegen linkes Alsterufer"
ChessBase: Der Deutsche Schachbund ist jüngst mit
seinen wirtschaftlichen Aktivitäten in die Kritik geraten. Viele
Schachfreunde verstehen die Konstruktion aus Schachbund, DSB
Wirtschaftsdienst GmbH und SchachShop DSB GmbH nicht. Wozu ist zum Beispiel
eine Wirtschaftsdienst GmbH notwendig und was sind die Aufgaben?
van de Velde: Die DSB Wirtschaftsdienst GmbH ist aus
steuerlichen Gründen notwendig. Der Deutsche Schachbund ist ein
gemeinnütziger Verein. Als solcher darf er nur in einem relativ beschränkten
Maße wirtschaftlich aktiv werden, ohne seine Gemeinnützigkeit zu gefährden.
Vor diesem Hintergrund wurden die wirtschaftlichen Aktivitäten auf die DSB
Wirtschaftsdienst GmbH ausgelagert. Dieses Modell ist steuerlich
unbedenklich und wird im Übrigen auch von fast allen anderen
Spitzenverbänden so praktiziert.
Die Aufgaben der
Wirtschaftsdienst GmbH liegen in der Vermarktung des Deutschen Schachbundes,
also vorrangig der Suche nach Sponsoren und dem Abschluss von
Werbeverträgen. In Absprache mit dem Verband kümmert sich die Gesellschaft
auch um die Qualitätssicherung von Schachprodukten, wie beispielsweise
Lehrbücher, Bretter, Figuren, Uhren oder Softwareprodukte. Hier verleiht die
Gesellschaft nach einer qualitativen Produktprüfung durch eine
DSB-Kommission ein Gütesiegel.
Die Vereine werden in
ihrer Arbeit unterstützt, indem günstige, teilweise sogar kostenlose,
Werbematerialien zur Verfügung gestellt werden. Die Wirtschaftdienst GmbH
springt aber auch in Bereichen ein, wo der Verband mit seinen ideellen
Mitteln passen muss. So wird gerade mit einer beachtlichen Summe die
Herausgabe eines Buches über das Lebenswerk des einzigen deutschen
Weltmeister Emanuel Lasker ermöglicht.
ChessBase: Wer sind denn die Gesellschafter der
GmbH, wie hoch sind die Einlagen und welchen Profit konnten die
Gesellschafter bisher damit in welchem Zeitraum erzielen?
van de Velde: Die DSB Wirtschaftsdienst GmbH wurde im
Jahre 1984 gegründet. Damals waren sechs engagierte Schachfunktionäre
bereit, als Gesellschafter jeweils DM 10.000,00 Eigenkapital zur Verfügung
zu stellen. Ursprünglich waren dies Egon Ditt, Harry Friedrich, Horst
Metzing, Günther Müller und Dr. Joachim Schmit. Auch der Deutsche Schachbund
war mit einem kleinen Geschäftsanteil Gesellschafter. Dieser Anteil musste
jedoch zurück gegeben werden, da die eigene Beteiligung an der Gesellschaft
zu einer Gefährdung der Gemeinnützigkeit hätte führen können.
Zwischenzeitlich hat sich die Gesellschafterstruktur
verändert, u.a. durch Todesfälle und Veräußerungen von Geschäftsanteilen.
Derzeit haben wir vier Gesellschafter aus dem Schachkreis (Horst Metzing,
Günther Müller, Hajo Gnirk, Monika Meyer) sowie zwei Erbengemeinschaften
(Erbengemeinschaft Harry Friedrich und Erhard Voll).
Einen Gewinn können die Gesellschafter nicht im
nennenswerten Maße erwirtschaften. Es gab in der Vergangenheit nur ganz
selten einen Jahresabschluss, der die Auszahlung einer Dividende auf das
Eigenkapital gerechtfertigt hätte. Insgesamt wurde nur dreimal eine
Dividende von jeweils 6% auf das eingebrachte Eigenkapital ausgeschüttet.
Das entspricht einer rechnerischen Verzinsung seit 1984 in Höhe von ca. 0,9
% jährlich.
ChessBase: Wer sind die Geschäftsführer? Welche
Gehälter werden gezahlt?
van de Velde: Geschäftsführer der DSB Wirtschaftsdienst
GmbH sind neben mir der DSB-Schatzmeister Michael S. Langer und der
Geschäftsführer der Deutschen Schachjugend Jörg Schulz. Die Geschäftsführer
sind unter Verzicht auf jegliche Bezüge tätig. Bis ins Jahr 2000 hinein war
die Gesellschaft in der Lage, dem Geschäftsführer ein kleines Gehalt in Höhe
von monatlich DM 1.000,00 zu zahlen. Die jetzigen wirtschaftlichen
Verhältnisse lassen dies nicht mehr zu.
ChessBase: Was passiert mit den Gewinnen, die die
Wirtschaftsdienst GmbH erzielt?
van de Velde: Es gibt seit jeher einen Pachtvertrag
zwischen dem Deutschen Schachbund und der DSB Wirtschaftsdienst GmbH. Die
Gesellschaft hat das Recht, die Marke „Deutscher Schachbund“ und das Logo
des DSB zu vermarkten und damit Gewinne zu erwirtschaften. Von den Gewinnen
fließen nach Abzug der Aufwendungen und Betriebskosten 85% an den Deutschen
Schachbund zurück; 15% verbleiben in der Gesellschaft.
Die Betriebskosten und Aufwendungen der DSB
Wirtschaftsdienst GmbH sind aber vollumfänglich schachnützlich. So schließt
die Gesellschaft unter anderem Vermarktungsverträge mit den deutschen
Spitzenspielern ab und trägt so einen Beitrag zur Finanzierung der deutschen
Nationalmannschaft bei.
André van de Velde (mitte) beim Empfang im Hamburger Rathaus anlässlich der
175-Jahr-Ehrung des HSK
ChessBase: Eine andere Konstruktion ist der neu
gegründete SchachShop DSB. Wer sind die Gesellschafter und welche Idee
steckt dahinter?
van de Velde: Die SchachShop DSB GmbH ist ein Joint
Venture. Die DSB Wirtschaftsdienst GmbH hat mit Partnern aus Dresden ein
Konzept entwickelt, mit dem gutes Schachmaterial zu einem angemessenen Preis
an die Vereine und Schulschachgruppen verkauft werden soll. Zu diesem Zweck
wurde die SchachShop DSB GmbH gegründet, und zwar durch die DSB
Wirtschaftsdienst GmbH und die SVW Service- und Verwaltungs GmbH aus
Dresden, einer Gesellschaft, die zur Euroschach-Unternehmensgruppe gehört.
Beide Gesellschafter haben einen Geschäftsanteil von
jeweils 50% an der neuen Gesellschaft. Die DSB Wirtschaftsdienst GmbH bringt
die Markenrechte in das Unternehmen ein, und die Partnergesellschaft aus
Dresden das notwendige Know-How für einen professionell organisierten
Schachvertrieb.
ChessBase: Der Deutsche Schachbund und seine
Berliner Geschäftsstelle haben in der Vergangenheit eigentlich einen sehr
guten Ruf genossen. Nun wurden die wirtschaftlichen Aktivitäten zum Ziel
von Kritik, die offenbar schon auf die Arbeit des Deutschen Schachbundes
insgesamt ausgedehnt wurde. In einem Interview war gar vom „Augiasstall“ die
Rede. Was steckt dahinter?
van de Velde: Nichts. Sowohl die Struktur des Deutschen
Schachbundes und „seiner“ Gesellschaften wie auch die tatsächliche
Geschäftsführung sind über jeden Verdacht der Misswirtschaft erhaben. Dem
Arbeitskreis der Mitgliedsorganisationen gegenüber haben die Gesellschafter
der DSB Wirtschaftsdienst GmbH im Rahmen des letzten Bundeskongresses
vollumfänglich Rechenschaft abgelegt.
Tatsächlich ist es aber so, dass der Deutsche
Schachbund nunmehr mittelbar in einen Markt eingetreten ist, aus dem er sich
bislang vollständig heraus gehalten hat. Damit schafft man sich nicht nur
Freunde, und ich bin überzeugt davon, dass hierin eine Ursache für die
öffentliche Diskussion der Gesellschaften zu finden ist.
ChessBase: Mit dem Schachshop ist der Schachbund
als prominenter Mitwerber in eine recht kleine wirtschaftliche Nische
eingedrungen und bedroht dort die bisher vorhandenen Händler möglicherweise
in ihrer Existenz. Welche Folgen hat das bisher nach sich gezogen und
entstehen dadurch nicht Probleme, z.B. in der Akquise von Werbung für
Schachbund-Publikationen oder die Webseite des Schachbundes?
van de Velde: Ich glaube nicht, dass die vorhandenen
Händler in ihrer Existenz bedroht werden. Mit dem SchachShop DSB wird nur
ein ganz kleines Segment aus der Angebotspalette für den Schachsport
bedient. Letztlich wird nur Vereins-Spielmaterial in einigen wenigen
Ausführungen verkauft. Aus dem großen Markt der Schachliteratur halten wir
uns ebenso heraus wie aus dem nicht minder attraktiven Vertrieb von
Schachprogrammen. Der SchachShop DSB will überhaupt nicht in die Konkurrenz
zu den breit gefächerten Sortimenten der anderen Schachhändler treten,
sondern beschränkt sich auf die spieltechnische Grundversorgung seiner
Vereine und Schulschachgruppen. Zudem liegt eine weitere Motivation für die
Gründung des SchachShops DSB, am Merchandisinggeschäft der Schacholympiade
teilhaben zu können. Mit dem SchachShop DSB können auch im bisher nicht
vorhandenen Maße Projekte des Schachbundes und der Schachjugend unterstützt
werden. Das sind beispielsweise die Aktion Partnerschulen der
Schacholympiade, in der die SchachShop DSB GmbH über 800 Figurensätze nahezu
zum Selbstkostenpreis zur Verfügung gestellt hat, oder auch die nagelneue
Chesy-Schachschule, die ebenfalls vom SchachShop DSB maßgebend unterstützt
wird.
Natürlich können die gesteigerten Aktivitäten auf dem
Schachmarkt dazu führen, dass auf der anderen Seite Werbeeinnahmen
versiegen. Wir haben im Zusammenhang mit der Gründung der SchachShop DSB
GmbH auch einen bis dato lange Jahre laufenden allerdings auch umstrittenen
Kooperationsvertrag mit einem großen Schachhändler beenden müssen. Wir
glauben allerdings fest daran, dass diese Entscheidung in wirtschaftlicher
Hinsicht völlig richtig war.
ChessBase: Wäre es für den Schachbund nicht
sinnvoller, Geld von außerhalb der Schachszene zu beschaffen, z.B. über
Werbung auf der Schachbund-Webseite? Welche Aktivitäten wurden hier
unternommen?
van de Velde: Klare Antwort: Ja! Das wäre sehr
sinnvoll. Es ist aber nicht einfach. Der letzte große Werbevertrag mit einem
Großsponsor datiert aus dem letzten Jahrtausend. Seitdem ist ein deutlicher
Trend zu verzeichnen, dass Schach zwar in der Werbung positiv besetzt ist,
der Schachbund aber in den Marketingabteilungen der potenziellen Sponsoren
keine Rolle spielt. In den vergangenen Jahren haben wir sowohl aus
Bordmitteln heraus wie auch in Zusammenarbeit mit mehreren namhaften
Agenturen Versuche unternommen, den Schachbund als attraktiven Partner für
Wirtschaftsunternehmen darzustellen. Alle Versuche misslangen. Geradezu
typisch sind hier die Bemühungen der MA Media Werbeagentur heraus zu
stellen, die in einer Art pro-bono-Projekt zu einem sensationell günstigen
Preis den Versuch unternommen hat, den Schachbund extern zu vermarkten. Die
Agentur hatte sich zuvor mit ganz anderen Kalibern befasst, so unter anderem
mit dem Formel-1-Team von McLaren oder der Sat.1-Bundesligashow „ran“. Am
Schachbund ist sie leider gescheitert.
Wir müssen nur allzu oft feststellen, dass Unternehmen
wie z.B. die Deutsche Bank oder auch die Hamburger Sparkasse sehr gerne mit
Schachmotiven werben. Wenn man die Entscheidungsträger dort dann aber auf
eine Kooperation mit dem DSB anspricht, erhält man stets die Antwort, dass
man mit Schach zwar sehr gut werben könne, nicht jedoch mit dem Schachbund.
ChessBase: Welche Ziele verfolgt der Schachbund
mit der Gestaltung seiner Webseite und mit welchem Konzept soll dies
erreicht werden?
van de Velde: Die Webseite fällt nur teilweise in die Zuständigkeit der DSB
Wirtschaftsdienst GmbH, nämlich wegen der wirtschaftlichen Vermarktung. In
inhaltlichen Fragen ist der Öffentlichkeitsreferent des DSB zuständig.
Ich habe aber eine persönliche Meinung zur Gestaltung
und Struktur der DSB-Homepage und würde zahlreiche Dinge verändern. Ich sehe
zum Beispiel überhaupt keinen Sinn darin, dass auf www.schachbund.de so eine
Art kleiner Nachrichtenserver betrieben wird. Das können professionelle
Unternehmen sehr viel besser und verlässlicher gestalten. Meines Erachtens
sollten die Nachrichten auf relevante Themenbereiche aus dem nationalen
Verbandsbereich beschränkt bleiben. Die Flut von teilweise überflüssigen
Nachrichten führt dazu, dass man allzu leicht den Blick fürs Wesentliche
verliert.
ChessBase: Wer ist für die inhaltliche Gestaltung der Webseite
verantwortlich und inwieweit wird durch dies durch den Vorstand überprüft
und gesteuert?
van de Velde: Auch hier muss ich zuständigkeitshalber an den
DSB-Öffentlichkeitsreferenten verweisen und neuerdings auch an den
1.Vizepräsidenten des DSB. Ich sitze auch nicht im DSB-Präsidium, so dass
ich über den Umfang der präsidialen Kontrolle nichts Genaues weiß.
ChessBase: An welchem Kriterium wird der Erfolg
der Webseite gemessen? Welche Inhalte schauen die Besucher der Webseite sich
an. Sind Klickraten für die Webseite eines Sportverbandes überhaupt ein
Kriterium für Erfolg?
van de Velde: Als Privatperson oder auch Vorsitzender
des Hamburger Schachverbandes befragt, bin ich der Meinung, dass der Erfolg
gerade nicht an der Anzahl der Klicks gemessen werden kann. Auf die Homepage
wird sehr oft zugegriffen. Die meisten Besucher orientieren sich jedoch in
den Wertungsbereich und fragen ihre DWZ oder ELO ab. Das muss man bei der
Auswertung von Klickzahlen berücksichtigen.
ChessBase: Neben der Webseite als Visitenkarte
eines Verbandes, ist die Pressearbeit von besonderer Bedeutung. Hohe
Popularität bedeutet mehr Mitglieder, also mehr Geld. In welcher Weise ist
der Schachbund hier aktiv?
van de Velde: Im Bereich der externen
Öffentlichkeitsarbeit liegt einiges im Argen. Gerade im Vergleich zur
internen Öffentlichkeitsarbeit gibt es hier viel Verbesserungspotenzial.
Andererseits ist die Aufgabe aber auch sehr schwierig, wie sich an der
bislang fehlgeschlagenen Vermarktung des Deutschen Schachbundes nur allzu
deutlich gezeigt hat. Schach ist und bleibt eine Randsportart, und
angesichts der deutlichen Tendenz im DOSB, sich zunehmend nur noch um die
Förderung olympischer Sportarten zu bemühen, betrachte ich die
Positionierung des Schachsports in der Zukunft als immer schlechter.
Andererseits glaube ich nicht uneingeschränkt an die
These, dass mehr Popularität auch gleichzeitig mehr Mitglieder bringt.
Schach ist in der Öffentlichkeit sehr positiv besetzt. Als Schachspieler
genießt man ein hohes Ansehen. Das Spiel selbst wird immer wieder
hervorragend in der Öffentlichkeit in Szene gesetzt, so unter anderem bei
den WM-Kämpfen und den Duellen zwischen Mensch und Maschine. Trotzdem ist es
noch ein weiter Weg zwischen der Popularität des Sports selbst und der
Popularität seiner Organisationen. Viele Schachinteressierte scheuen den Weg
in die organisierten Vereinsstrukturen.
ChessBase: Seit einiger Zeit hat der Schachbund
eine Agentur beauftragt. Hat dies aus ihrer Erfahrung zu einer besseren
Berichterstattung über Schach in den Medien geführt?
van de Velde: Ja und Nein. Auch unser jetziger Partner
Dorland kommuniziert immer wieder das Thema Schach in der Öffentlichkeit und
insbesondere auch gegenüber Wirtschaftspartnern. Die Zusammenarbeit trägt
auch erste Früchte, z.B. durch die Neuauflage des Schulschach-Cups mit
Unterstützung des Energieversorgers Vattenfall. Wenn ich aber nur auf die
Erfolge blicke, würde ich mir eine bessere Bilanz wünschen. Aber wie bereits
erwähnt: Das Tätigkeitsfeld ist sehr, sehr schwierig.
ChessBase: Auch hier wieder die Frage: In welcher
Weise wird die Pressearbeit durch den Vorstand gesteuert und kontrolliert?
van de Velde: Auch hierzu muss ich wieder an den
Öffentlichkeitsreferenten verweisen, da ich hierzu mangels Sachkenntnis
nichts sagen kann.
Das Interview führte André Schulz