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Die Ruhe vor dem Sturm
Von Dagobert Kohlmeyer, Sofia
In Sofia beginnt am heutigen Donnerstag das letzte WM-Drittel.
Beim Stand von 4:4 haben beide Finalisten die gleichen Aussichten, den
Schachtisch als Weltmeister 2010 zu verlassen. Ein besseres Szenario gibt es
nicht.
In den ersten acht Partien erlebten wir zwei ganz unterschiedliche Hälften.
Zuerst dominierte der Weltmeister Vishy Anand das Geschehen (sieht man einmal
von seinem Fehlstart ab), dann übernahm der Herausforderer Wesselin Topalow mehr
und mehr die Regie in diesem packenden Kampf. Wir sehen hier zwei ganz
unterschiedliche Schachphilosophien. Auf der einen Seite der reife, universelle
Anand, auf der anderen der kompromisslose Kämpfer Topalow. Wessen Spielkunst,
Nervenstärke und vielleicht auch Glück wird am Ende den Ausschlag geben?
Die 8.Partie
Im Pressezentrum
Topalow nach der 8.Partie
Die bulgarische Presse nach der 8.Partie
Die Spannung steigt jetzt mit jedem Tag. Beinahe in allen
Partien wurden bisher interessante Neuerungen ausgepackt, die ihre Wirkung nicht
verfehlten. Am meisten war die Fachwelt in der zweiten Partie von Anands
Damenmanöver nach a3 verblüfft. Nach seinem Sieg im achten Spiel scheint jetzt
Topalow psychologisch etwas im Vorteil zu sein, das ist nicht nur die Meinung
seiner Anhänger. Aber was heißt das schon. An jedem Tag werden die Karten neu
gemischt, oder besser gesagt die Figuren neu aufgestellt. Ganz sicher können wir
uns noch auf spannende Partien freuen. Tiebreak am Ende nicht ausgeschlossen!
Viva Maria
Im Militärklub von Sofia treffen wir jeden Tag die halbe bulgarische
Frauen-Nationalmannschaft. Neben Exweltmeisterin Antoaneta Stefanowa, die dort
die WM-Partien live in ihrer Muttersprache kommentiert, auch Maria Velcheva.
Maria Velchewa
Die zierliche Großmeisterin hat schon bei sieben Schacholympiaden gespielt, nur einmal weniger als Bulgariens berühmte Schachkönigin Antoaneta.
Anatoli Karpow unterstrich bei seinem Besuch vor ein paar
Tagen noch einmal, dass „die große Schachnation UdSSR“ und Bulgarien bisher die
einzigen Länder gewesen sind, die gleichzeitig den männlichen und weiblichen
Schach-Champion stellten. In Bulgarien waren es Topalow (2005) und Stefanowa
(2004-2005) zur gleichen Zeit.
Beide Amazonen, Antoaneta wie Maria, glauben fest daran, dass ihr Landsmann in
wenigen Tagen zum zweiten Mal Schachweltmeister wird. Die 7. Partie war nach
Stefanowas Ansicht großartig.
Antoaneta Stefanowa
„Weselin hat herrlich geopfert, die Ideen dazu stammen von
seinem Sekundanten Iwan Cheparinow. Beinahe hätte er die Partie gewonnen.
Schade, dass es nicht ganz geklappt hat, Topalow hatte etwa eine Stunde mehr
Bedenkzeit“.
Maria Velcheva, fünfmalige bulgarische Landesmeisterin, erzählte mir, dass sie
sich nun langsam aus der Turnierarena zurückziehen möchte. Die 33-Jährige gibt
schon seit einigen Jahren die Zeitschrift „Schach in der Schule“ heraus.
Das Journal hat 28 Seiten, ist ordentlich gedruckt, hat Farb-
sowie Schwarz-weiß-Fotos und kostet nur 2 Lewa (=1 Euro). Verteilt wird die
Zeitschrift vor allem bei Kinderturnieren, die im Schachland Bulgarien häufig
stattfinden.
Sofia ist eine Reise wert
Am gestrigen Ruhetag war etwas Gelegenheit, durch das sonnige Sofia zu
flanieren. Man sieht bedeutend mehr Frauen als Männer auf der Straße. Auch der
tägliche Arbeitsweg des Schachreporters in der bulgarischen Hauptstadt ist
reizvoll. Vom Hotel geht es nach links an der Universität vorbei.
Studentinnen vor der Uni
... und im Park
Nach etwa 200 Metern sieht man rechts die imposante Alexander-Newski-Kathedrale.
Dann kommt noch ein Regierungsgebäude, und schon ist man am
Zentralen Militärklub, wo Anand und Topalow seit fast zwei Wochen um die
Schachkrone streiten. „Sofia ist Europa, der Rest ist Bulgarien“, heißt es.
Prunkstück der Hauptstadt und ihr größtes Wahrzeichen ist die Kathedrale.
Das prächtige Bauwerk wurde Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts zum Dank
an die vielen Soldaten Russlands, der Ukraine und anderer Länder errichtet, die
Bulgarien vom langen osmanischen Joch befreiten. Architekt war der Russe
Alexander Pomeranzew, der auch das berühmte Warenhaus GUM in Moskau erschuf.
Überall gibt es Reste aus der Römerzeit. Hinter dem Präsidentenpalast führen
Treppen hinunter in die Vergangenheit. Ruinen mit archäologischen Funden bilden
einen reizenden Kontrast zu den Regierungsgebäuden. Sofia galt früher als das
zweite Rom.
„Die kleine idyllische Stadt aus vergangenen Zeiten, die ich noch kannte, gibt
es nicht mehr“, erzählt der 78-jährige Georgi, den ich vor der
Alexander-Newski-Kathedrale treffe. Auch wenn Sofia heute noch nicht den
Standard anderer EU-Metropolen erreicht hat, pulsiert an vielen Stellen ein
reges Nachtleben. In Tschalga-Bars tanzen leichtbekleidete Damen vor neureichen
Geschäftsleuten, von denen es in Bulgarien nicht wenige gibt. Der übrige Teil
der Bevölkerung lebt indessen mehr als bescheiden.
Hundert Meter von der Kathedrale entfernt lockt ein Basar mit Antiquitäten,
Ikonen und Gemälden die Touristen an.
Hier locken Bücher
Bezahlbare Kunst
Spielt Schach und malt
Ein Maler, dem ich zwei Bilder abgekauft habe, spielt auch gern Schach. Wenn ich vorbeikomme, stehen Brett und wetterfeste Figuren schon bereit. Wir spielen dann eine Schnellpartie. Meist wird es remis. Im Park vor dem Grand Hotel, wo Topalow und sein Team logieren, zocken die Hobby-Schachspieler.
Sie spielen um zwei Lewa pro Blitzpartie.
2 Lewa für eine Partie
Das WM-Eintrittsgeld in den Militärklub ist ihnen zu teuer.
„Wir erfahren früh genug, wie die Partien zwischen Anand und Topalow ausgehen“,
sagt einer der Schachrentner.
Mein Hotel liegt direkt neben der Universität.
Tagsüber strömen hunderte von Studenten hinein. Abends sind die Restaurants und Bars in der Umgebung vor allem mit jungen Leuten gefüllt.
Grüße nach Deutschland
Schachfreund, kommst du nach Sofia, dann probiere unbedingt
die einheimischen Biersorten Kaminitza, Sargorska und Schumensko. Sie sind
preiswert und schmecken besser als Heineken oder Tuborg. Immer wieder gern esse
ich den berühmten Shopska-Salat und Tarator, eine kalte Gurkensuppe. Die
Bulgaren essen gern und reichlich. Für ein Dinner sollte man sich Zeit nehmen.
Hektik ist hier fehl am Platz. Zum Shopska-Salat gibt es einen obligatorischen
Rakia, der in anderen Ländern unter dem Namen Slivovic (Polen, Tschechien) oder
Pálinká (Ungarn) bekannt ist.
Welches schachliche Menü werden uns die beiden WM-Finalisten im letzten Drittel
anbieten? Anand hat heute wieder Aufschlag.