"Zug um Zug" in Berlin

von ChessBase
17.09.2008 – Vergangenes Wochenende organisierte die Berliner Lasker-Gesellschaft in Kooperation mit der Deutschen Bahn mit "Zug-um-Zug" eine Schachveranstaltung, die mit dem Berliner Hauptbahnhof einen Rahmen fand, der passender nicht sein konnte. Vieles spricht dafür, das bisher keine Schachveranstaltung je in einer größeren Immobilie stattgefunden hat und natürlich waren hier auch die Züge viel länger als sonst bei Schachturnieren üblich. Neben Vorträgen über das Schachspiel und seine Geschichte sowie berühmte Berliner Meister stand das Spielen im Vordergrund. Der frühere Fernschachweltmeister Fritz Baumbach und die ehemalige Jugendweltmeisterin Elisabeth Pähtz spielten simultan. Der anschließende Wettkampf einer Mannschaft der Emanuel Lasker-Gesellschaft gegen die Betriebsschachmannschaft der Deutschen Bahn/BSW endete 11:5. Dagobert Kohlmeyer berichtet von dem erfolgreichen Experiment, das vielleicht auf anderen Bahnhöfen fortgesetzt werden soll. Schnelle Züge...

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Schnelle Züge in in Berlin
Von Dagobert Kohlmeyer

Ein Bahnhof ist nicht der schlechteste Platz zum Schachspielen. Was am vergangenen Wochenende in Berlin einmal mehr bewiesen wurde. Auf Initiative der Emanuel Lasker Gesellschaft und ihres unermüdlichen Vorsitzenden Paul Werner Wagner wurde der Hauptbahnhof zum Schauplatz von zwei interessanten Schachtagen.

Nach dem Motto „Zug um Zug“ wurden auf verschiedenen Ebenen des gigantischen Bauwerks große oder kleinere Figuren gerückt. Ob beim Großfeldschach, bei einem Schülerturnier oder beim Simultan, das königliche Spiel machte an diesen Tagen viele Reisende auf sich aufmerksam. Prominente Schachpersönlichkeiten und Trainer zogen Akteure und Kiebitze an. Bei einem Schach-Quiz konnten Bahn Cards und andere Preise gewonnen werden.

Tag Nr.1 gehörte Elisabeth Pähtz und dem Schachnachwuchs. Deutschlands stärkste Großmeisterin war gerade aus dem Kaukasus zurück und berichtete im Gespräch mit Paul Werner Wagner unter anderem über ihre Erfahrungen bei der Knockout-WM in Naltschik, wo sie frühzeitig ausgeschieden war.



„Meine ukrainische Gegnerin in Runde 2 war cooler als ich. Mir aber steckten die vielen Tiebreakpartien aus der ersten Runde noch in den Knochen. In der Weißpartie fehlte mir einfach die Kraft“, erklärte die Großmeisterin.

Für das WM-Finale zwischen Alexandra Kostenjuk und Hou Yifan sagte Elisabeth einen Vorteil für die Russin voraus, die einfach über mehr Erfahrung verfüge und mental sehr stark sei. Mit dieser Prognose lag sie nicht schlecht, nach zwei Partien führt Kostenjuk 1,5:0,5. Dem Partieverlauf nach hätte es schon 2:0 stehen können.

Die Aussichten des deutschen Damenteams zur Olympiade in Dresden, das sich mit Marta Michna verstärkt hat, beurteilte Elisabeth Pähtz nur mit verhaltenem Optimismus. „Man darf nicht zu viel von uns erwarten. Zwei Spielerinnen sind Mütter. Im Grunde bin ich der einzige Schachprofi im Team“.

Mit Schach auf Bahnhöfen hat die 23-jährige Großmeisterin schon gute  Erfahrungen. Vor etlichen Jahren spielte sie im Leipziger Hauptbahnhof blind gegen die beiden Klitschko-Brüder. Beide Box-Riesen wurden von Elisabeth locker besiegt. Diesmal war simultan an 25 Brettern angesagt, und die meist jungen Gegner setzten ihr einigen Widerstand entgegen. Zweimal musste sich die Großmeisterin geschlagen geben und dreimal ins Remis einwilligen.

Zuvor hatten die Kinder bei einem Mannschaftsturnier ihre Besten ermittelt. Insgesamt 14 Zweierteams aus Brandenburg und Berlin waren am Start, wobei die meisten aus Potsdam kamen, wo Übungsleiter Ludwig Stern im Kinder- und Jugendschach Verein eine hervorragende Nachwuchsarbeit leistet. Seine Zöglinge Laura Zager (8) und Van Anh Nguyen (7) gewannen auch die Mannschaftswertung.

Für Laura war es der erste Pokal, Nguyen hat schon drei zu Hause, wie er uns erzählte. Danach hatten die beiden und viele andere Schachjünger noch nicht genug und spielten auch noch gegen Elisabeth Pähtz.

Die Großmeisterin zog an allen Brettern 1. e4. Darüber freute sich die Berliner Trainerlegende Ernst Bönsch (77), der dem Nachwuchs am Vormittag in einem Vortrag den Rat gegeben hatte, die Partien möglichst offen anzulegen. Nach 1. e4 lernt man einfach besser, die Figuren schnell ins Spiel zu bringen. 

Tags darauf war dann Bundestrainer Uwe Bönsch zu Gast und gab einen Einblick in die Vorbereitungen auf die Schach-WM in Bonn sowie die Olympiade in Dresden.

Das Programm am Sonntag war ebenfalls sehr attraktiv. Fernschachlegende Fritz Baumbach spielte simultan und stellte im Gespräch mit Paul Werner Wagner die berühmten Berliner Schachmeister Emanuel Lasker und Kurt Richter vor. Dann spielte auch Baumbach simultan mit einem ähnlichen Ergebnis wie Elisabeth Pähtz.

Am Nachmittag kam es zu einem Wettkampf der Emanuel Lasker Gesellschaft an acht Brettern gegen die Deutsche Bahn. Gespielt wurden je zwei 10-Minuten-Partien. Favorit Lasker setzte sich gegen die Betriebsschach-Mannschaft klar mit 11: 5 durch.

Am ersten Brett holte Raj Tischbierek zwei Punkte, Arno Nickel und Thomas Weischede gewannen ebenfalls 2:0. Für die Bahn erzielte Ralf Kleeschätzky 1,5 Punkte.

Hier die Ergebnisse:

Elisabeth Pähtz
Simultan an 25 Brettern, davon 20 Siege

Von den Gegnern siegten:  Rhonda Vogler (10 Jahre), KJS Potsdam, Sarah Brethauer (22 Jahre) Studentin aus Kassel. Remis spielten: Julius Frederking, Margarita Kostré, Dr. Daniel Eisermann.

Dr. Fritz Baumbach
Simultan an 24 Brettern, davon 21 Siege

Von den Gegnern siegten: Manfred Clauder (Berlin), Dr. Christian Rohrer (Schachgesellschaft Zürich, Mitglied der Emanuel Lasker Gesellschaft). Remis spielte André Jäger (SC Rochade Berlin).

Wettkampf Emanuel Lasker Gesellschaft gegen Betriebsschach Deutsche Bahn/BSW 11:5  (5:3, 6:2)

(Spielmodus: 10 Minutenpartien an 8 Brettern, doppelrundig)

1. GM Raj Tischbierek      2 : 0               Rüdiger Schüttig

2. FM Alexander Kurz     0,5 : 1,5             FM Ralf Kleeschätzky

3. Herbert Bräunlin        1 : 1               Wilhelm Jauk

4. Rolf Trenner            1 : 1               Andreas Woschech

5. Dr. Christian Rohrer  1,5 : 0,5             Wolfgang Pitt

6. FM Thomas Weischede     2 : 0               Jürgen Zahn

7. Arno Nickel             1 : 0               Prof. Dr. Peter Strauß

                           1 : 0               Günter Grunow

8. Stefan Hansen           0 : 1               Horst Kaiser

9.Paul Werner Wagner       1 : 0               Horst Kaiser

 

Organisator Paul Werner Wagner zeigte sich hochzufrieden mit der Veranstaltung und ihrer großen Resonanz. Besonderer Dank gelte Ursula Zimmermann und Nadine Fernow vom Eventmanagement der Bahn sowie den Verkaufseinrichtungen im Berliner Hauptbahnhof, die das Ereignis unterstützt haben. Gedacht ist an eine Fortsetzung solcher Events auch auf anderen großen Bahnhöfen, zum Beispiel bei der Schacholympiade in Dresden.

 

 

 

 

 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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