Schnelle Züge in in Berlin
Von Dagobert Kohlmeyer
Ein Bahnhof ist nicht der
schlechteste Platz zum Schachspielen. Was am vergangenen Wochenende in Berlin
einmal mehr bewiesen wurde. Auf Initiative der Emanuel Lasker Gesellschaft und
ihres unermüdlichen Vorsitzenden Paul Werner Wagner wurde der Hauptbahnhof zum
Schauplatz von zwei interessanten Schachtagen.
Nach dem Motto „Zug um Zug“
wurden auf verschiedenen Ebenen des gigantischen Bauwerks große oder kleinere
Figuren gerückt. Ob beim Großfeldschach, bei einem Schülerturnier oder beim
Simultan, das königliche Spiel machte an diesen Tagen viele Reisende auf sich
aufmerksam. Prominente Schachpersönlichkeiten und Trainer zogen Akteure und
Kiebitze an. Bei einem Schach-Quiz konnten Bahn Cards und andere Preise gewonnen
werden.
Tag Nr.1 gehörte Elisabeth
Pähtz und dem Schachnachwuchs. Deutschlands stärkste Großmeisterin war gerade
aus dem Kaukasus zurück und berichtete im Gespräch mit Paul Werner Wagner unter
anderem über ihre Erfahrungen bei der Knockout-WM in Naltschik, wo sie
frühzeitig ausgeschieden war.
„Meine ukrainische Gegnerin
in Runde 2 war cooler als ich. Mir aber steckten die vielen Tiebreakpartien aus
der ersten Runde noch in den Knochen. In der Weißpartie fehlte mir einfach die
Kraft“, erklärte die Großmeisterin.
Für das WM-Finale zwischen
Alexandra Kostenjuk und Hou Yifan sagte Elisabeth einen Vorteil für die Russin
voraus, die einfach über mehr Erfahrung verfüge und mental sehr stark sei. Mit
dieser Prognose lag sie nicht schlecht, nach zwei Partien führt Kostenjuk
1,5:0,5. Dem Partieverlauf nach hätte es schon 2:0 stehen können.
Die Aussichten des
deutschen Damenteams zur Olympiade in Dresden, das sich mit Marta Michna
verstärkt hat, beurteilte Elisabeth Pähtz nur mit verhaltenem Optimismus. „Man
darf nicht zu viel von uns erwarten. Zwei Spielerinnen sind Mütter. Im Grunde
bin ich der einzige Schachprofi im Team“.
Mit Schach auf Bahnhöfen
hat die 23-jährige Großmeisterin schon gute Erfahrungen. Vor etlichen Jahren
spielte sie im Leipziger Hauptbahnhof blind gegen die beiden Klitschko-Brüder.
Beide Box-Riesen wurden von Elisabeth locker besiegt. Diesmal war simultan an 25
Brettern angesagt, und die meist jungen Gegner setzten ihr einigen Widerstand
entgegen. Zweimal musste sich die Großmeisterin geschlagen geben und dreimal ins
Remis einwilligen.
Zuvor hatten die Kinder bei
einem Mannschaftsturnier ihre Besten ermittelt. Insgesamt 14 Zweierteams aus
Brandenburg und Berlin waren am Start, wobei die meisten aus Potsdam kamen, wo
Übungsleiter Ludwig Stern im Kinder- und Jugendschach Verein eine hervorragende
Nachwuchsarbeit leistet. Seine Zöglinge Laura Zager (8) und Van Anh Nguyen (7)
gewannen auch die Mannschaftswertung.
Für Laura war es der erste
Pokal, Nguyen hat schon drei zu Hause, wie er uns erzählte. Danach hatten die
beiden und viele andere Schachjünger noch nicht genug und spielten auch noch
gegen Elisabeth Pähtz.
Die Großmeisterin zog an
allen Brettern 1. e4. Darüber freute sich die Berliner Trainerlegende Ernst
Bönsch (77), der dem Nachwuchs am Vormittag in einem Vortrag den Rat gegeben
hatte, die Partien möglichst offen anzulegen. Nach 1. e4 lernt man einfach
besser, die Figuren schnell ins Spiel zu bringen.
Tags darauf war dann
Bundestrainer Uwe Bönsch zu Gast und gab einen Einblick in die Vorbereitungen
auf die Schach-WM in Bonn sowie die Olympiade in Dresden.
Das Programm am Sonntag war
ebenfalls sehr attraktiv. Fernschachlegende Fritz Baumbach spielte simultan und
stellte im Gespräch mit Paul Werner Wagner die berühmten Berliner Schachmeister
Emanuel Lasker und Kurt Richter vor. Dann spielte auch Baumbach simultan mit
einem ähnlichen Ergebnis wie Elisabeth Pähtz.
Am Nachmittag kam es zu
einem Wettkampf der Emanuel Lasker Gesellschaft an acht Brettern gegen die
Deutsche Bahn. Gespielt wurden je zwei 10-Minuten-Partien. Favorit Lasker setzte
sich gegen die Betriebsschach-Mannschaft klar mit 11: 5 durch.
Am ersten Brett holte Raj
Tischbierek zwei Punkte, Arno Nickel und Thomas Weischede gewannen ebenfalls
2:0. Für die Bahn erzielte Ralf Kleeschätzky 1,5 Punkte.
Hier die Ergebnisse:
Elisabeth Pähtz
Simultan an 25 Brettern, davon 20 Siege
Von den Gegnern
siegten: Rhonda Vogler (10 Jahre), KJS Potsdam, Sarah Brethauer (22 Jahre)
Studentin aus Kassel. Remis spielten: Julius Frederking, Margarita Kostré, Dr.
Daniel Eisermann.
Dr. Fritz Baumbach
Simultan an 24 Brettern, davon 21 Siege
Von den Gegnern
siegten: Manfred Clauder (Berlin), Dr. Christian Rohrer (Schachgesellschaft
Zürich, Mitglied der Emanuel Lasker Gesellschaft). Remis spielte André Jäger (SC
Rochade Berlin).
Wettkampf Emanuel
Lasker Gesellschaft gegen Betriebsschach Deutsche Bahn/BSW 11:5 (5:3, 6:2)
(Spielmodus: 10 Minutenpartien an 8 Brettern, doppelrundig)
1. GM
Raj Tischbierek 2 : 0 Rüdiger Schüttig
2.
FM Alexander Kurz 0,5 : 1,5 FM Ralf Kleeschätzky
3.
Herbert Bräunlin 1 : 1 Wilhelm Jauk
4.
Rolf Trenner 1 : 1 Andreas Woschech
5. Dr.
Christian Rohrer 1,5 : 0,5 Wolfgang Pitt
6. FM
Thomas Weischede 2 : 0 Jürgen Zahn
7.
Arno Nickel 1 : 0 Prof. Dr. Peter Strauß
1 : 0 Günter Grunow
8.
Stefan Hansen 0 : 1 Horst Kaiser
9.Paul
Werner Wagner 1 : 0 Horst Kaiser
Organisator Paul Werner
Wagner zeigte sich hochzufrieden mit der Veranstaltung und ihrer großen
Resonanz. Besonderer Dank gelte Ursula Zimmermann und Nadine Fernow vom
Eventmanagement der Bahn sowie den Verkaufseinrichtungen im Berliner
Hauptbahnhof, die das Ereignis unterstützt haben. Gedacht ist an eine
Fortsetzung solcher Events auch auf anderen großen Bahnhöfen, zum Beispiel bei
der Schacholympiade in Dresden.