14.05.2025 – Im modernen Schach, heißt es, kann man alles spielen. Vielleicht stimmt das - wenn man alles spielen kann. Wie Magnus Carlsen. So lässt er beim Blitz im Titled Tuesday gerne die Würfel entscheiden, welche Eröffnung aufs Brett kommt. Beim frühen Titled Tuesday am 13. Mai 2025 spielte er deshalb in Runde 8 gegen Hikaru Nakamura 1.g4. Nakamura antwortete mit 1...g5, aber dann kam es trotz unorthodoxer Eröffnung zu einer Partie, die klassischen Regeln gehorchte. | Foto: Lennart Ootes (Archiv)
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Nach 1.d4 Sf6 2.c4 Sc6! ergreift Schwarz die Initiative und versucht Weiß dazu zubringen, seine zentralen Bauern vorzustoßen, nur um dann mit präzisem Gegenspiel ihre Schwäche zu zeigen.
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Magnus Carlsen hat schon oft erklärt, wie sehr es ihn stört, immer wieder die gleichen Eröffnungen zu spielen, die es dem Gegner erlauben, ohne großen Aufwand inhaltslose, remisträchtige Stellungen aufs Brett zu bringen.
Um mehr Abwechslung ins Spiel zu bringen, hatte er dann irgendwann die Idee, gelegentlich die Würfel über seine Eröffnungen entscheiden zu lassen.
Beim Blitz ist er dabei radikal: Von 1.a3 bis zu 1.h4 probiert er hier, je nachdem, wie die Würfel fallen und ohne Angst, ein falsches Vorbild abzugeben, einfach alle zwanzig möglichen Eröffnungszüge aus. Mit Schwarz genauso.
Am 13. Mai 2025, in Runde 8 des frühen Titled Tuesdays, einem Blitzturnier, das jeden Dienstag auf chess.com ausgetragen wird, spielte er mit Weiß gegen Hikaru Nakamura. Die Wahl der Würfel fiel auf 1.g4, einen Zug, den die Eröffnungstheorie und die Engines einmütig verdammen. Natürlich ist dieser Zug, wie überhaupt das gesamte Vorgehen, eine Provokation, denn damit signalisiert man dem Gegner, dass man sich gegen ihn eigentlich alles erlauben kann.
Nakamura ließ sich nicht lumpen und antwortete 1...g5. Auch das ist ein Zug, den die Engines und die moderne Theorie ablehnen. Aber nach diesem ungewöhnlichen Beginn spielten beide Seiten wieder normal und stark - vor allem Carlsen. Er gewann eine interessante Partie, in der er im Stil von Morphy und Anderssen zeigte, warum es wichtig ist, seine Figuren zu entwickeln und wie man Entwicklungsvorsprung ausnutzen kann: das Zentrum kontrollieren, die Stellung öffnen und einen Mattangriff auf den exponierten gegnerischen König starten.
Dass Carlsen tatsächlich fast alles spielen kann, zeigt das Endergebnis des Titled Tuesdays: Carlsen gewann das Turnier mit 9,5 aus 11 nach Wertung vor Dmitry Andreikin und Parham Maghsoodloo.
Was er sich bei seinen Zügen und seiner Partie gedacht hat, verriet er im Livestream des Take Take Take YouTube-Kanals. Carlsens Partie gegen Nakamura beginnt nach 1:23:17 der Übertragung.
Johannes FischerJohannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".
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