Vielleicht wüsste man gar nicht so viel über Kurt Richter, wenn nicht einer seiner zahlreichen Fans Richters Lebensdaten so intensiv nachgespürt hätte. Kurioserweise hat kein deutscher Schachfreund, sondern ein Schotte sich dieser Mühe unterworfen. 2018 erschien im renommierten McFarland Verlag Alan McGowans Biografie über Kurt Richter, über 380 großformatige Seiten schwer. (Alan McGowan: Kurt Richter, A Chess Biography with 499 Games, Jefferson: McFarland, 2018, ca. 79 Euro, bei Schach Niggemann).
Kurt Richter wurde am 24. November im Jahr 1900 in Berlin geboren. Seine Eltern Paul und Rosa Richter lebten zu dieser Zeit zusammen mit Kurt Richters Großeltern väterlicherseits in der Choriner Straße am Prenzlauer Berg. 1903, in diesem Jahr wurde auch Kurt Richters Bruder Gerhard (1903-1997) geboren, zog die Familie zusammen mit den Großeltern für einige Jahre an den Müggelsee nach Friedrichshagen um, das damals noch zu Berlin gehörte und erst 1920 eingemeindet wurde. 1907 kehrte die Familie Richter an den Prenzlauer Berg zurück. In seiner Schulzeit litt Kurt Richter wohl schon unter gesundheitlichen Problemen und musste einige Zeit der Schule fernbleiben. Bald nach Beginn des Ersten Weltkrieges wurde sein Vater Paul Richter eingezogen und starb 1914 in den ersten Tagen an der Westfront. Die Mangelernährung im Ersten Weltkrieg verursachte bei Kurt Richter eine chronische Schwäche, von der er sich nie vollständig erholte.
Der Tod des Vaters brachte die Familie in wirtschaftliche Not, die Mutter musste sich Arbeit suchen und Kurt Richter musste 1917 die Schule verlassen, um ebenfalls eine Arbeit anzunehmen. Wie sein Vater arbeitete Kurt Richter nun für eine Versicherungsagentur.
Das Schachspiel hatte Kurt Richter als Achtjähriger von seinem Großvater Otto gelernt. Schon als Schüler besuchte Kurt Richter den Springer-Schachklub von 1895 im Restaurant Zum Schultheiß. Der spätere Berliner Meister Karl Stephan (1919) weihte hier junge Schachfreunde in die Geheimnisse des Spiels ein.
Spätestens 1919 begann auch Kurt Richters Karriere als Turnierspieler. Außerdem entwickelte er Interesse am Problemschach und reichte seine ersten Kompositionen ein. 1921 belegte Richter bei den Berliner Meisterschaften einen Platz im Mittelfeld, als Achter von 17 Teilnehmern. Im nächsten Jahr gewann er schon seine erste Berliner Meisterschaft. Bis 1948 konnte er den Erfolg noch siebenmal wiederholen, zum Teil als Co-Sieger. Berlin blieb Kurt Richters hauptsächliches Einsatzgebiet, auch wenn er gelegentlich an Turnieren außerhalb der Reichshauptstadt teilnahm.
Ende 1927 gab Kurt Richter seinen Arbeit in der Versicherungsagentur auf und versuchte nun, hauptsächlich mit dem Schach, vor allem als Journalist und Autor, seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Als selbstständiger Agent vermittelte er aber nebenbei auch noch Versicherungen
1928 gewann Richter in Wiesbaden einen Open mit internationaler Beteiligung. Im September des gleichen Jahres gehörte Richter zur Berliner Stadtauswahl bei einem Vergleich gegen Stockholm. Außerdem repräsentierte er Berlin beim Meisterturnier des SV Berlin im September/Oktober 1928 im Café König Unter den Linden.
Efim Bogoljubow gewann vor Friedrich Sämisch. Kurt Richter wurde geteilter Fünfter. Im Mai 1930 wurde Kurt Richter wieder Berliner Meister und im Juni 1930 findet man Richters Namen erstmals in einem größeren internationalen Einladungsturnier im damals noch deutschen Ostseebad Swinemünde. Salo Floh nahm hier unter anderem teil und die Schweden Gösta Stoltz und Gideon Stahlberg. Kurt Richter wurde geteilter Fünfter bei zehn Teilnehmern. Friederich Sämisch gewann vor Flohr.
Kurt Richter wurde nun für die Schacholympiade in Hamburg 1930 in die deutsche Auswahl berufen und gewann dort an Brett vier spielend mit dem Team die Bronzemedaille. Auch 1931 gehörte der Berliner bei der Schacholympiade in Prag zur deutschen Nationalmannschaft, wieder an Brett vier. Deutschland wurde Fünfter.
In den 1930er Jahren spielte Kurt Richter viele Turniere in Deutschland mit, war regelmäßiger Teilnehmer der Berliner Meisterschaften und bei den Deutschen Meisterschaften. So gut wie nie verließ Kurt Richter jedoch Deutschland, um auch im Ausland Turniere zu spielen. Man kann vermuten, dass ihm für Auslandsreisen das Geld fehlte. Bis zu ihrem Tod lebte Kurt Richter bei seiner Mutter in Berlin-Karlshorst.
1933 hatten die Nationalsozialisten die Macht im Deutschen Reich übernommen. Anstelle des Deutschen Schachbundes war bald der Großdeutsche Schachbund getreten. Kurt Richter wurde 1935 Aachen Meister von Deutschland und 1937 in Bad Oyenhausen Vizemeister. Seine einzigen Auslandsturnier spielte kurt Richter 1936 in Podebrady (Böhmen) und 1940 in Krakau (Polen), das von Deutschland besetzt war.

Richter gegen Brinckmann, 1935

Erich Eliskases und Kurt Richter in Bad Oeynhausen 1939.
1936 gehörte Richter auch zur Deutschen Auswahl bei der Schacholympiade in München 1936, bei der viele Nationen fernblieben und die nicht offiziell anerkannt wurde. Beim "Europaturnier" 1941 wurde er Sechster.

Richter gegen Aljechin, Europaturnier 1941
Bei der vom Großdeutschen Schachbund 1942 in München durchgeführten Europameisterschaft, auch nicht von der FIDE anerkannt, belegte Kurt Richter hinter Alexander Aljechin und Paul Keres zusammen mit Jan Foltys den geteilten dritten Platz, vor Efim Bogoljubov und Klaus Junge. Es ist sein letztes Turnier vor dem Ende des Zweiten Weltrieges.
Kurt Richter war inzwischen Herausgeber der Deutschen Schachblätter geworden. Während der Nazizeit waren alle Autoren und Herausgeber von Zeitschriften und Zeitungen angehalten, Erfolge von Juden nicht zu melden und Juden nach Möglichkeit überhaupt nicht zu erwähnen. Richter missachtete dieses Gebot in seinen Partiensammlungen und Artikeln, wobei er die Namen bisweilen so veränderte oder abkürzte, dass die betreffenden jüdischen Spieler nicht gleich erkennbar waren (z.B.: "Dr. L" für Dr. Lasker).
1942 wurde Richter noch zur Wehrmacht eingezogen und Alfred Brinckmann übernahm nun zeitweise die Aufgabe als Herausgeber (Schriftleiter). Alan McGowan erwähnt in seiner Richter-Biografie, dass Kurt Richter das Ende des Krieges in einem sowjetischen Kriegsgefangenenlager verbrachte. Die einzige Quelle dafür ist August Babel.
Nach dem Zweiten Weltkrieg lag Deutschland in Trümmern und wurde schließlich in zwei Teile geteilt. Kurt Richter lebte in Ost-Berlin, das nun zur Deutschen Demokratischen Republik gehörte. Die Deutschen Schachblätter konnten noch bis 1952 erscheinen und wurden dann eingestellt. Richter erhielt nun eine Kolumne in der DDR-Zeitschrift "Schach": "Schach lehrt Schach – Hohe Schule der Kombination", lieferte aber auch Beiträge für die in West-Berlin erscheinende Deutsche Schachzeitung.
In der Nachkriegszeit spielte Kurt Richter mit guten Erfolgen noch einige Male bei den Berliner Meisterschaften mit. Er war auch einer der Teilnehmer bei den Deutschen Meisterschaften 1949.
Das Jahr 1952 war für Kurt Richter besonders schwierig, da in diesem Jahr seine Mutter starb und außerdem die Deutschen Schachblätter wegen Papiermangel eingestellt wurde. Nach der Berliner Meisterschaft 1952 machte er eine lange Pause und spielte seine letzten Berliner Meisterschaft 1957.
Kurt Richter hatte große Freude an taktischen Verwicklungen und Mattangriffen. Sein Spiel war von vielen taktischen Überfällen geprägt. Einige von Richter entwickelte oder genutzte Angriffssysteme in der Eröffnung erhielten seinen Namen, so das Richter-Rauser System in der Klassischen Variante der Sizilianischen Verteidigung oder die Richter-Weressov-Eröffnung.
Der Kurs soll Ihnen ein tiefgreifendes und dennoch praktisches Repertoire für Schwarz vermitteln, das solide Grundlagen mit aggressivem Gegenspiel verbindet.
Die klassische Sizilianische Verteidigung hat sich als eine der prinzipientreuesten und kämpferischsten Verteidigungen gegen 1.e4 bewährt. Mit ihrer langen Geschichte, die Weltmeisterschaftskämpfe und moderne Eliteturniere umfasst, ist diese Eröffnung nach wie vor ein Favorit bei Spielern, die einen dynamischen, auf Gegenangriffe ausgerichteten Ansatz suchen, ohne sich in extreme theoretische Schlachten wie Najdorf oder Sweschnikow zu stürzen.
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Viele starke Großmeister haben Veresov als Überraschungswaffe eingesetzt, darunter Spieler wie Spassky, Tal, Bronstein, Alburt und Gufeld.
Das Veresov-System (1.d4 Sf6 2.Sc3 d5 3.Lg5) wird seltener gespielt und ist weniger bekannt als andere Damenbauerneröffnungen wie der Trompowsky-Angriff, der Torre-Angriff oder das Londoner System. Das macht es in den richtigen Händen zu einer gefährlichen Waffe. Viele Gegner sind einfach nicht darauf vorbereitet. Das Veresov-System ist eine Angriffseröffnung, in der Weiß seine Leichtfiguren rasch entwickelt, um die Stellung dann mit effektiven Bauernvorstößen zu öffnen. Viele starke Großmeister haben Veresov als Überraschungswaffe eingesetzt, darunter Spieler wie Spassky, Tal, Bronstein, Alburt und Gufeld. Zu den modernen Anhängern des Systems gehören Miladinovic und Jonny Hector, die diese Variante gerne und erfolgreich spielen. Auf dieser ChessBase-DVD liefert Andrew Martin eine Einführung in das Veresov-System, erläutert die wichtigsten Ideen und bietet ein Repertoire zur Auswahl an. In einem abschließenden Test kann man prüfen, was man gelernt hat. Diese DVD bietet eine ideale Einführung in diese Eröffnung und eignet sich besonders für Spieler, die gerne aktives Schach spielen, aber keine Zeit haben, Hauptvarianten zu lernen. Es lohnt sich, Veresov zu studieren und zu spielen!
Wegen seines Angriffsstil wurde Kurt Richter auch der "Scharfrichter von Berlin" genannt. 1950 erhielt er von der FIDE den Titel eines Internationalen Meisters. Jeff Sonas sieht Richter in seinen nachtäglich ausgerechneten historischen Elozahlen auf mit einer Zahl von 2652 auf Platz 15 der Welt im Jahr 1942. Edochess hat als besten Wert eine Zahl von 2477 in den Jahren 1935/36 errechnet.
Sein erstes Buch veröffentlichte Kurt Richter 1936, ein Turnierbuch zur Schacholympiade. Es folgten eine Vielzahl von Lehrbüchern, Taktikbücher und Partiensammlung, vor allem mit glänzenden Mattangriffen. Alfred Brinckmann veröffentlichte 1939 eine Sammlung von Richters schönsten Partien.

Foto: Teschner, Schach-Eco 1970
Nach 1957 kaum noch Turnierpartien. Er nahm allerdings noch an einigen Fernschachturnieren teil. Im Übrigen konzentrierte er sich auf seine publizistische Arbeit. Durch den Mauerbau 1961 wurde die Zusammenarbeit mit Rudolf Teschner und der Deutschen Schachzeitung in West-Berlin allerdings deutlich schwieriger.
Kurt Richter starb am 29. Dezember 1969. Am 5. Januar 1970 wurde auf dem Friedhof von Berlin-Karlshorst begraben.

Kurt Richters Grab | Foto: Dagobert Kohlmeyer
