Löberitz ist eine um 700 n. Chr. gegründete Gemeinde slawischen Ursprungs, nördlich von Halle und Leipzig gelegen, und blickt auf eine lange Schachtradition zurück. 1871 wurde hier bereits ein Schachclub gegründet, der älteste Schachclub von Sachsen-Anhalt. Ähnlich wie der Ort Ströbeck galt auch Löberitz im ausgehenden 19. Jahrhundert wegen seines reichen Schachlebens als "Schachdorf".
Die Gründungsväter des Löberitzer Schachclubs waren der aus Halle stammende Privatlehrer und spätere Pfarrer Johann Melchior Kirsch, Friedrich Gustav Krause und Friedrich Franz Ohme. Der Gründungsakt fand in dem von Franz Ohme geführten Gasthaus "Zur Weintraube" statt. Der Gasthof war gleichzeitig das kulturelle Zentrum des Ortes. Hier wurden auch Theaterstücke und Operetten aufgeführt. 1875 verkaufte Ohme den Gasthof und wurde Besitzer einer Ziegelei.
Für den Mitbegründer des Löberitzer Schachclubs Friedrich Franz Ohme wurde im Ort sogar ein Gedenkstein aufgestellt.
Ohme zog um 1903 aus Löberitz fort und lange wusste man nicht, was aus ihm geworden ist. Kürzlich fand aber der Berliner Veit Godoj seine Sterbeurkunde in Halle. Ohme war dort in späteren Jahren auch noch Mitglied im örtlichen Schachclub. Er starb am 24. Juni 1910 in Halle.
Der Löberitzer Schachclub war 1877 einer der Gründungsvereine des Deutschen Schachbundes. Am 8. Oktober 1882 gründete der Löberitzer Schachclub außerdem zusammen mit den Schachvereinen aus Halle/Saale und Zörbig in Bettmanns Hotel in Zörbig den Saaleschachbund, die Vorgängerorganisation des Landesschachverbandes von Sachsen-Anhalt. Der Löberitzer Schachclub löste sich 1914 auf, aber die Schachtradition in dem kleinen Ort mit heute etwa 1100 Einwohnern lebte mit anderen Schachgemeinschaften fort.
1982 wurde an die alte Schachtradition wieder angeknüpft und die Schachgemeinschaft 1871 Löberitz gegründet. Konrad Reiß ist dort "Spiritus Rector" und einer der Zugmaschinen und bemüht sich sehr um die Aufrechterhaltung der Tradition. So gibt es in Löberitz sogar ein Schachmuseum mit einer umfangreichen Bibliothek und einer Reihe von Schachdevotionalien.
Die SG Löberitz ist aber nicht nur der Tradition verpflichtet, sondern auch sportlich erfolgreich. Der Klub hat etwas über 50 Mitglieder und schaffte es mit seiner ersten Mannschaft sogar bis in die Zweite Bundesliga. Derzeit spielt sie in der Oberliga Ost. Prominenteste Spielerin der SG Löberitz und mit dem Verein in Freundschaft verbunden ist Dana Reizniece-Ozola. Sie kam schon als Jugendliche zur SG Löberitz und spielt seitdem ununterbrochen für den Klub, inzwischen seit 19 Jahren.
Dana Reizniece, rechts, mit ihren Löberitzer Schachfreunden
Als Dana Reizniece-Ozola in Löberitz anfing, hatte sie den Titel einer Mädchen-Weltmeisterin in der Tasche und war schon beste Spielerin ihres Landes. Dann machte sie nach dem Abschluss ihres Studiums auch auf politischem Parkett Karriere. Dana Reizniece-Ozola wurde erst Wirtschaftsministerin, dann Finanzministerin ihres Heimatlandes Lettland. Das änderte aber nicht an ihrer Verbindung und Freundschaft zu den Schachfreunden in Löberitz. So konnte es passieren, dass Reizniece-Ozola von einem EU-Treffen der Finanz- oder Wirtschaftsminister zu einem Mannschaftskampf ihres Löberitzer Teams weiterreiste. 2016 sorgte sie für Schlagzeilen, als sie - damals noch Finanzministerin Lettlands - bei der Schacholympiade Weltmeisterin Yifan Hou schlug. 2021 legte Dana Reizniece-Ozola ihr Mandat im lettischen Parlament nieder und übernahm die Aufgabe als Managing Director beim Weltschachbund FIDE.
Ehrennadeln und Urkunden für Rebekka Schuster und Dana Reizniece-Ozola
Mit dem Frauenteam der SG Löberitz gewann Dana Reizniece die 2. Frauenbundesliga Ost und stieg damit in die 1. Frauenbundesliga auf.
Nicht nur zu Dana Reizniece-Ozola unterhalten Konrad Reiß und die SG Löberitz freundschaftliche Verbindungen. Viele starke und bekannte Spieler wurden im Laufe der Zeit zu Turnieren, Simultanvorstellungen und Veranstaltungen eingeladen und einige dieser Spieler sind dem Klub ebenfalls freundschaftlich verbunden.
Anlässlich des 150-jährigen Jubiläums hat die SG Löberitz ein sehr umfangreiches Buch zur Schachgeschichte im Ort herausgegeben.
Derzeit findet zudem eine Festwoche statt. Am vergangenen Wochenende wurde mit einigen prominenten Spielern ein Ehrenpreisturnier gespielt.
Zu den häufigen Gästen der SG Löberitz gehören auch die Großmeister Robert Hübner und Alexander Naumann. Sie bestritten zusammen mit Dana Reizniece-Ozola, FM Robert Stein und GM Nikita Meskovs aus Lettland eine "Ehrenpreisturnier".
Endstand Ehrenpreisturnier
1 |
FM |
Stein,Robert |
2325 |
GER |
* |
1 |
0 |
1 |
½ |
½ |
3,0 |
7,50 |
0,0 |
2 |
GM |
Meskovs,Nikita |
2568 |
LAT |
0 |
* |
1 |
1 |
½ |
½ |
3,0 |
7,00 |
0,0 |
3 |
GM |
Naumann,Alexander |
2533 |
GER |
1 |
0 |
* |
½ |
½ |
½ |
2,5 |
6,25 |
0,0 |
4 |
WGM |
Reizniece-Ozola,Dana |
2279 |
LAT |
0 |
0 |
½ |
* |
1 |
1 |
2,5 |
5,25 |
0,0 |
5 |
GM |
Hübner,Robert,Dr. |
2574 |
GER |
½ |
½ |
½ |
0 |
* |
½ |
2,0 |
5,25 |
1,0 |
|
FM |
Meißner,Felix |
2362 |
GER |
½ |
½ |
½ |
0 |
½ |
* |
2,0 |
5,25 |
1,0 |
Anmerkung:
Wtg1: Sonneborn-Berger-Wertung variabel
Wtg2: das/die Ergebnis(se) der betroffenen Spieler gegeneinander
Gruppenbild mit Dame
Darüber hinaus gab es ein Schnellschachturnier, das Norman Schütze gewann.
Am kommenden Wochenende werden weitere Turniere gespielt: das Landespokalfinale, ein Blitzturnier, ein Kinderschachturnier und ein Manschaftsblitzturnier für Vierermannschaften.
Webseite des SG Löberitz...
Schachmuseum Löberitz...