160 Jahre Miksa Weiß

von André Schulz
21.07.2017 – Max "Miksa" Weiß war ein Wiener Schachmeister, der mit seinem sehr soliden Stil, im Gegensatz zum damals üblichen Angriffsschach, als Begründer der "Wiener Schule" betrachtet wird. Später wurde Carl Schlechter ihr herausragender Vertreter. Heute vor 160 Jahren wurde Miksa Weiß geboren.

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Max Weiß, auch Miksa Weiß, wurde  heute vor 160 Jahren, am 21. Juli 1857 in Szered geboren, einem Ort, etwa 100 km östlich von Wien gelegen, damals zu Ungarn gehörend, heute slowakisch. Bald nach der Geburt des Sohnes übersiedelte die Familie nach Wien. Max Weiß besuchte die Mittelschule und begann ein Mathematik-Studium für das Lehramt. Während seiner Studienzeit verfiel er jedoch dem Schachspiel und wurde Berufsspieler.

In seiner aktiven Zeit von 1880 bis 1896 begründete er die so genannte "Wiener Schule", deren Spieler sich durch eine besonders sichere und solide Spielweise auszeichneten, während es unter den Zeitgenossen vorher üblich war, schneidig auf Angriff zu spielen. Später war Carl Schlechter der herausragende Vertreter der neuen Spielweise. Für die Zeit von 1887 bis 1890 zählt der Statistiker Jeff Sonas in seiner Elo-Berechnung von historischen Spielern Miksa Weiß als drittbesten Spieler seiner Zeit, anfangs hinter Wilhelm Steinitz und Joseph Blackburne, dann hinter Emanuel Lasker und Wilhelm Steinitz.

Der erste Turniersieg gelang Weiß 1880 im Handicap-Turnier des Wiener Café Aula vor Markus Kann und Vinzenz Hruby. Hruby stammte aus Böhmen und arbeitete als Lehrer in Triest. Den Namen von Markus Kann, zum zeitpunkt des Turnieres schon 60 Jahre alt, kennen die meisten Schachspieler aus der Caro-Kann Verteidigung.

1880 nahm Weiß in Graz auch an seinem ersten Meisterturnier teil, das er nach regulärem Verlauf zusammen mit Johannes Minckwitz und Adolf Schwarz als geteilter Erster bis Dritter beendete. Nach Stichkampf wurde er Dritter. Das Winterturnier der Wiener Schachgesellschaft 1880/81 beendete er als Zweiter hinter Alexander Wittek und vor Moritz Porges. Wittek war eigentlich Architekt und arbeitete in Bosnien-Herzegowina. Nach seinen Pläanen entstand das Rathaus von Sarajewo. Über Moritz Porges, einen tschechisch-jüdischen Meister, erfährt man auf der Familienseite der Familie Porges mehr.

1882 nahm Weiß in Wien an seinem ersten internationalen Turnier teil. Das Turnier wurde doppelrundig gespielt und Weiß landete als Zehnter im Mittelfeld, konnte dabei aber Michail Tschigorin und Johannes Zukertort beide Male schlagen. Beim Turnier in Nürnberg 1883 wurde er mit 50% ebenfalls Zehnter. Hier gelang ihm ein Sieg gegen den Turniersieger Syzmon Winawer. 1885 beim 4. DSB-Kongress in Hamburg belegte Weiß den zweiten bis sechsten Platz, unter anderem punktgleich mit Siegbert Tarrasch. Das Turnier gewann Isidor Gunsberg. Es folgten Turniere in Frankfurt (1887, Zweiter bis Dritter), Bradford (1888, Sechster) und als Höhepunkt seiner Karriere der Turniersieg beim Turnier in New York 1889. Weiß beendete das Turnier als geteilter Erster mit Mihail Tschigorin. Ein Stichkampf endete ebenfalls nach vier Remis ohne Sieger.

New York 1889: Weiß spielt gegen Tschigorin (mit Bart)

Mit 50 Runden war diese eines der längsten Schachturniere der Geschichte. Eigentlich war dieses Turnier als Qualifikationsturnier für einen WM-Kampf gegen Steinitz gedacht, doch Weiß verzichtete, ebenso wie Tschigorin, der kurz zuvor schon gegen Steinitz in einem WM-Kampf unterlegen war. So empfahl sich Isidor Gunsberg mit seinem dritten Platz als Gegner von Steinitz. Das Buch von Steinitz über dieses Turnier wird unter Sammlern heute mit 2500 Euro gehandelt. 

Nach dem New Yorker Turnier spielte Weiß nur noch Turniere in Wien: 1890 gewann er das Kolisch-Turnier ohne Niederlage. 1895 wurde er Zweiter hinter hinter Georg Marco im Turnier der Wiener Schachgesellschaft. Einen Wettkampf gegen Marco gewann Weiß im gleichen Jahr mit 5:1 nach Siegen bei einer Remispartie. Den Vierkampf in Wien 1896 mit Berthold Englisch, Carl Schlechter und Georg Marco beendete Weiß als zwar Letzter, doch das Feld lag mit vielen Remisen eng beisammen. Dies war sein letztes Schachturnier. Danach trat Miksa Weiß nur noch in einem Telegraphenmatch Wien-Berlin 1911 (mit einem Remis gegen Berthold Lasker) als Schachspieler in Erscheinung.

Von 1896 bis 1889 übernahm Weiß die Aufgabe als Sekretär der Wiener Schachgesellschaft. Dort war seit 1872 Baron Albert von Rothschild Präsident, ein leidenschaftlicher Schachfreund, der als vermutlich reichster Mann Europas viele Wiener Spieler finanziell unterstützte. Seine Rothschild-Bank gründete er 1874. Vizepräsident der Schachgesellschaft war Ignaz von Kolisch, der es mit Hilfe von Rothschild durch Börsenspekulationen ebenfalls zu einem Vermögen gebracht hatte und der nach seinem Rückzug vom Turnierschach als Mäzen und Organisator in Erscheinung trat. 1890 war auch Miksa Weiß in die Rothschild-Bank eingetreten und hatte eine Arbeit als "Depot-Kassier" begonnen.

Schach spielte Weiß nach 1896 nur noch in freien Partien, gerne am Wochenende in den Räumen der Wiener Schachgesellschaft und häufig gegen Moreno Haim (oder Haim Moreno), dem Weiß einen Springer vorgab. Die letzte dieser Partien wurde laut Wiener Schachzeitung am 20. Februar 1927 gespielt. Weiß soll sich an diesem Tag schon nicht mehr wohl gefühlt haben. Er verließ den Klub und kehrte nie wieder. Am 14. März 1927 starb Max Weiß, kurz vor Vollendung seines 70sten Lebensjahres, an den Folgen eines Schlaganfalls. Von seinem Tod erfuhren seine Schachfreunde erst am 15. März.

Miksa Weiß wird als zurückhaltender und bescheidener Charakter beschrieben. An Diskussionen über die Vorzüge bestimmter Spielweisen habe er sich niemals beteiligt, heißt es im Nachruf der Wiener Schachzeitung. Von ihm ist folgendes Zitat überliefert: "Der ärmste Schachspieler ist mehr zu beneiden als der begünstigste Diener des goldenen Kalbes."

 

Max "Miksa" Weiß wird gerne mit dem Bamberger Schachspieler und Max Ignaz Weiß verwechselt. Von diesem und nicht von Miksa Weiß stammen die Bücher "Schach-Meisterstreiche" (Mühlhausen 1918), "Kleines Schachlehrbuch" (Mühlhausen 1920) und die Problemsammlung "Caissa Bambergensis" (Bamberg 1902).


André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.

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