18-jähriger gewinnt die Australischen Meisterschaften 2020

von Johannes Fischer
15.01.2020 – Temur Kuybokarov wurde am 22. Juli 2000 in Taschkent, der Hauptstadt Usbekistans, geboren. 2016 zog er mit seinen Eltern ins australische Perth und seit 2018, dem Jahr, in dem er Großmeister wurde, spielt Kuybokarov für Australien. Dieses Jahr wurde er australischer Meister. Der 18-jährige gewann die Landesmeisterschaften, die vom 2. bis 13. Januar in Sydney stattfanden, mit 9 aus 11 souverän.

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Australische Meisterschaften 2020

Die australischen Landesmeisterschaften, in denen nur Spieler starten können, die Mitglied des australischen Schachverbands sind oder längere Zeit in Australien gelebt haben, finden alle zwei Jahre im Wechsel mit den offenen australischen Meisterschaften statt, an denen Spieler aus aller Welt teilnehmen können. Die australischen Meisterschaften haben eine lange Tradition. Die erste offizielle australische Meisterschaft wurde 1885 gespielt, als das Land noch englische Kolonie war. Initiator dieser Meisterschaft war George H. D. Gossip, Schachenthusiast, Autor, Journalist und Übersetzer.

Gossip wurde 1841 in New York geboren, aber wuchs in England auf. Er spielte im Laufe seines Lebens gegen einige Spitzenspieler der damaligen Zeit, aber landete in Turnieren meist auf den hinteren Plätzen. Anfang 1883 verließ Gossip zusammen mit seiner Frau und ihren vier Kindern England, um in Australien sein Glück zu suchen. Er schrieb als Journalist für eine Reihe australischer Zeitungen, aber blieb auch seiner Schachleidenschaft treu. Selbstbewusst schickte er allen australischen Schachspielern 1885 eine Herausforderung: Gossip erklärte er sich bereit, gegen jeden beliebigen Spieler in Australien in einem Wettkampf um 20 Pfund anzutreten. Der Sieger, so Gossip, sollte nicht nur das Preisgeld bekommen, sondern durfte sich auch australischer Meister nennen.

Frederick Karl Esling, Ingenieur von Beruf und einer der besten Spieler Melbournes, nahm die Herausforderung an und wies Gossip in einem überraschend kurzen Wettkampf in seine Schranken. Esling gewann die erste Partie und stand in der zweiten besser, als Gossip den Wettkampf aus Krankheitsgründen abbrach. 65 Jahre später, 1950, erklärte der Australische Schachverband diese kurze Begegnung, in der nur eine Partie von Anfang bis Ende gespielt wurde, zur ersten offiziellen australischen Meisterschaft, und machte den am 20. Juli 1860 geborenen Esling im Alter von 90 Jahren und fünf Jahre vor seinem Tod am 31. Juli 1955 zum ersten offiziellen australischen Meister.

Frederick Karl Esling | Foto: Stuart Tompkins /Box Hill via Wikipedia

Der Wettkampf zwischen Gossip und Esling mag kurz gewesen sein, aber er begründete eine Tradition: zwei Jahre später, 1887, fand in Adelaide die zweite australische Meisterschaft statt, dieses Mal als Turnier. Henry Charlick gewann mit 7,5 aus 9 vor Esling, der mit einem halben Punkt Rückstand auf Platz zwei landete.

2020

Auch die australische Meisterschaft 2020 war ein Turnier: 21 Teilnehmer spielen elf Runden nach Schweizer System. Anton Smirnov, Bobby Cheng und Zong-Yuan Zhao, die ersten drei der australischen Rangliste, gingen allerdings nicht an den Start und auch Titelverteidiger Max Illingworth, der australische Meister von 2018, fehlte. So war Temur Kuybokarov mit einer Elo-Zahl von 2523 die Nummer 1 der Setzliste und Elo-Favorit.

Dieser Rolle wurde der 18-jährige mehr als gerecht. Er begann das Turnier mit 5 aus 5, bis dann doch etwas Sand ins Getriebe kam und er in Runde 6 gegen FM Christopher Wallis (Elo 2322) verlor.

 

Doch Kuybokarov fing sich schnell wieder und gewann seine nächsten drei Partien. Damit lag er nach 9 von 11 Runden mit 8 aus 9 zwei Runden vor Schluss ganze 1,5 Punkte vor IM Junta Ikeda und ihm zwei Remispartien in den Runden 10 und 11, um mit 9 aus 11 australischer Meister 2020 zu werden.

Sein wichtigster Sieg gelang Kuybokarov in Runde 4. Er überspielte Ikeda, der später Zweiter wurde, mit Schwarz in einer energischen Partie.

 

Temur Kuybokarov | Foto: Turnierseite

Schlussstand nach 11 Runden

Rk. SNo   Name FED Rtg Pts.  TB1   TB2   TB3 
1 1 GM Kuybokarov Temur AUS 2523 9,0 69,5 56,5 57,25
2 2 IM Ikeda Junta AUS 2438 8,5 70,0 56,5 51,25
3 5 IM Bjelobrk Igor AUS 2403 7,5 66,0 53,5 41,50
4 3 IM Clarke Brandon G I ENG 2438 7,0 68,0 56,0 37,00
5 6 FM Wallis Christopher AUS 2322 6,5 66,5 54,0 36,75
6 8 FM Puccini Jack AUS 2265 6,5 64,5 52,5 31,75
7 11 FM Hu Jason AUS 2159 6,5 64,5 52,0 33,00
8 4 IM McClymont Brodie AUS 2421 6,0 72,0 59,0 37,25
9 9 WGM Zhang Jilin AUS 2237 6,0 64,0 52,0 29,25
10 17 FM Kethro Michael AUS 2093 6,0 57,5 46,5 28,25
11 12 FM O`Chee Kevin AUS 2156 5,5 66,0 53,0 30,50
12 7 IM Solomon Stephen J AUS 2319 5,5 63,0 51,0 25,00
13 15   Lo Willis AUS 2108 5,5 51,5 41,0 22,00
14 10   McGowan Cameron AUS 2221 5,0 60,5 48,0 20,50
15 19   Parle Hughston AUS 2057 5,0 50,0 41,0 19,50
16 16   Kargosha Bahman AUS 2101 4,5 59,5 48,5 21,25
17 14   Huynh Arthur AUS 2136 4,5 49,5 40,0 18,00
18 20   Bayaca Sterling AUS 1994 4,5 49,0 40,0 20,50
19 13 FM Nakauchi Gene AUS 2150 4,0 54,0 43,5 16,75
20 18 CM Ng Clive AUS 2061 4,0 50,0 40,5 15,75
21 21 AGM Plant John Stuart AUS 1993 3,5 54,5 44,0 12,50

Partien

 

Turnierseite


Johannes Fischer, Jahrgang 1963, ist FIDE-Meister und hat in Frankfurt am Main Literaturwissenschaft studiert. Er lebt und arbeitet in Nürnberg als Übersetzer, Redakteur und Autor. Er schreibt regelmäßig für KARL und veröffentlicht auf seinem eigenen Blog Schöner Schein "Notizen über Film, Literatur und Schach".

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