"20 Halbzüge nach 30 Millionen Jahren"

von Stephan Oliver Platz
20.11.2017 – Im Jahr 1980 steckte das Computerschach noch in den Kinderschuhen. Um eine Suchtiefe von 20 Halbzügen zu erreichen, würde ein Computer 30 Millionen Jahre brauchen, wurde damals geschätzt. Ach wie schnell vergehen im Computerschach doch 30 Millionen Jahre, scherzt Stephan Oliver Platz in seinem Überblick über die Entwicklung der letzten zehn Jahre. (Foto: Frederic Friedel)
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Die atemberaubende Entwicklung des Computerschachs von 2007 - 2017
- Ein Rückblick

In den letzten zehn Jahren hat sich die Landschaft im Computerschach gewaltig verändert. Immer mehr und stärkere Programme versetzen die Schachfreunde in Erstaunen, helfen bei der Analyse von Partien und spielen natürlich auch beim Schachtraining und in der Eröffnungsvorbereitung eine immer bedeutendere Rolle. Letzte Woche erschien mit Fritz 16 die neueste Version des Klassikers unter den Schachprogrammen. Im Mai bzw. Oktober 2017 hatte ChessBase mit Komodo 11 und Houdini 6 bereits zwei der stärksten kommerziellen Schachprogramme auf den Markt gebracht.

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Houdini und Komodo qualifizierten sich in der Nacht auf Montag als beste von insgesamt 24 angetretenen Teilnehmern für das „Superfinale“ des seit dem 14. Oktober laufenden TCEC-Turniers („TCEC 10“). In diesem Beitrag möchte ich daher auf die wichtigsten Entwicklungen im Computerschach von 2007 bis 2017 eingehen:

2007: Zappa gewinnt gegen Rybka

In meinem letzten Beitrag beschäftigte ich mich ausführlich mit dem 5 ½ : 4 ½ Sieg von Zappa gegen Rybka in Mexico City 2007. Der Vizeweltmeister bezwang den Computerschachweltmeister des Jahres 2007 in einem an spannenden Partien reichen, dramatischen Wettkampf, während im selben Hotel parallel dazu GM Vishy Anand das Weltmeisterschaftsturnier der FIDE gewann. Wie wäre das WM-Turnier wohl ausgegangen, wenn Zappa und Rybka mitgespielt hätten? Eine müßige Frage, denn ebensogut könnte man Spekulationen darüber anstellen, wie die schnellsten 100-Meter-Läufer wohl gegen einen Formel-1-Rennwagen abschneiden würden. Und außerdem: Fehlerlos haben weder Zappa, noch Rybka gespielt. In der Tat offenbarte der Wettkampf einige Schwächen und hat eben dadurch wesentlich zur Weiterentwicklung vor allem von Rybka beigetragen. Eine deutlich verbesserte neue Version (Rybka 3) kam Ende Juli 2008 auf den Markt und führte wiederum klar in den ELO-Ranglisten.

2008 - 2010: Rybka wieder an der Spitze

Während Rybka-Entwickler Vasik Rajlich mit Rybka 3 erfolgreich neu durchstartete, zog sich Anthony Cozzie kurz nach Fertigstellung seiner neuen Zappa-Version („Zappa Mexico II“) Ende Januar 2008 aus der Schachprogrammierung zurück und nahm daher auch nicht an der Schachcomputerweltmeisterschaft 2008 in Peking teil, welche Rybka mit 8 aus 9 vor Hiarcs (7) und Junior (6) für sich entscheiden konnte.
In Pamplona 2009 siegte wiederum Rybka mit 8 aus 9 vor den punktgleichen Deep Sjeng, Shredder und Junior (je 6 1/2).

In Kanazawa 2010 wurde Rybka, und zwar erneut mit 8 von 9 Punkten, zum vierten und letzten mal Computerschachweltmeister. Den 2. Platz teilten sich Rondo und Thinker (je 6 1/2). Vierter wurde Shredder von Stefan Meyer-Kahlen (6 Punkte), Fünfter Jonny von Johannes Zwanzger (5 1/2). Interessant dabei ist, dass mit „Rondo“ eine von Zach Wegner weiterentwickelte Version von Zappa an dem Turnier teilnahm. Anthony Cozzie hatte ihm dafür den Zappa-Quellcode zur Verfügung gestellt. Leider wurde die Arbeit daran nicht fortgesetzt, jedenfalls konnte ich keine Rondo-Version finden, welche zum Download oder Kauf angeboten wird. Die Partie zwischen Rybka und Rondo endete übrigens remis. (a)

Die überraschende nachträgliche Disqualifikation von Rybka und ihre Folgen

Zur Überraschung und zum Entsetzen vieler Fans wurden Rybka im Jahre 2011 von der ICGA (International Computer Games Association) alle Weltmeistertitel nachträglich wieder aberkannt, weil angeblich Quellcode von Crafty und Fruit übernommen wurde und damit die von der ICGA geforderte Originalität des Programms nicht mehr gewährleistet gewesen sei. In diesem Punkt sind die Meinungen der Experten jedoch geteilt. Der bekannteste Computerexperte, welcher sich gegen die nachträgliche Disqualifikation von Rybka aussprach, ist wohl Dr. Sören Riis (b), der von dem Rebel-Programmierer Ed Schröder unterstützt wird. Wie konnte es zu einer solchen Entwicklung kommen?

Von Fruit zu Rybka

Hier müssen wir einige Jahre weiter zurückblicken, als nämlich 2005 der französische Programmierer Fabien Letouzey sein Programm Fruit 2.1 quelloffen unter der GPL (General Public License) veröffentlichte (c) und bei der Computerweltmeisterschaft Zweiter hinter Zappa wurde. Der Internationale Meister Vasik Rajlich studierte, wie er bereits in einem Interview vom Dezember 2005 (d) freimütig zugab, den Fruit-Quellcode “rauf und runter” und übernahm vieles daraus in sein eigenes Schachprogramm Rybka. (“I went through the Fruit 2.1 source code forwards and backwards and took many things.”) Dies blieb nicht ohne Folgen. In dem Computerschachmagazin “Selected Search”, Ausgabe Februar/März 2011, wies der kanadische Programmierer Peter Skinner darauf hin, dass bald nach der Veröffentlichung des Fruit-Quellcodes die Spielstärke von Rybka, welche zuvor etwa 1800 ELO betragen hatte, innerhalb von nur 16 Monaten um 1200 ELO-Punkte zunahm. (e)

Auch ist bekannt, dass viele Schachprogrammierer sich an dem quelloffenen Programm Crafty orientieren (f), um einige grundlegende Konzepte, wie z. B. die Darstellung des Schachbretts und der Figuren zu implementieren, anstatt sozusagen jedesmal “das Rad neu erfinden zu müssen”. Wie das rechtlich oder moralisch zu bewerten ist, ist natürlich eine andere Frage. Jedenfalls dürfte der Crafty-Quellcode wohl kaum dafür verantwortlich gemacht werden, dass Vasik Rajlich mit seinem Programm einen so gewaltigen Spielstärkenzuwachs erzielen konnte, denn die damaligen Crafty-Versionen waren um mehrere hundert ELO-Punkte schwächer als Rybka. Einige Beispiele: Crafty 23.4 und Rybka 4, beide 2010 erschienen, trennen in den CCRL-ELO-Listen satte 280 ELO-Punkte. Selbst die neueste Crafty-Version (Crafty 25.2 von 2016) liegt immer noch um etwa 120 ELO-Punkte hinter Rybka 4. Aber auch die weiterentwickelte Fruit-Version 2.3.1 vom August 2007 kam nicht an die 9 Monate vorher veröffentlichte Rybka-Version 2.2 heran: 2887 ELO für Rybka 2.2 gegen 2785 ELO für Fruit 2.3.1, also gut 100 ELO mehr für Rybka. (Damit nicht Äpfel mit Birnen verglichen werden, habe ich hier zum Vergleich die 32-bit-Versionen auf 1 Prozessor herangezogen, denn im Gegensatz zu Rybka 2.2. ist Fruit 2.3.1 nicht multiprozessorfähig. Mit 64-bit und 4CPU kommt Rybka 2.2 bereits auf 2978 ELO-Punkte.)

Kritiker der Rybka-Disqualifikation wiesen auch auf folgenden Umstand hin: Das Interview, in welchem Vasik Rajlich freimütig zugegeben hatte, vieles von Fruit übernommen zu haben, war zu dem Zeitpunkt, als Rybka zu den Computerweltmeisterschaften der Jahre 2006 – 2010 zugelassen wurde, bereits bekannt. Also hätte eine Disqualifikation des Programms dann doch vorher und nicht erst Jahre später erfolgen müssen.

Durch die Disqualifikation von Rybka wurden nachträglich die Zweitplazierten der Schachcomputer-Weltmeisterschaften zum Sieger erklärt, und zwar Zappa (2007), HIARCS (2008), Shredder, Deep Sjeng und Junior (2009) sowie Rondo und Thinker (2010).

Ob die Disqualifikation berechtigt war oder nicht, darüber soll sich jeder Computerschachfreund seine eigene Meinung bilden. Eines jedoch steht fest: Vasik Rajlich hat im Computerschach Bahnbrechendes geleistet, indem er nämlich die Arbeit von Fabien Letouzey weiterführte, sie mit eigenen Ideen bereicherte und optimierte. So wurde Rybka nicht nur schneller, sondern auch besser als die Konkurrenz, und zwar sowohl in positioneller wie auch (besonders ab Version 3) in taktischer Hinsicht.

Von Rybka zu IPPOLIT

Ironischerweise machten einige unbekannte Programmierer 2009 mit Rybka genau das, was Jahre vorher V. Rajlich mit Fruit gemacht hatte, nur mit dem Unterschied, dass sie sich den Rybka-Quellcode vermutlich durch Disassembling beschafften. Diese unbekannten Programmierer studierten den Aufbau von Rybka 3 sehr genau und auch andere Programme wie Fruit, Strelka usw. und entwickelten aus all diesen Ingredienzien ein abermals verbessertes Schachprogramm, das sie 2009 unter dem Namen "IPPOLIT" quelloffen veröffentlichten.

Nur ein Clone von Rybka 3?

Vasik Rajlich beschuldigte die Programmierer, einen “Clone” von Rybka 3 veröffentlicht zu haben, doch wenn man sich die lebhaften Diskussionen in den Internetforen ansieht (g), so findet man dort viele Stimmen, welche dies verneinen. Warum sollten sich die Programmierer die Mühe machen, einen Clone von Rybka zu erstellen und diesem dann hinterher die Multiprozessorfähigkeit wegnehmen und ebenso die Multi-PV-Fähigkeit (so dass bei der Analyse von Stellungen mehr als eine Variante angezeigt werden kann)? Auch fiel IPPOLIT-Testern auf, dass das neue Programm im Endspiel deutlich stärker ist als Rybka 3. Unmöglich gemacht wurde die Aufklärung dadurch, dass der Quellcode von Rybka 3 oder wenigstens kleine Teile davon von V. Rajlich nicht herausgegeben wurden.

Viele “neue” Engines

Die Veröffentlichung des IPPOLIT-Quellcodes verschaffte mit einem mal allen Programmierern Einblick in den Aufbau eines Schachprogrammes mit etwa 3100 ELO (gemessen am CCRL-Standard 40/40). Peter Skinner: “Die Veröffentlichung jenes Codes hat nicht nur die Landschaft des Computerschachs verändert, sondern auch die Hierarchie, auf der viele Ratingsysteme basieren. Das Clonen jenes Codes ist so häufig geworden, dass das Herunterladen und Benutzen dieser Programme nicht nur von den Nutzern akzeptiert, sondern als eine neue Evolution innerhalb des Computerschachs willkommen geheißen wird.” (e)

Man kann in der Tat davon ausgehen, dass viele (wenn nicht die meisten) modernen Schachprogramme davon profitierten. Inwieweit das alles moralisch oder rechtlich zu bewerten ist, soll hier nicht unser Thema sein. Tatsache ist, dass das Computerschach gewaltige Fortschritte machte, seit IPPOLIT 0.080a quelloffen zugänglich ist.

Da wegen der Clone-Vorwürfe IPPOLIT von mehreren Computer-Ranglisten boykottiert wurde, erschienen die neueren Versionen unter neuen Namen als “RobboLito”, “Igorrit”und “IvanHoe”. Nach und nach wurden fehlende Funktionen wie Multiprozessorfähigkeit, Multi-PV usw. implementiert und mit den sogenannten "Robbobases" auch eigene Endspieltabellen für Endspiele mit bis zu 6 Steinen entwickelt. Andere führende Schachprogrammierer wie Kranium und Sentinel versuchten, das beste aus den vier IPPOLIT-Varianten zu vereinen. Daraus entstanden “Firebird” und “Fire” (bis Version 3.0). Auf der Chess Logik Seite wird behauptet, dass Robert Houdart seine frühen Houdini-Versionen auf dem Quellcode von RobboLito aufgebaut habe. (h) José Maria Velasco gibt offen zu, dass sein Spitzenprogramm “Bouquet” auf IPPOLIT zurückgeht. Ebenso verhält es sich mit “ippos” von Roberto Munter. Weiterentwicklungen von IvanHoe sind u. a. “PanChess”, “Deep Saros” und “Vitruvius”. Aus Igorrit entstand “Elektro”usw. usf. (i)

Die mit dem Quellcode der IPPOLIT-Programme offengelegten Konzepte und Ideen wurden zum Teil einfach übernommen, aber auch vielfach verbessert und weiterentwickelt. So bekam die Entwicklung im Computerschach einen weiteren gewaltigen Schub.

Houdini 6 Pro

Houdini 6 macht dort weiter, wo sein Vorgänger aufgehört hat: die neue Version legt bei der Spielstärke noch einmal 60 Elo-Punkte oben drauf. Damit ist Houdini wieder das beste Schachprogramm, das es derzeit auf dem Markt gibt.

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Houdini - die neue Nummer 1

Ich kann mir vorstellen, dass die Funktionäre der ICGA die langfristigen Folgen ihrer Rybka-Disqualifikation nicht richtig einschätzten (j). Denn was ist schon eine Computerschachweltmeisterschaft ohne das weltbeste Programm? Seit der Disqualifikation von Rybka im Jahre 2011 verlagerte sich denn auch das Interesse der Computerschachfreunde mehr und mehr auf das TCEC-Turnier (k), welches seitdem von vielen als die eigentliche Computerschachweltmeisterschaft angesehen wird. Dort durfte nämlich Rybka weiterhin antreten, und auch andere starke Programme wurden zugelassen, welche bei den ICGA-Turnieren fehlten. Der Wert dieses Wettbewerbs wird noch dadurch gesteigert, dass alle teilnehmenden Programme auf identischer Hardware laufen und nach mehreren Vorrunden die beiden stärksten in einem sogenannten “Superfinale” gegeneinander antreten. Dabei spielt jeder der beiden Teilnehmer dieselben Eröffnungsstellungen zweimal, und zwar einmal mit Weiß und einmal mit Schwarz. Das trägt natürlich dazu bei, die Chancen gerechter zu verteilen.

„Season 1“, welche von Dezember 2010 bis Februar 2011 ausgetragen wurde, gewann Houdini 1.5a nach Finalsieg über Rybka 4. Der Houdini-Entwickler Robert Houdart aus Belgien soll, wie bereits erwähnt, sein Programm auf der Grundlage der IPPOLIT-Version RobboLito erstellt haben (h). Wenn dies stimmt, so hat er es jedenfalls geschafft, dieses Programm zu verbessern und es auch schneller zu machen. Auch im Endspielbereich, wo IPPOLIT ohnehin schon sehr stark ist, wurde zusätzliches Wissen implementiert, z. B. Festungsstellungen, die von vielen anderen Programmen auch heute noch falsch eingeschätzt werden. Auf Robert Houdart's Homepage befand sich übrigens bis vor Erscheinen der Version 5 der Hinweis, dass viele Ideen und Techniken von den Open Source Programmen IPPOLIT und Stockfish übernommen wurden. (l) Dies zeigt deutlich den positiven Einfluss quelloffener Programme auf die Spielstärke-Entwicklung im Computerschach.

„Season 2“ (Februar - April 2011) gewann wiederum Houdini 1.5a, diesmal vor Rybka 4.1.

(„Season 3“ wurde nicht zu Ende gespielt, daher kein TCEC-Sieger 2012)

„Season 4“ (Januar - Mai 2013) konnte Houdini 3 nach Finalsieg über Stockfish 250413 für sich entscheiden.

Komodo und Stockfish auf Platz 1 und 2

„Season 5“ gewann Komodo 1142 vor Stockfish 191113. Damit war das ursprünglich von Don Dailey und Larry Kaufman entwickelte Programm (zunächst hieß es „Doch“, wurde dann aber in „Komodo“ umbenannt) in die absolute Weltspitze vorgestoßen. Leider verstarb Don Dailey kurz vor dem Sieg von Komodo am 22. November 2013 im Alter von 57 Jahren. Im Oktober desselben Jahres hatte er Mark Lefler ins Team geholt, der seitdem zusammen mit Larry Kaufman Komodo weiterentwickelt. (m)

„Season 6“ (Februar - Mai 2014) sah erstmals Stockfish 1705114 als Sieger, der sich im Superfinale gegen Komodo 7 durchsetzen konnte. Stockfish basiert auf dem Open Source Programm Glaurung 2.1 des Norwegers Tord Romstad. Außer ihm selbst arbeiten Marco Costalba, Joona Kiiski, Gary Linscott und zahlreiche andere Programmierer aus etlichen Ländern mit großem Erfolg gemeinsam an der Weiterentwicklung des Programms. (n)

„Season 7“ (September - Dezember 2014) gewann Komodo 1333 vor Stockfish 141214.

„Season 8“ (August bis November 2015) gewann Komodo 9.3 vor Stockfish 021115.

„Season 9“ (Mai bis Dezember 2016) entschied Stockfish 8 für sich nach einem packenden Superfinale über 100 Partien gegen Houdini 5.

„Season 10“ wird seit dem 14. Oktober 2017 ausgetragen. Im ersten Durchgang („Stage 1“) trafen 24 Programme aufeinander.

Der zweite Durchgang („Stage 2“) mit den besten acht entwickelte sich zu einem spannenden Dreikampf zwischen Houdini, Komodo und Vorjahressieger Stockfish. Am Ende hatten Houdini und Komodo mit je 18 1/2 von 28 möglichen Punkten die Nase vorn, während Stockfish (18) knapp die Qualifikation für das Superfinale verpasste. Die weiteren Plätze belegten Fire (15), Chiron (11 1/2), Ginkgo (10 1/2) sowie Andscacs und Boot (je 10).


Das Superfinale über 100 Partien bestreiten damit Houdini und Komodo. Es beginnt voraussichtlich am Montagabend um 20 Uhr. Die Programmierer dürfen für dieses neue, verbesserte Programmversionen einreichen.

Die Tabelle nach Abschluss des zweiten Durchgangs:

Komodo Chess 11

Das mehrfache Weltmeisterprogramm kommt jetzt in einer neuen, noch spielstärkeren Version. Komodo 11 ist dank US-Großmeister Larry Kaufman als Co-Autor der Stratege unter den Spitzenprogrammen!

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Das Fortschreiten der Technik zeigt sich übrigens auch daran, dass im bevorstehenden Wettkampf Houdini und Komodo auf 44 Prozessoren laufen werden, während Zappa und Rybka 2007 „nur“ 8 zur Verfügung standen.

Eine amüsante Zukunftsprognose aus dem Jahre 1980

Eine interessante Tabelle zum “Rechenaufwand für Stellungs-Analysen” fand ich in dem 1980 erschienenen Buch “Schach dem Computer” (o). In dem Kapitel “Wie ein Computer Schach spielen lernt” gibt Autor Frieder Schwenkel folgende Rechenzeiten für Rechentiefen von bis zu 20 Halbzügen:

Es fängt harmlos an mit 0,5 Sekunden für einen Halbzug, 3 Sekunden für 2 und 20 Sekunden für 3 Halbzüge. Für 5 Halbzüge veranschlagt er 15 Minuten, für 7 Halbzüge 10 Stunden, aber für 10 Halbzüge bereits 1 / 4 Jahr.

Um 15 Halbzüge weit zu rechnen, werden 2500 Jahre (!) veranschlagt, und für 20 Halbzüge sogar 30 Millionen (!) Jahre.

Sein Fazit:

“Irgendwo zwischen 20 und 25 Halbzügen werden auch die schnellsten Computer der fernen Zukunft kapitulieren müssen.”

Rechentiefen von 20 bis 25 Halbzügen sind für moderne Schachprogramme eine leichte Aufgabe. Da kann man nur sagen: Wie schnell vergehen doch heutzutage 30 Millionen Jahre!

Über 400 ELO Spielstärkezuwachs in nur 10 Jahren

Während des Zappa-Rybka Matches im September 2007 trafen die beiden zu jener Zeit stärksten Schachprogramme aufeinander. Zehn Jahre später führten die in den TCEC-Spielzeiten erfolgreichen Komodo, Stockfish und Houdini die Ranglisten an. In der bereinigten CCRL-ELO-Liste (r) vom 9. September 2017 (Bedenkzeit: 40 Züge in je 40 Minuten) belegte Komodo 11.2 (64-bit, 4CPU) Platz 1 mit 3440 ELO-Punkten vor Stockfish 8 (3423) und Houdini 5.01 (3411). Die letzte Zappa-Version (Zappa Mexico II) vom Januar 2008 brachte es mit 3017 ELO-Punkten immerhin noch auf Rang 26. Sie ist auf 4CPU (Quadcore = 4 Prozessoren) um ungefähr 10 ELO stärker als diejenige Zappa-Version, welche 2007 Rybka mit 5 ½ : 4 ½ besiegte. Somit ergibt sich eine Differenz von 433 ELO-Punkten zwischen Zappa Mexico aus dem Jahre 2007 und Komodo 11.2 von 2017. Das zeigt, dass die Spitzenengines im Laufe von 10 Jahren gewaltig an Spielstärke zugelegt haben!

Mehr ELO = besser für die Partieanalyse?

Hier möchte ich das oben Gesagte etwas einschränken, denn nach meiner Beobachtung setzen doch einige Programmierer zu sehr darauf, in Computer-gegen-Computer Duellen gut auszusehen und lassen ihre Schützlinge bei der Suche nach dem besten Zug zu selektiv vorgehen. Diese Programme erreichen dann zwar beeindruckende Suchtiefen, übersehen aber mitunter brilliante Züge, so z. B. in folgender Stellung aus der Partie Jeroen Piket – Ilia Smirin (Interzonenturnier Biel 1993), Stellung nach dem 30. Zuge von Schwarz: 

 


Piket gewann hier mit dem Damenopfer 31.Dxd7! Txd7 32.Txd7 Td8 33.Te7, wonach die Drohungen Tc1-c7 und Sf3xe5 das Spiel zugunsten von Weiß entschieden.

Auf meinem Acer Aspire V5 (Dualcore mit 1,6 GHz) brauchte Crafty 23.4 (erschienen im November 2010) nur 16 Sekunden, um 1.Dd7:! zu finden, während das um über 550 ELO-Punkte stärker eingestufte Top-Programm SugaR XPro 1.2 (Nr. 1 in der CCRL-ELO-Liste vom Oktober 2017), nach über 20 Minuten immer noch den klar schwächeren Zug 1.Da4 anzeigte.

SugaR ist ein von Marco Zerbinati modifizierter “Stockfish” und repräsentierte, weil er inzwischen eine höhere ELO-Zahl als Stockfish 8 erreichte, als solcher in der CCRL “Pure List” 40/40 einige Wochen lang die Stockfish-Familie. Inzwischen hat diese Rolle das ebenfalls von Stockfish abgeleitete Programm asmFish übernommen.

Vasik Rajlich entwickelt jetzt Fritz weiter

Vasik Rajlich hat 2015 die Weiterentwicklung von Fritz übernommen. Fritz 15 war die erste von ihm erarbeitete Fritz-Version. Das ursprünglich von Frans Morsch und Mathias Feist entwickelte Programm erschien erstmals im Jahre 1991 und ist eines der erfolgreichsten Schachprogramme überhaupt. In Erinnerung geblieben ist mir besonders das Blitzturnier im Deutschen Museum in München 1994, in welchem Fritz 3 in einem Teilnehmerfeld hochkarätiger Schachgroßmeister punktgleich mit Weltmeister Kasparov den ersten Platz belegte und sich diesem erst im Stichkampf geschlagen geben musste. 1995 wurde Fritz in Hong Kong Computerweltmeister. Wettkämpfe gegen GM Robert Hübner (2001), Weltmeister Vladimir Kramnik (2002) und Exweltmeister Garry Kasparov (2003) endeten jeweils unentschieden. Die Multiprozessorversion Deep Fritz spielte 2006 in Bonn einen Wettkampf über sechs Partien gegen Weltmeister Vladimir Kramnik und siegte mit 4:2. Die letzten von Frans Morsch entwickelten Versionen (Fritz 13 und Deep Fritz 13) erschienen 2011 und 2012. Für Fritz 14 zeichnete Gyula Horvath verantwortlich. Man darf gespannt sein, wie die neue Version Fritz 16 abschneidet.

In dem Interview vom Dezember 2005 sagte Vasik Rajlich: “Das Hauptziel mit Rybka ist es, unseren Kunden ein nützliches Analysewerkzeug an die Hand zu geben.” (“The main goal with Rybka is to provide a useful analysis tool for our customers.”). Das ist ihm sicherlich sowohl mit Rybka, als auch mit Fritz ausgezeichnet gelungen.

Fritz 16 gibt es ebenso wie die Spitzenengines Houdini, Komodo und Rybka im ChessBase Shop. Unter ihrer grafischen Oberfläche lassen sich mühelos freie UCI-Programme wie z. B. Stockfish 8 oder Bouquet 1.8 hinzufügen und auf diese Weise komfortabel nutzen.

Quellen und Anmerkungen:

(a) vgl. hierzu https://www.game-ai-forum.org/icga-tournaments/competition.php?id=1

(b) http://www.top-5000.nl/riis.pdf

(c) https://chessprogramming.wikispaces.com/Fruit

(d) http://web.archive.org/web/20090222085125/http://www.superchessengine.com/vasik_rajlich.htm

(e) Computerschachmagazin "Selected Search 152", herausgegeben von Eric Hallsworth, Ausgabe Februar-März 2011, S. 17 - 19

(f) https://chessprogramming.wikispaces.com/Crafty

(g) https://en.wikipedia.org/wiki/IPPOLIT

https://chessprogramming.wikispaces.com/Ippolit

Ein Beispiel zur Diskussion bezüglich der Rybka - IPPOLIT Kontroverse:

http://www.talkchess.com/forum/viewtopic.php?topic_view=threads&p=297144&t=30192

In diesem Beitrag zu den Clonevorwürfen gegen das IPPOLIT-Programm zieht ein Diskussionsteilnehmer einen Vergleich mit den Hexenjagden und Ketzerverfolgungen im Mittelalter. Durch Herunterscrollen auf der Seite sieht man, wie heftig das Thema diskutiert wurde.

(h) http://www.chesslogik.com unter "RobboLito"

(i) http://www.chesslogik.com/

https://chessprogramming.wikispaces.com/Fire

http://www.chessvibes.com/?q=reports/chess-engine-controversy/

https://chessprogramming.wikispaces.com/Bouquet

https://chessprogramming.wikispaces.com/Vitruvius

https://chessprogramming.wikispaces.com/Roberto+Munter

http://chessengines.blogspot.de/2016/11/ippos-127-uci-chess-engine-new-version.html

(j) An der ICGA „Computerschachweltmeisterschaft“ 2017 nahmen nur noch 4 (!) Programme teil, vgl. https://icga.leidenuniv.nl/?page_id=1990 und https://chessprogramming.wikispaces.com/WCCC+2017

Kurios auch die Tatsache, dass Jonny auf 2400 (!) Prozessoren lief, Komodo auf 60, Shredder und Chiron nur auf je 32!

(k) TCEC steht für „Thoresen Chess Engines Competition“ oder neuerdings „Top Chess Engine Championship“, vgl. https://en.wikipedia.org/wiki/Top_Chess_Engine_Championship

Hier lässt sich das laufende TCEC-Turnier live verfolgen:

http://tcec.chessdom.com/live.php

Eine Übersicht über die bisherigen TCEC-Turniere mit Partien zum Download gibt es im „Archiv“:

http://tcec.chessdom.com/archive.php

(l) https://web.archive.org/web/20161025012104/http://cruxis.com/chess/houdini.htm

„Without many ideas and techniques from the open source chess engines Ippolit and Stockfish, Houdini would not nearly be as strong as it is now.“

(m) https://chessprogramming.wikispaces.com/Komodo

(n) https://chessprogramming.wikispaces.com/Stockfish

(o) „Schach dem Computer“ von Hans-Peter Ketterling, Frieder Schwenkel und Ossi Weiner (München 1980)

(p) Am zuverlässigsten ist die „Pure List“, denn dort wird die Tatsache, dass neuere Versionen eines Programms überdurchschnittlich gut gegen schwächere Versionen desselben Programms abschneiden, dadurch bereinigt, dass nur die jeweils stärkste Version mitspielt.

Diese ELO-Liste wird laufend aktualisiert, so dass immer wieder kleinere Veränderungen eintreten bzw. nach und nach neuere Programme bzw. Programmversionen hinzukommen.

Die jeweils aktuellste Liste finden Sie hier:

http://www.computerchess.org.uk/ccrl/4040/rating_list_pure.html

  


Stephan Oliver Platz (Jahrgang 1963) ist ein leidenschaftlicher Sammler von Schachbüchern und spielt seit Jahrzehnten erfolgreich in der mittelfränkischen Bezirksliga. Der ehemalige Musiker und Kabarettist arbeitet als freier Journalist und Autor in Hilpoltstein und Berlin.

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