"Ein Leben für
Schachturniere!“ (Laszlo Nagy)
Das First Saturday in Budapest feiert den
20.Geburtstag!
Ein Portrait von Jürgen Brustkern
Der Mann organisierte in 20 Jahren rund 300
Schachveranstaltungen und gehört somit in das Guinessbuch der Rekorde! Fast
jeder Schachspieler kennt seinen Namen und es gibt wohl in der ganzen Welt kein
Land, aus dem nicht mal ein Spieler beim First Saturday in Budapest mitgespielt
hat. Ein Mann mit großen Visionen organisiert seit nunmehr über zwei Jahrzehnten
die weltweit bekannte Turnierserie: es ist der heute 55 Jährige Laszlo Nagy.
Laszlo Nagy
Bevor er seine Turnierserie in der
ungarischen Metropole begann, unterrichtete er als Berufssoldat von 1981-91 bei
der Armee das Fach Chemie. Nagy quittierte seinen Dienst in der Armee und
wollte 1992 gemeinsam mit dem moldawischen Geschäftsmann Fjodor Skripchenko
(Vater der bekannten Frauen GM Almira S.) eine Schachturnierserie organisieren.
In der gesellschaftlichen Aufbruchstimmung Anfang der 90er Jahren entschied sich
Skripchenko jedoch für eine andere Karriere und brachte den Ungar nun in
Zugzwang!
Es zeigt viel über den Charakter von Nagy was dann passierte: Der
vierfache Familienvater traf seine Entscheidung „Schachunternehmer“ zu werden,
in nur 10 Minuten! In Vertrauen auf seine Stärken – Organisation- und
Sprachtalent, spricht 6 Sprachen fließend -und ohne jegliche Unterstützung
startete er im April 1992 sein “Baby“ First Saturday“. Da der Erwerb von
ELO-Zahlen in dieser Zeit noch ein begehrtes Ziel von vielen Westeuropäischen
Schachamateuren war, verdiente Nagy sein erstes „Westgeld“ mit den sogenannten Scheveninger“ ELO-Erwerbsturnieren. Schon bald erkannte der Selfmademen, dass
man aufgrund der starken Titelträgerdichte in Budapest sogenannte Normenturnier
organisieren könnte. Auch hier zeigte Nagy ein gutes Gespür für den kommenden
Schachtrend. Es dauerte nicht mehr lange, und nach einem halben Jahr
organisierte er die ersten IM und GM-Turnier.
Das Konzept war denkbar einfach:
Ausländische Spieler zahlen ein gewisse
Startgeld und bekommen dafür die garantierte Chance auf eine Normenmöglichkeit.
Da die Mehrheit der ambitionierte Schachfreund solche Bedingungen -wie z.B.
Nationalitäten, ELO-Schnitt, Zahl der Titelträger im Open-Turnier oft fehlten-
hatte das First Saturday Mitte bis Ende der 90 er Jahre einen starken Zulauf.
Soziale Denkfabrik First Saturday
Der ehemalige Chemieinstruktor beschäftigt
sich bei seiner Tätigkeit als Turnierorganisator gerne mit „chemischen
Prozessen“, die zur Kontaktpflege bei Menschen eine große Rolle spielen. Dabei
handelt Nagy getreu nach dem Motto, das ihm nichts „menschliches“ fremd sein
darf. Aufgrund der schwierigen ungarischen Sprache, versucht er die Wünsche
seiner Kunden so gut es möglich ist zu erfüllen Dieser gute Kundenservice ist
auch nach 20 Jahren sein Arbeitsprinzip, und die steigende Anzahl seiner
Stammkundschaft bestätigt ihn in seinem eingeschlagenen Weg.
Da Nagy schon lange vor den politischen
Umbruch westlich orientiert war, baute er sukzessive sein
Kommunikationssystem in Richtung Westeuropa aus. In der Anfangszeit scheute der
schachbegeisterte Ungar (beste ELO Zahl 2200) keinerlei Kosten und Zeit seine
von Februar bis Dezember andauernde Turnierserie in der Schachwelt bekannt zu
machen. Neben den endlosen Telefonaten mit verschiedenen Schachföderationen und
Trainer, investierte er am meisten mit Annoncen in der westlichen Schachpresse.
In Zeiten ohne Internet bereiste Nagy viele Länder, um neue Geschäftspartner zu
finden (u.a. auch so "exotische" Länder wie Ägypten, )! In diesem Zusammenhang
gibt es eine lustige Anekdote zu berichten:
Nagy wurde Mitte der 90er Jahre zusammen mit
seinem Schiedsrichter IM Miklos Orso zu einem Rundenturnier nach Helsinki
eingeladen.
Orso, Nagy, Pataki
Nagy verlor alle Partie, gewann aber dann ausgerechnet seine einzige
Partie gegen Orso, der danach untröstlich war. Ab 1994 reiste der Organisator
praktisch zur jeder Olympiade und zu fast allen EU-Meisterschaften, knüpfte neue
Kontakte und verteilte unermüdlich seine Turnier-Prospekte. “Die damalige
Kooperation vor allem mit den schachlichen Schwellenländer zahlte sich
langfristig für mein Unternehmen aus!“ resümierte Nagy heute. Seit dieser
persönlichen Kontaktpflege besuchen Spieler aus Indien, Afrika und Asien
regelmäßig die ungarische Metropole.
Die notwendigen Verhandlungen mit der
Ungarischen Botschaft, verursachen bei Nagy des Öfteren schlaflose Nächte. Denn
die ungarische Regierung ziert sich bisweilen, Spielern aus “Terror-
verdächtigen“ Ländern ein Visum auszustellen oder Ausnahmen zu den üblichen 3
Monatsvisum zu gewähren. So z.B.musste Nagy für das Märzturnier sein ganzes
Verhandlungsgeschick aufwenden, damit 12 Spieler aus Turkmenistan letztendlich
ein Visa ausgestellt bekamen. Die erste und auch weiterhin stärkste
ausländische Personengruppe die regelmäßig zum First Saturday pilgerte, waren
“natürlich“ die Deutschen. Ludger Keitlinghaus und Peter Enders mieteten sich in
Budapest sogar kurzfristig eine Wohnung an.
Der Vietnamesische Geschäftsmann Tran Hoang
(Vater der ungarischen Spitzenspielerin Trang Hoang) sorgte aufgrund seiner
guten Beziehung zur Schachföderation Mitte der 90er Jahre für die regelmäßige
Teilnahme von vietnamesischen Talenten in Budapest. Anfang des Jahrtausend
mietete sich der Chinesische Verband einige Wohnungen an, und gründete eine
Schachkolonie in Budapest. Mit Ausbreitung des Internets konnte Nagy auch viele
Amerikaner längerfristig nach Budapest locken. Die „Normenjäger“ haben nach dem
Ende des First Saturday (im Normalfall zwischen 10-13 Tage) oft die Gelegenheit
bei anderen ungarischen Normenturnier wie z.B. in Kecskemet mitzuspielen.
Viele bekannte Spielerpersönlichkeiten gaben
ihre Visitenkarte in Budapest ab: Teimour Radjabov, Fabio Caruana (lebte 1 Jahr
in Budapest und nahm die Hilfe von GM Tschernin in Anspruch ) ,Vadim Milov,
Liviu-Dieter Nisipeanu, Alexey Yemelin, Humpy Koneru und die vietnamesische
Wunderkinder Liem Quang Le und Ngoc Truongson Nguyen.
Besonders stolz ist der beleibte Ungar aber
auf die Teilnahme des Ungarischen Aushängeschildes Peter Leko. Der von GM
Adorjan trainierte Leko erzielte im April 1993 seine GM-Norm.
Viele spektakuläre Partien wurden gespielt, z.B. die folgende:
Das „Paris des Ostens“ brachte aber auch
viele Schachpaare zusammen:
Eines der bekanntesten ist die polnische
Spietzenspielerin Iweta Radziewicz und der Rybka-Schachprogrammerfinder
IM Vasik Rajlich. Beide lernten sich im Juni 2001 beim First Saturday kennen
(ihre damalige Partie im GM-Turnier endete übrigens nach harten Kampf mit einem
Remis) und sind seit Juli 2011 glücklich Eltern. Die Amerikaner IM William
Paschall, FM Nathan Resika, der Schwabe Tobias Dolgener und der Brite GM Peter
Wells lernten ihre späteren Ehefrauen in Budapest kennen.
Jugendförderung
Neben der steigenden Anzahl von
ausländischen Gästen, spielen vor allem immer mehr junge ungarische Talente
„beim Laci-Turnier“ (so der ungarische Umgangssprachliche Ausdruck für First
Saturday) mit. Die großen Erfolge von Peter Leko und Judit Polgar (die jüngere
Schwester Sofia spielte einmal im FS mit) motivierten viele Eltern dazu, ihre
Kinder in die „Normenschule“ First Saturday zu schicken. Fast das gesamte
ungarische Olympiateam (Zoltan Almasi, Zoltan Gymesi, Ferenc Berkes und Victor
Erdös ) erspielte im First Saturday wichtige Normen.
2004 gründete der deutschen IM Dimo Werner
eine für das FS innovative Trainingsinitiative. Das Konzept sah vor ,dass
ambitionierte Spieler mit mit Hilfe eines erfahrenen Trainers (im Pool befanden
sich z.B. GM Ribli, Josef Pinter, Alexander Chernin etc.) sich dezidiert
vorbereiten konnten und danach die gespielten Partie aufarbeiteten. Diesen
erfolgreichen Ansatz nahm z.B. das deutsche C-Kader Team im Sommer 2006 (Arik
Braun, Georg Meier erzielten Normen) und eine österreichische Deligation ein
Jahr später in Anspruch.
Ausblick
Der im letzten Jahr vollzogene Umzug von der
Ungarischen Schachförderation zum zentral gelegenden „Medosz-Hotel“ hat die
Teilnehmerzahlen etwas erhöht. Aber Nagy großer Traum ist der Aufbau eines
reinen Schachhotel. Dort soll dann zwei Mal im Monat Turniere gespielt werden.
Für diese außergewöhnliche Idee hat der jovial-herzliche Turnierorganisator
(2005 bekam er von der FIDE als erster den Titel des “Internationalen
Schachorganisator“ verliehen) keinen Partner gefunden. “Aber ich träume immer
noch davon!“ gibt sich Nagy optimistisch.
Nagy hat seine Normenturnier um sogenannte
FM-Turniere Rundenturniere erweitert, so das auch Klubspieler(zw. 1800-2000) die
Möglichkeit haben am Budapester ersten Samstagturnier mitzuspielen.
First Saturday ist quasi ein reiner
Familienbetrieb. Frau Ilona macht die Buchhaltung und der kreative Sohn ist für
die Webseitete zuständig! Der computerbegeisterte Tamas pflegt die gut gemachte
Internetseite (
www.firstsaturday.hu
) und Laszlo Nagy gibt kundenorientiert unter
firstsat@hu.inter.net
oder telefonisch Auskunft( 00 36 -1-2632859)
Neben dem First Saturday organisiert Nagy
auch das traditionelle Budapester- Frühlingsfestival. Dies findet meistens in der
zweiten Märzwoche (um den 15.März) statt und die Startgelder sind im Vergleich
zu First Saturday sehr moderat. Das Besondere hierbei ist, dass man im Rahmen
des so genannte “Tavaszi-Festival“ vier Wochen lang Kultur auf höchsten Niveau
für wenig Geld genießen kann.
Jürgen Brustkern