ChessBase 17 - Megapaket - Edition 2024
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Heute vor 20 Jahren, vom 3. bis 11. Mai fand in New York der Aufsehen erregende Wettkampf zwischen dem IBM-Großrechner "Deep Blue" und dem Schach-Weltmeister Garry Kasparov statt. Das Match sorgte weltweit für Schlagzeilen. Der intellektuelle Wettkampf Mensch gegen Maschine schien 1997 noch offen, der Verlauf der Partien war spannend.
Eigentlich war dies ein Rematch, denn ein Jahr zuvor hatte Kasparov die Maschine in Philadelphia noch mit 4:2 geschlagen. Beide Seiten hatten vor der Neuauflage des Wettkampfes gegenüber den Medien laut getrommelt. Das IBM-Team um Feng-hsiung Hsu beeindruckte mit Zahlen zur Rechentiefe, Rechengescheindigkeit und der Anzahl der berechneten Postionen und mit der Größe der Maschine, die wie ein riesiger Kühlschrank aussah, allerdings in Mattschwarz. Kasparov verkündete, dass er in diesem Wettkampf die Ehre der Menschheit verteidigen müsse, schien aber recht zuversichtlich, dass ihm dies wie im Vorjahr gelingen würde und sprach über die Schwächen der Maschinen.
Zum Zeitpunkt des Wettkampfes hat man den Stein der Weisen im Computerschach noch nicht wirklich gefunden. Schach ist auch für die schnellsten Maschinen zu komplex, um alle möglichen Varianten zu berechnen. Der ursprüngliche "Brute Force"-Ansatz bei der Programmierung von Schachcomputern führte nicht zum Erfolg. Das wussten die Schachprogrammierer damals auch schon, aber sie hatten noch keine gute Technik gefunden, um den Programmen das richtige Maß an Selektivität einzubauen. Die Entwicklung von Deep Blue ging schon in die richtige Richtung, aber es gab noch lange Zeit, auch bei der Entwicklung der PC-Programme, Probleme mit "Horizont"effekten. Die Programme hatten kein Gespür für Gefahren, vor allem vor dem eigenem König, wenn diese außerhalb des Rechenhorizonts lagen. Bei der Berechnung von taktischen Abwicklungen waren sie auch damals schon sehr gut, nicht aber in der Spielführung bei geschlossenen Stellungen und bei der Entwicklung und beim Erkennen von langfristigen Plänen.
Der Wettkampf begann für Kasparov ausgesprochen positiv, denn er gewann gleich die erste Partie. Er verfolgte dabei die Strategie, die Partie möglichst lange in positionellen Bahnen zu halte, Schwächen im gegnerischen Lager zu schaffen, die nur bei gutem Schachverständnis erkennbar sind, und diese langfristig auszunutzen.
Kasparov verlor dann aber die zweite Partie, in der der Rechner in einer geschlossenen Spanischen Partie positionell mitzuhalten schien. Kasparov hat nach der Partie behauptet, dies sei nur durch menschliche Hilfe möglich gewesen, und unterstellte, dass der Deep Blue-Eröffnungsskundant Joel Benjamin unerlaubterweise mitgeholfen und in die Partie eingegriffen habe.
Tragischerweise gab Kasparov die Partie auch noch in Remisstellung auf.
Der Schach-Weltmeister war nun psychologisch angeschlagen und versuchte in den nächsten Partien mit speziellen Anti-Computer-Varianten zum Erfolg zu kommen. Alle drei Partie endeten jedoch Remis.
Kasparov hätte am besten auch in der letzten Partie ein Remis anstreben sollen, wonach auch der Wettkampf unentschieden geendet hätte. Doch der Weltmeister wollte das Match unbedingt zu seinen Gunsten entscheiden. Da er mit seiner bisherigen Anti-Computer-Strategie erfolglos geblieben war, suchte er nach neuen Schwächen beim Gegner. Er und sein Team glaubten eine solche im "Eröffnungsbuch" festgestellt zu haben. Schachprogramme beginnen ihre Partien mit Zügen aus riesigen Eröffnungstabellen, um nicht sofort ausrechenbar zu sein und vernünftige Mittelspielstellungen zu erreichen. In der Tat birgt dies aber auch Gefahren, wenn eine ungünstige Variante in das so genannte "Eröffnungsbuch" geraten ist.
Master Class Band 7: Garry Kasparov
Auf dieser DVD geht ein Expertenteam Kasparovs Spiel auf den Grund. In über 8 Stunden Videospielzeit beleuchten die Autoren Rogozenko, Marin, Reeh und Müller vier wesentliche Aspekte von Kasparovs Spielkunst: Eröffnung, Strategie, Taktik und Endspiel.
Kasparov vermutete offenbar einen soclhen Fehler im Eröffnungsbuch von Deep Blue oder vielleicht auch ein Loch, eine fehlende Variante. Anders ist seine Anlage der sechsten und letzten Partie nicht zu erklären. Diese fand exakt heute vor 20 Jahren statt, am 11. Mai 1997.
Kasparov spielte eine zweifelhafte Variante , von der man schon zu jener Zeit wusste, dass die nichts taugte. Der Weltmeister provozierte ein Figurenopfer und schien offenbar zu glauben, das Deep Blue dieses nicht spielen würde. Zu Kasparovs Überraschung opferte Deep Blue aber die Figur für einen gefährlichen Angriff. Schon Kasparovs nächster Zug führt zu einer Verlustsstellung.
Endstand
1 | Comp Deep Blue | 1½½½10 | 3.5 / 6 | ||||
2 | GM | Garry Kasparov |
|
2812 | 0½½½01 | 2.5 / 6 |
Mit der Niederlage läutet Kasparov im Urteil der Öffentlichkeit symbolisch eine Zeitenwende ein, denn der Vergleich des Menschen mit der Maschine schien nun auch auf intellektuellem Gebiet verloren. In der Schachwelt sorgte die Niederlage des weltbesten Schachspielers gegen einen Comuter für gemischte Gefühle. "Niemand hat Kasparov gebeten, die Ehre der Menschheit zu verteidigen, aber vor allem hat ihn niemand gebeten, diese dann auch noch zu verlieren", kommentierte Viktor Kortschnoj höhnisch das Ereignis.
Die Medien berichteten in großer Ausführlichkeit über diesen Wettkampf. Später entstand ein Dokumentarfilm. Die IBM-Entwickler veröffentlichten eine Buch über die Entwicklungsgeschichte und das Match gegen Kasparov und am Broadway wurde sogar vor ein paar Jahren eine Theater-Perfomance aufgeführt, die den Wettkampf zum Thema hatte: Theaterperformance The Machine (2013)
Die "verlorene Ehre der Menschen" im Har 1997 beschäftigte die Öffentlichkeit noch lange. Der Wettkampf zwischen Kasparov und Deep Blue von 1997 ging als Meilenstein in die Computergeschichte ein.
Nach dem Wettkampf wurde die Entwicklung von Deep Blue eingestellt. Höhere Ziele als den Sieg über den Weltmeister in einem Wettkampf konnte es nicht geben. An der Börse stieg die IBM-Aktie.
Heute hat kein Spieler mehr eine Chance gegen eines der gängigen PC-Schachprogramme. Schon 2006 verlor Kasparovs Nachfolger Valdimir Kramnik ein Match gegen das PC-Programm "Deep" Fritz. Der Stein der Weisen im Computerschach wurde inzwischen gefunden, es ist höchstmögliche Selektivität in der aussichtsreichsten Variante. Das hat die gleiche Wirkung wie ein langfristiger Plan. Und taktisch geht sowieso nichts.
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