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„Größter deutscher Organisator Hans-Walter Schmitt“ verabschiedet sich so, wie er kam: Mit Anand-Simultan an 40 Brettern
Der Hort der Kuscheltiere hat Vincent Keymer letztlich doch milder gestimmt als 16 Remis-Angebote eines Gegners: Der 14-jährige deutsche Nachwuchsstar schloss am Brett von Sarah Neininger, die vier Plüschtiere zur Unterstützung neben dem Brett aufreihte, gerne Frieden.
Dank vierfacher Verstärkung am Brett ist Sarah Neininger nicht von Vincent Keymer zu schlagen! Die Tochter von Ralph Neininger, dem neuen Chess-Tigers-Vorsitzenden, hat Spaß bei dem Simultan.
Die Tochter des neuen Chess-Tigers-Vorsitzenden Ralph Neininger holte so beim Simultan einen halben Punkt mehr als Bruder Pascal, zu dessen fünfköpfiger Plüschherde am Nebenbrett eine giftig dreinblickende Spinne zählte – und vor allem mehr als der dreiste Bursche, der „mir 16 Mal Remis anbot!“, beklagte sich Keymer grinsend ob der permanenten Belästigungen und erzählte, „irgendwann fing ich an, seine Remis-Angebote zu zählen.“
Vincent Keymer, wie ein Profi
Mit steigender Zahl nahm die Konzentration in dieser Partie natürlich zu und erwies sich für den Spieler, der vom halben Punkt träumte, letztlich als kontraproduktiv. „Ich wollte ihn unbedingt bestrafen“, betonte der angehende Großmeister. Merklich mehr Sympathien hegte der Deizisauer Bundesligaspieler für den wacker kämpfenden Lloyd Burkart (TuS Makkabi Frankfurt), der noch unbedingt ein zweites Partieformular haben wollte, um nach 3:49 Stunden am längsten durchgehalten zu haben. Dafür erhielt er eine Kappe mit dem springenden Chess Tiger.
Bei der Abschiedsvorstellung unterlief Keymer ein unmerklicher Fauxpas – erstmals gab es unter der Ägide von Hans-Walter Schmitt ein Simultan, das nicht die Norm des Bad Sodeners erfüllte: 40 Bretter für alle, selbst wenn sie Garri Kasparow hießen und sonst auf nur 25 Bretter beharrten! Nach einem schnellen Sieg hatte Keymer jedoch ein Einsehen mit einem kleinen Mädchen, das nachrücken durfte. So endete sein Simultan inoffiziell sogar mit 38:3. Schmitt nahm die kleine statistische Bredouille gelassen, schließlich gab der „größte deutsche Organisator der letzten 25 Jahre“, wie ihn Moderator Sven Noppes nannte, seinen Abschied. Schmitt hatte die Frankfurt Chess Classic erschaffen und als Chess Classic Mainz fortgeführt. Die Weltklasse gab sich dort Jahr für Jahr ein Stelldichein. Als erster Organisator in der Schach-Historie brachte der Bad Sodener einst sogar die kompletten Top Ten der Weltrangliste an einen Ort.
Am Feiertag erwiesen ihm zahlreiche Weggefährten in der Taunus-Sparkasse und im H+-Hotel die letzte Ehre als Gäste und in den beiden Simultans. Das zweite an 40 Brettern konnte nur einer übernehmen: Viswanathan Anand.
Schweres Eck für Viswanathan Anand: Der vieljährige Frankfurt-West-Präsident Claus Henrici (von links), Marina Noppes und "Zeit"-Autor Ulrich Stock trotzen dem Inder durchweg ein Remis ab.
Obwohl der Inder am Tag der deutschen Einheit sehr angespannt und weniger fröhlich als sonst wirkte, wollte er kurz vor dem Super-Open auf der Insel Isle of Man nicht fehlen. Denn allein dadurch schloss sich für Schmitt der Kreis: Den „Tiger von Madras“ hatte der heute 67-Jährige vor einem Vierteljahrhundert als Vereinspräsident zum Jubiläum seines SC Frankfurt-West verpflichtet. Daraus entwickelte sich eine Freundschaft, Schmitt unterstützte den späteren Weltmeister auf dem Weg zum Gipfel.
Weil es womöglich auch seine deutsche Abschiedsvorstellung in einem Simultan sein könnte, waren die 40 Bretter, die die Chess Tigers anboten, sofort vergriffen. Sogar drei hessische Talente pilgerten extra während der deutschen Ländermeisterschaften aus Würzburg zurück in die Heimat, um sich mit Anand zu messen – und dem Ex-Weltmeister das Leben schwer zu machen. Noppes schaute erstaunt auf die Uhr, als der 49-Jährige nach vier Stunden noch immer kreiste.
Kritischer Blick auf die Uhr von Moderator Sven Noppes (hinten, von links)! Organisator Hans-Walter Schmitt wundert sich, dass Blitzdenker Viswanathan Anand diesmal 4:36 Stunden für die 40 Partien benötigt.
Jonathan Reichel und Ulrich Gass leisten aber auch bravourös Widerstand an Brett 1 und 2.
Die starke Gegnerschaft setzte ihm zu. Erst nach 4:36 Stunden hatte der Schnelldenker seine letzte Runde gezogen und neun Remis abgegeben.
Der Iffezheimer Markus Ehrlacher ist einer der neun Gegner, die Viswanathan Anand einen halben Punkt abnehmen.
Das 35,5:4,5 ohne Niederlage konnte sich jedoch wie gewohnt sehen lassen. Sechs Akteure mit einer DWZ oder einer Elo von über 2000 wehrten sich erfolgreich: Stefan Spiekermann (SV Menden 1924), Volker Svitek (SC Frankfurt-West), Nachwuchstalent und Lokalmatador Kevin Haack (SC Bad Soden) und Georg Schweizer (SC Zürich) freuten sich ebenso wie Ulrich Stock (FC St. Pauli) und Jonathan Reichel (SK 1926 Ettlingen). Letzterer ist beim großen Grenke-Turnier in Karlsruhe und Baden-Baden für die Videos mit den Spielern verantwortlich. Reichel nahm zwar während des Duells mit seinem sonstigen Star vor der Kamera ein Käsebrot zu sich – aber Käse auf den 64 Feldern vermied er!
Nicht alles Käse! Abseits des Käsebrotes überzeugt der für seine Schach-Videos bekannte Ettlinger Oberliga-Spieler Jonathan Reichel und darf sich über ein Remis freuen.
Stock ist den Lesern der „Zeit“ durch seine lesenswerten Schach-Artikel bekannt. Der Journalist verteidigte zäh ein Endspiel, bis Anand bei jeweils nur noch einem Läufer und zwei Bauern ein Einsehen hatte und das achte Remis des Tages vorschlug.
In einem zähen Läufer-Endspiel mit nur noch zwei Bauern hat Viswanathan Anand ein Einsehen und gratuliert "Zeit"-Schach-Spezialist Ulrich Stock zum Remis.
Zu den Außenseitern, die sich ebenfalls freuen durften, zählte Claus Henrici – als Weggefährte musste der langjährige Frankfurt-West-Präsident einiges durch „HWS“ erdulden, erzählte er augenzwinkernd: „Immer wenn einer fehlte, setzte mich Hans-Walter ans freie Brett der Simultans, obwohl ich schon immer kaputt war von all den Aufbauarbeiten in den Stunden zuvor. Einmal musste ich sogar mit den verwirrend farbigen Rainbow-Figuren von Andras Adorjan spielen, weil sich alle Spitzenleute im Simultan weigerten!“, erinnerte sich Henrici an den Wunsch von Schmitt, weil sich Simultangeber Peter Leko wünschte, das kuriose Schachset seines Landsmanns einzusetzen. Die Mühsal lohnte sich endlich: „Trotz Brett 13 konnte ich heute mal ohne Aufbau-Stress mitspielen – so war es auch für mich nach einem Vierteljahrhundert ein schöner Abschluss!“
Markus Ehrlacher ist regelmäßiger Teilnehmer der Chess-Tigers-Kurse in Bad Soden mit Artur Jussupow. „Beim nächsten Seminar muss er mir einen ausgeben“, juxte Schmitt. „Mache ich gerne“, zögerte Ehrlacher im Überschwang nicht, nachdem der Iffezheimer im dritten Anlauf (nach Vasyl Ivanchuk und Anatoly Karpov) erstmals einen großen Skalp im Simultan zumindest halb erbeutete. Am liebsten verkündete Moderator Noppes aber ein anderes Unentschieden des Inders: das seiner Gattin Marina. Der Organisator der Grenke Chess Classic und Kapitän von Rekordmeister OSG Baden-Baden war besonders „stolz“. Die in der Damen-Bundesliga aktive Marina Noppes fand ihr Remis „nicht so schwer, weil Vishy eine ungewöhnliche Eröffnung mit e3 wählte. So stand ich vielleicht sogar etwas besser. Dass der „Tiger von Madras“ nicht den sonstigen Biss hatte, merkte man auch schon bei kurzen Analysen, bei denen er gleich abwinkte, etwa als der Eppinger Routinier Ulrich Gass nach seiner Aufgabe eine kurze Variante anschneiden wollte.
Obwohl Keymer mit dem Ex-Weltmeister gen Isle of Man aufbrach, war er bei seinem ersten großen Simultan mit mehr als 25 Brettern deutlich relaxter – nicht nur, weil er sich bei dem Mega-Open keine Chancen ausrechnet und schon gar nicht wie Anand auf den Qualifikationsplatz für das WM-Kandidatenturnier schielt. Gegen die vielen Kinder hatte der 14-Jährige keine Mühe, durchs Feld zu pflügen. Nach zwei Stunden hieß es bereits „10:0 für Vincent“, vermeldete Sven Noppes. An die zahllosen Friedensofferten selbst mit viel Material weniger wollte er sich aber doch nicht ganz gewöhnen, auch wenn Nationalspielerin Hanna Marie Klek als Mädchenreferentin des Deutschen Schachbundes als interessierte Zuschauerin erklärte: „Wenn ein Kind damit anfängt, probieren es alle anderen eben auch …“ Keymer durfte sich der Sympathien der Fans wie Mitspieler sicher sein, weil er nicht nur das 41. Brett aufmachte, sondern auch zwischendurch alle Autogrammwünsche und Fotowünsche geduldig erfüllte.
Neben Sarah Neininger freuten sich Carolina Köpke (beide SV Oberursel), Paul-Gerhardt Künzel (SC Butzbach 2000), Karoline Kosak (SC Frankfurt-Nord), Leo Leminsky (OSG Baden-Baden) und Josefine Bergfeld (Heilbronner SV) besonders über ihre halben Zähler. Köpke ballte die Faust, als sich Keymer in den Friedensschluss fügte. Bergfeld war die ganze Zeit „sehr aufgeregt“. Aber mit Unterstützung von Papa Stephan reichte es für die Neunjährige. Unter den wachsamen Augen der Frau Mama Antje spielten Leo und Clemens Leminsky. Beide hatten zuletzt etwas die Lust am königlichen Spiel verloren – die Aussicht auf das Duell mit dem Wunderknaben motivierte sie jedoch, ans Brett zurückzukehren.
Leo ist jetzt sogar nach dreijähriger Pause „wieder heiß“. Schach findet der 13-Jährige plötzlich erneut „cool“! Grund der neu entfachten Euphorie war das für ihn völlig unerwartete Remis gegen Keymer: „Daran habe ich nicht geglaubt. Ich war sehr nervös und wollte nur möglichst lange durchhalten.“ In einem Schwerfiguren-Endspiel gab es jedoch kein Durchkommen für den Favoriten. Das sah die mitfiebernde Antje Leminsky gerne – und dürfte mit dafür sorgen, dass sich das Schach auch nach dem gelungenen Abschied von Organisator Hans-Walter Schmitt in Bad Soden keine Sorgen über mangelnde Unterstützung machen muss. Leminsky ist bei GrenkeLeasing Nachfolgerin von Wolfgang Grenke, der als Vorstandsvorsitzender des M-Dax-Unternehmens Schach wie kein Zweiter sponserte.
Die neue Chefin bei GrenkeLeasing, Antje Leminsky, ist wie Firmengründer Wolfgang Grenke dem Schachsport wohlgesonnen. Ihren Sohn Leo (links) motiviert das Remis gegen Vincent Keymer jetzt wieder für Schach.
Clemens Leminsky (an Brett 12) schlägt sich auch wacker.