3. Stock, Raum 335

von ChessBase
01.08.2013 – Nach dem Wunsch der FIDE und des Promotors Andrew Paulson soll Spitzenschach in den großen Metropolen stattfinden. Die laufende GP-Serie konnte zum Teil in solchen untergebracht werden. Nur: anscheinend weiß man das dort noch nicht. Beim jüngst in Peking durchgeführten GP-Turnier gab es vor Ort offenbar nur einen Zuschauer und selbst dieser hatte einige Mühe das Turnier zu finden. Hier sein Bericht...

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Grand Prix Turnier in Beijing: Europäisches Schach auf chinesisch

Ich bin zur Zeit mit meiner chinesischen Frau auf Familienbesuch in Beijing. Mir macht es dabei besonderen Spaß, mich auf der Straße und in den Parks mit Einheimischen im Xiangqi, der chinesischen Variante des Schachspiels, zu messen. Als mehrfacher Teilnehmer an Xiangqi-Weltmeisterschaften habe ich ein Niveau erreicht, auf dem ich gegen die chinesischen Amateure etwa 50% erreiche.

Eher zufällig, beim abendlichen Lesen der Chessbase-Seite, erfahre ich von dem Grand Prix Turnier in Peking. "Hmmm...", das könnte man sich doch mal anschauen. Wo findet es denn statt? Die Internetseite gibt keinen Aufschluss darüber. Immerhin erfahre ic4h, dass die Eröffnungszeremonie im New Century Grand Hotel stattgefunden hat. Das ist nur ca. eine halbe Taxistunde von unserer Wohnung entfernt, für Pekinger Verhältnisse also vergleichsweise nahe gelegen. Ob da auch das Turnier gespielt wird?

Ein Anruf meiner Frau ergibt die kryptische Antwort, dass das Turnier nicht dort, sondern “unter der Brücke” ausgetragen wird. Diese Beschreibung ist allerdings nicht besonders hilfreich. Immerhin findet meine Frau auf der FIDE-Turnierseite eine Pekinger Telefon-Nummer, mit deren Hilfe wir den Spielort in Erfahrung bringen - eine Behörde, die neben Schach auch für weitere Spiele wie Brigde und Go zuständig ist. Und diese liegt sogar noch näher an unserem Standort. Nach einem einstündigem Spaziergang sind wir schon am Ziel.

Auch 5 Jahre nach den olympischen Spielen sind am Horizont rege Bautätigkeiten zu entdecken

Der Verkehr läuft auf Pekings Verkehrsadern gerade gut - zu Stoßzeiten keine Selbstverständlichkeit

Doch wo ist der Eingang? Wo sind die Hinweise auf das schachliche Großereignis? Nichts zu sehen! Und es kommt noch schlimmer/besser: Als wir durch den immerhin repräsentativen Haupteingang in das Gebäude gelangen wollen, werden wir von der Empfangsdame nicht etwa freundlich hereingebeten, sondern zu einem versteckt gelegenen Hintereingang geschickt. Dort, auf dem Parkplatz, ist erstmals eine Ankündigung des Grand Prix Turniers auf einem großen Banner zu sehen. Im Eingangsbereich ist sogar eine Tafel mit der Vorstellung der Spieler sowie eine aktuelle Tabelle aufgestellt.

Auf dem rückwärtigen Parkplatz findet man ein großes Banner mit dem ersten Hinweis auf das Turnier

Organisation für verschiedene Denkspiele, darunter auch Schach oder Bridge

Die Spieler

Die aktuelle Tabelle

Doch wo wird nun gespielt? Keine weiteren Hinweise oder Wegbeschreibungen sind zu sehen. Die Nachfrage meiner Frau ergibt: Im 3. Stock, Raum 335. Tatsächlich: Vor dem Raum steht ein Wachmann, bei dem wir sämtliche elektronische Geräte abgeben müssen, und dann sind wir drin. Ein gut klimatisierter, geräumiger Saal erwartet uns. Vorne links: ein Hauptschiedsrichter, vor uns, hinter einer Absperrung: die 12 Spieler an den 6 Brettern.

Ein Vorteil des chinesischen Desinteresses an dem Turnier: Wie selbstverständlich lässt man uns an der Absperrung vorbei direkt an die Bretter zum Kiebitzen gehen. Ich fühle mich wie ein (Schach-)König: endlich unter meinesgleichen ;-) ! Es dauert eine ganze Weile, bis den Veranstaltern die Unangemessenheit unseres Aufenthalts auffällt und man uns höflich in den zweiten Stock in den offiziellen Zuschauer- und Presseraum bittet.

Doch welch Unterschied zu den Turnieren in London oder Moskau, bei denen mehrere Kameras installiert und eine Menge interessierte Journalisten und Fans zugegen waren. Hier, außer ein paar mehr oder weniger gelangweilten Offiziellen, befinden sich lediglich drei oder vier Langnasen, darunter der Manager von Topalov. Die sich an die Partien anschließenden Pressekonferenzen sind praktisch nur für das Internetpublikum gedacht. Unter den Anwesenden bin ich der einzige Schachfreund, der zuhört!

Ich als einziger Zuhörer der offiziellen Nach-Analyse

Dabei sagen die Spieler durchaus Hörenswertes: So weist Grischuk im Anschluss an seine Remispartie gegen Giri humoristisch auf seinen Fehler hin, sich nämlich auf seinen Gegner vorbereitet zu haben. Da Giri mit jeder Farbe alle  Eröffnungen spielt und sich Grischuk auf alles vorbereitet habe, sei er am Ende mit iner Art "Kaleidoskop im Kopf" zur Partie erschienen und es habe damit geendet, dass eine Eröffnung auf dem Brett entstanden sei, die beide noch nie gespielt hätten.

Grischuk bei seiner launigen Pressekonferenz

Der chinesischen Öffentlichkeit war's aber leider völlig egal...  

Peking:

 

Ein Antik-Markt. Eine gewisse Anzahl von "Langnasen" lässt touristische Bedeutung erahnen

Tradition (vorne) und Moderne (hinten)

Nippes zum Verkauf

Hier werden Maiskolben im Kohleofen gegart und verkauft.

Der mobile Apfelstand

Ein vollautomatische Buchausleihstation

Ein Schläfchen zwischendurch: Chinesen können überall schlafen

Ein paar Gehminuten weiter: Der typische chinesische Garten

Eine Möglichkeit, die Ein-Kind-Politik zu umgehen sind - Zwillinge

Zur Ertüchtigung: Tischtennis...

... oder chinesischer Kampfsport

Bericht und Fotos: Joachim Schmidt-Brauns


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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