Auch Vlastimil Hort wurde durch die Corona-Krise ordentlich ausgebremst. Der deutsche Großmeister mit tschechischen Wurzeln liebt es normalerweise, Turniere zu besuchen, die Turnierathmospäre zu schnuppern oder bei Simultanvorstellungen seine Schachkünste zu zeigen. Zwischendurch traf er sich regelmäßig mit einer privaten Schachgruppe zum Blitzturnier. Sogar Mannschaftskämpfe spielte er noch. Doch nun herrscht überall Pause.
Bevor die Corona-Krise Europa und die Welt erfasste und fast völlig lahm legte, war Vlastimil Hort noch zu diversen Turnieren eingeladen, zuletzt sogar noch mehr als sonst, Das war eine unmittelbare Reaktion auf sein Ende 2019 erschiene Sammlung "Meine Schachgeschichten". Inzwischen ist auch eine englische Fassung erschienen. Vlastimil Hort ist nicht nur auf dem Papier ein guter Geschichtenerzähler. Er ist auch live ein Erlebnis. Die deutschen Schachfreunde erinnern sich noch gut an seine zahlreichen TV-Auftritte bei den WDR-Schachsendungen "Schach der Großmeister", zusammen mit Helmut Pfleger.
Vor ein paar Jahren trafen die beiden kongenialen Schacherzähler sich noch einmal in Hamburg und nahmen gemeinsam eine DVD auf, für die sie vor der Kamera unvergessliche Schachpartien kommentierten.
Moderne Klassiker Band 1
Gönnen Sie sich knapp sieben Stunden Schachunterhaltung vom Feinsten - mit dem legendären Kommentatoren-Duo Dr. Helmut Pfleger und Vlastimil Hort! Freuen Sie sich auf eine einzigartige Kombionation aus witzigen Anekdoten und spannenden Analysen.
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Moderne Klassiker Band 2
Mit Dr. Helmut Pfleger und Vlastimil Hort ist Schach vor allem eines – niemals langweilig! Auf dieser DVD präsentiert das einzigartige Duo ausgewählte Glanzstücke der jüngeren Turniergeschichte, u.a. von Kasparov, Carlsen, Kramnik, Anand und Aronian.
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Vlastimil Hort war auch danach noch regelmäßiger Gast bei ChessBase in Hamburg und plante noch weitere DVDs. Im Moment ist jedoch auch hier Pause.
"Ich schaue jetzt auch Schachturniere im Internet, aber ich spielt dort nicht. Es ist nicht dasselbe."
Brigitte und Vlastimil Hort leben in der Nähe von Bonn. Normalerweise kann er von hier aus gut reisen, am liebsten mit der Bahn. Eigentlich wollte Vlastimil Hort das Turnier in Wijk aan Zee besuchen, wo er schon oft zu Gast war. Doch die ansteigenden Infektionszahlen mahnen zur Vorsicht und er bleibt lieber zuhause.
"Sch... Corona. Aber so habe ich Zeit an einem zweiten Band meiner Schachgeschichten weiter zu arbeiten. "
Heute feiert Vlastimil Hort nun seinen 77.Geburtstag. Der Jubilar macht seinen Fans mit einer weiteren Geschichte aus seinem unermesslich großen Anekdotenschatz ein kleines Geburtstagsgeschenk.
Eine Leiche auf Reisen
Die Schacholympiade in Tel Aviv 1964. Ich teilte mir ein Zimmer im Hotel Hilton mit Ludek Pachmann. Am Nachmittag vor dem freien Tag hatte ich mich hingelegt, um in Ruhe ein Nickerchen zu machen. Die plötzliche Störung kam von oben, von der Zimmerdecke. Es tropfte! Ich war gleich hellwach und sah mir den Schaden an. Der Wasserfleck an der Decke vergrößerte sich zunehmends. Mir war klar, dass die Ursache dafür nur im Zimmer darüber zu suchen war. Ich rannte die Treppe nach oben. Die Zimmertüre stand halb offen. Schnell war ich im Zimmer.
Auf dem Bett entdeckte ich Gideon Ståhlberg. „Hello, Mister Ståhlberg!“ Keine Antwort. Eine leere Whiskyflasche lag neben ihm. Um ihn herum überall Wasser. Offensichtlich total besoffen, versuchte er seelenruhig sich seine Socken auszuziehen. Das Wasser kam aus dem Bad. Ich stampfte eilends durch die Wassermassen und drehte den laufenden Wasserhahn der Badewanne zu.
Unsere erste gemeinsame Schachpartie spielten wir aber erst ein Jahr später – 1965 in Marienbad.
Bekannt ist, dass Ståhlberg nach der Olympiade in Buenos Aires 1939 in Argentinien geblieben ist. Er war ein verdammt guter Taktiker im Schach. Der hohe Alkoholkonsum konnte seiner Spielstärke lange nichts anhaben.
Turnier Leningrad (heute wieder Sankt Petersburg) 1967. Wir spielten im Theater. Kein Zuschauerplatz war mehr zu ergattern. Wir spielten vor großem Publikum. Alle Spieler wurden während der Auslosung persönlich vorgestellt. Die erste Runde war für den nächsten Tag angesagt.
Die traurige Nachricht ereilte uns kurz vor der ersten Runde. Gideon Ståhlberg war in der Nacht zuvor verstorben. Offizielle Todesursache Herzinfarkt. Im Zimmer zwei leere Wodkaflaschen.
Schachgöttin Caissa ließ ihn jedoch weiter im Spiel.
Zarupin, ein sowjetischer Beamter, sollte den Sarg mit der Leiche im Zug nach Moskau begleiten. Vielleicht liebte er den Alkohol genauso sehr wie der alte Schwede Gideon. Fakt ist, als Zarupin in Moskau ankam, war der Sarg verschwunden. Der KGB wurde alarmiert, die Suche eingeleitet. Nach zwei Tagen schließlich wurde der Sarg gefunden und Gideon in seine alte Heimat nach Schweden geflogen.
Wegen seines ungewollten vorzeitigen Ausscheidens aus dem Turnier, bekam ich dreimal Schwarz nacheinander. In meiner ganzen Laufbahn war mir das noch nicht passiert.
Meine Schachgeschichten
Vlastimil Hort: Meine Schachgeschichten, Nava-Verlag, 22 Euro
Pressemitteilung zum Buch...