Aljechins Tod – ein ungelöstes Rätsel?

von ChessBase
28.03.2006 – 1946 war Alexander Aljechin, der vierte Weltmeister, mittellos, krank und von der Schachwelt geächtet. Am 23. März, informierte ihn der Britische Schachverband , dass die Vorbereitungen für den geplanten Weltmeisterschaftskampf gegen Botvinnik abgeschlossen waren. Am nächsten Tag wurde Aljechin tot in seinem Hotelzimmer in Estoril aufgefunden. Bisher sind die Umstände seines Todes nicht vollständig geklärt. Während der Autopsiebericht Tod durch Ersticken an einem Stück Fleisch festgestellte hat, gibt es auch Gerüchte um einen möglichen gewaltsamen Tod. Robert Hübner: Weltmeister Aljechin im Shop kaufen...Mehr...

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Alexander Aljechin, 1. November 1892 – 25. März 1946

Zunächst eine Bemerkung zum Namen. Das russische Алехин wird Aljechin (ch wie in ach) ausgesprochen, wobei die Abweichung Aljochin , die Aljechin selbst nicht gefiel, ebenfalls verbreitet ist. Im Englischen wird der Name meist Alekhine geschrieben und Allekein ausgesprochen.



Alexander Alexandrovich Aljechin wurde am 1. November (manche Quellen geben den 31. Oktober an) 1892 in eine reiche Moskauer Familie in Russland geboren. Sein erster bemerkenswerter Erfolg im Schach war der Gewinn der Allrussischen Amateurmeisterschaft in St. Petersburg 1909 im Alter von 17 mit einem Ergebnis von 12 Siegen, zwei Niederlagen und zwei Remis. 1914, nachdem er hinter Lasker und Capablanca den dritten Platz beim Turnier in St. Petersburg belegte, wurde Aljechin von Zar Nikolaus II als einer der fünf ersten "Großmeister" ernannt. 1921 verließ er Sowjetrussland und ging nach Frankreich, wo er 1925 französischer Staatsbürger wurde. Er studierte Jura an der Sorbonne, wo er den Doktortitel erwarb.


Ein Bild von Aljechin aus dem Jahre 1913 in Moskau mit Capablanca

Aljechins Schachkarriere ist zu lang und spektakulär, um sie hier zusammenzufassen. 1927 gewann er den Weltmeistertitel durch einen Sieg gegen Capablanca, gegen den erneut anzutreten er in etwas umstrittener Form vermied, um stattdessen seinen Landsmann Efim Bogoljubow zwei Mal zu besiegen und danach seinen Titel an den holländischen Mathematiker Max Euwe 1935 abzugeben. Zwei Jahre später gewann Aljechin seinen Titel mit großem Vorsprung zurück und behielt ihn bis zu seinem Tod 1946.

Aljechins Tod

In den Jahren vor seinem Tod lebte Aljechin in Spanien und Portugal und spielte Turniere im nationalsozialistischen Deutschland oder in den von den Deutschen besetzten Gebieten. Er wird auch als Autor einer Reihe von Artikeln genannt, die sich gegen jüdische Schachspieler richteten und in der Nazipresse erschienen. Nach dem Krieg stritt er ab, der Autor dieser Artikel zu sein.

In dieser Zeit, Anfang der vierziger Jahre, litt Aljechin an Leberzirrhose, Zwölffingerdarmentzündung und Arteriensklerose. Er hatte kein regelmäßiges Einkommen und lebte von einem Hungerlohn, den er durch Schach verdiente. Zudem litt er an schweren Depressionen. Im Juli 1944 schrieb Aljechin dem Journalisten und Schachspieler Juan Fernandez Rua: "Der beste Teil meines Leben verging zwischen zwei Weltkriegen, die Europa verwüstet haben. Beide Kriege haben mich ruiniert, doch mit folgendem Unterschied: Am Ende des ersten Krieges war ich 26 Jahre alt, mit grenzenlosem Enthusiasmus, über den ich jetzt nicht mehr verfüge. Wenn ich einmal meine Memoiren schreibe – was sehr gut möglich ist – dann werden die Leute erkennen, dass Schach einen kleinen Teil meines Lebens ausgemacht hat. Es gab mir die Möglichkeit, nach etwas zu streben und zugleich überzeugte es mich von der Sinnlosigkeit dieses Strebens. Heute spiele ich weiterhin Schach, da es meinen Geist beschäftigt hält und mich davon abhält zu grübeln und in Erinnerungen zu verfallen."


Ein berühmtes Bild von Aljechin mit seiner Katze

1946 wurde Aljechin zu einem Turnier in London eingeladen, aber auf Druck amerikanischer Spieler (Reuben Fine, Arnold Denker und anderen) wurde die Einladung aufgrund seines Verhaltens während des Krieges zurückgezogen. Er nahm Verhandlungen mit der FIDE über einen Wettkampf gegen Botvinnik, der unter der Schirmherrschaft des Britischen Schachverbands stattfinden sollte, wieder auf. In einem Telegramm, dass Aljechin am 23. März 1946 überreicht wurde, bestätigte der BCF, dass eine Vereinbarung und Absprachen getroffen worden waren.

Aljechin hielt sich zu dieser Zeit in einem Hotel in Estoril in Portugal auf. Am Morgen des 25. März wurde er tot in seinem Hotelzimmer aufgefunden. Als Todesdatum wird meist der 24. März angegeben, was daher rühren könnte, dass man annimmt, er wäre am Abend zuvor gestorben. Das auf seinem Grabstein (siehe unten) angegebene Datum ist der 25. März. Als Todesursache wird entweder Tod durch Ersticken an einem Stück Fleisch oder Herzinfarkt angegeben, obwohl die genauen Umstände seines Todes bis heute diskutiert werden.



Das obige Bild zeigt den toten Aljechin, wie er in seinem Hotelzimmer gefunden wurde. Das uns gegebene Originalfoto ist größer und kann durch Klicken des obigen Bildes betrachtet werden.

AP berichtete damals, dass Aljechins Körper von einem Kellner gefunden wurde, der das Frühstück brachte. Der Kellner sagte, dass Aljechin zusammengesunken am Tisch saß, und dass das Abendessen vom vorherigen Tag unberührt geblieben war, obwohl die Serviette bereits umgebunden war. Das Bild zeigt etwas anderes, was zu den Verschwörungstheorien geführt hat, die seitdem blühen. Die verbreitetsten glauben, dass Aljechin entweder Selbstmord begangen hat oder umgebracht wurde.

In seinem Buch von 1975 Alexander Aljechin schildert der sowjetische Großmeister Alexander Kotov die Umstände von Aljechins Tod wie folgt: "Hoffnungslos krank, von allen verlassen und von Leuten verstoßen, mit denen er einen weiten Weg zurückgelegt hatte, und die ihn jetzt nicht einmal sehen und ihn persönlich befragen wollten, starb Aljechin langsam in Estoril, in einem kleinen Zimmer im Hotel Park, das im Winter bereits halbgeschlossen war. Er hatte keine Aussichten, keine Mittel und keine Freunde, die ihn unterstützen konnten. Er verbrachte die Zeit entweder im Bett oder ging im Zimmer auf und ab wie ein Löwe im Käfig. 'Eines Tages rief er mich an,' schreibt ein Freund. 'Ich habe absolut kein Geld,' sagte die schwächer werdende Stimme des Weltmeisters unter Schwierigkeiten. 'Ich brauche nur ein paar Escudos, um eine Zigarette zu kaufen. Diese Einsamkeit bringt mich um. Ich muss leben, ich muss Leben um mich herum spüren. Ich habe bereits die Dielenbretter in meinem Zimmer durchlaufen. Bring mich irgendwo hin.'"

Ein belgischer Geiger namens Neuman, der in dem gleichen Hotel wie Aljechin gelebt hatte, war an diesem Morgen zu Aljechins Zimmer geeilt, als ihm ein Kellner gesagt hatte, dass Aljechin tot war: "Sie können dort nicht hinein, sagte ein Polizist und versperrte mir den Weg. Wir warten auf einen Forensik-Experten. Wir müssen sicherstellen, dass der Tod durch natürliche Ursachen erfolgte. Wie? Ja, Sie dürfen hineinschauen. Ich öffnete die Tür, die Vorhänge waren immer noch zugezogen und das Licht war an, obwohl draußen die Sonne schien. Auf dem Tisch standen Teller, während auf der Seite, auf einem Gestell für Koffer ein Schachspiel mit aufgebauten Figuren stand. Mein Freund saß in einem Sessel...als würde er immer noch aufmerksam meiner Geige zuhören."

Die Verschwörung

1999 äußerte der kanadische GM Kevin Spraggett die Ansicht, an der offiziellen Version des Todes durch einen Herzinfarkt oder durch Ersticken sei etwas verdächtig.

"Was stimmt mit der offiziellen Geschichte nicht? (Ich meine, abgesehen von dem Umstand, dass ein 'normaler' Mensch, wenn er sich hinsetzt und erstickt, aufstehen und ziemlich wild werden würde, und vielleicht dabei sogar das Brett und die Figuren umwerfen könnte...!?). Der Arzt, der den offiziellen Totenschein ausgestellt hat (Dr. Antonio Ferreira, durch reinen Zufall selbst ein eifriger Schachspieler) erzählte Freunden später, dass Aljechins Körper auf der Straße gefunden worden war, vor seinem Hotelzimmer! Er war erschossen worden! Er sagte, Druck von Seiten der Regierung hätte ihn gezwungen, den Totenschein so auszustellen, wie er jetzt existiert (Portugal war während des Zweiten Weltkriegs neutral und wollte möglicherweise jede Kontroverse vermeiden).

Laut gut informierten Quellen (darunter Spassky, der mit einer Französin verheiratet ist, die für den Diplomatischen Dienst gearbeitet hat) schuf die französische Résistance nach dem Zweiten Weltkrieg eine höchst geheime 'Todesschwadron', um sich angemessen mit Leuten auf einer schwarzen Liste zu "befassen", die allzu eifrig mit den deutschen Nazis kollaboriert hatten, nachdem Frankreich von Deutschland besetzt worden war. Offenbar enthielt die Liste nicht weniger als 200.000 Namen! Briefe von Aljechin, die er kurz vor seinem zu frühen Ableben verfasste, erwähnen, dass er das Gefühl hatte, verfolgt zu werden! Alexander Aljechins Initialen waren AA, und damit würde er an der Spitze jeder Liste stehen!

Aljechin starb einen oder zwei Tage nachdem der Britische Schachverband entschieden hatte, den Wettkampf Botvinnik-Aljechin auszutragen... also, wenn es einen Mörder gab, dann musste er schnell handeln, da Aljechin kurz davor stand, nach England zu fahren!"


Autopsiebericht

Wir haben keine unabhängige Bestätigung von Dr.Ferreiras angeblicher Zurücknahme seines ursprünglichen Autopsieberichts finden können, aber wir haben eine Kopie des ursprünglichen Autopsiedokuments ausfindig gemacht, das in keinem sehr guten Zustand ist. Ein Bild davon wurde uns von Lawrence Totaro aus Las Vegas, Nevada, geschickt, in dessen Besitz sich das Dokument befand und der es an den Sammler von Aljechin-Memorabilien, Guy Gignac aus Kanada, verkauft hat.




Die folgenden Textfragmente sind in den obigen Bildern des Berichts erkennbar:

Hotel Hafnia ... Copenhagen V
Sept. 8, 1967
I was present at Alexander Alekhine's
... which took place in the Department
... of the Medical School of
... University of Lisbon. Alekhine had been
(fo)und dead in his room in Estoril hotel
(u)nder conditions that were regarded as
(sus)picious and indicated the need of an
(au)topsy to ascertain the cause of death.
The autopsy revealed that Alekhine's cause
...(de)ath of asphyxia due to a piece of meat
... part of meal, which lodged
... in the larynx. There was no evidence
(whats)oever that foul play had taken place,
... suicide nor homicide. There were
... other diseases to which his sudden
(an)d unexpected death could be attributed.

(signed) Antonio J. Ferreira, M(D)
 
Der vollständige Bericht wird in Pablo Morans Buch Agony of a Chess Genius rekonstruiert:

Ich war bei der Autopsie von Alexander Aljechin zugegen, die im Fachbereich für Rechtsmedizin der Lehranstalt für Medizin der Universität von Lissabon vorgenommen wurde. Aljechin war in seinem Zimmer in einem Hotel in Estoril unter Umständen tot aufgefunden worden, die als verdächtig angesehen wurden und die Notwendigkeit einer Autopsie angezeigt erschienen lassen, um die Todesursache festzustellen. Die Autopsie ergab als Aljechins Todesursache Erstickung durch ein Stück Fleisch, offensichtlich Teil einer Mahlzeit, das im Kehlkopf steckte. Es gab keinerlei Hinweise, dass etwas nicht mit rechten Dingen zugegangen war, weder Selbstmord noch Totschlag. Es gab keine anderen Krankheiten, auf die sein plötzlicher und unerwarteter Tod zurückgeführt werden können. Antonio J. Ferreira, M.D.


Beerdigung und Grab

Nach seinem Tod blieb Aljechins Leichnam für die Dauer von drei Wochen in Estoril und wurde nicht begraben. Dann ließ ihn der Portugiesische Schachverband in einer ärmlichen Grabstätte auf dem Friedhof von Estoril beerdigen. Nur ein paar Schachfreunde waren anwesend. Seine Überreste blieben vergessen, bis die FIDE zusammen mit dem russischen und dem französischen Schachverband 1956 sie zum Cimetière du Montparnasse in Paris überführte. Am Kopfende seines Grabs errichtete man einen roten Gedenkstein aus Granit mit Aljechins Bild in Carraramarmor.


Aljechins Grab wie es von 1956 bis 1999 aussah

Die Inschrift auf dem Grab lautet: "Dieser Gedenkstein wurde am 25. März 1956 von der FIDE, dem Weltschachverband, errichtet – Folke Rogard, Präsident, Schweden, Viatcheslav Ragosin, Vizepräsident, Russland, Marcel Berman, Vizepräsident, Frankreich, Mikhail Botvinnik, Weltmeister, UdSSR, Gian Carlo Dal Verme (Italien) Pierre Dierman (Belgien)"



Der Text auf dem Grabstein gibt den 25. März 1946 als Todestag an, nicht den 24. März. Zusammen mit Aljechin begraben ist seine vierte Frau, die er 1934 geheiratet hatte. Grace Wishart, eine englische Witwe, die er kennen lernte, nachdem sie ein kleineres Schachturnier gewonnen hatte. Sie erhielt eines seiner Bücher als Preis und bat ihn, das Buch zu signieren. Grace Wishart war 16 Jahre älter als ihr Ehemann und überlebte ihn um 20 Jahre.



Am 26. Dezember 1999 gab es einen Hurrikan in Paris, der beträchtlichen Schaden in der Stadt anrichtete. Auch Aljechins Grab auf dem Friedhof in Montparnasse, wo übrigens auch Lev Polugaevsky begraben liegt, war betroffen. Der Gedenkstein wurde umgeweht, zersprang und fiel auf den Hauptgrabstein.


Mittlerweile wurde das Grab repariert und wieder in seinen ursprünglichen Zustand versetzt.


Der Grabstein hat ein neues Bild aus Carraramarmor



Das Schachbrett wurde restauriert oder ersetzt, leider mit dem üblichen Fehler der 90° Drehung
 

Frederic Friedel

 

Links

• Bilder von Aljechins Grab von Darren Radford,
Chess@Portsmouth.
• Siehe auch Find a Grave für Alexander Aljechin.
Audio interview mit Alekhine von 1938 bei BBC
 

 

 

 


Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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