Internet Schachweltweltmeisterschaft der
FIDE
Von Dorian Rogozenko
Die Internet-Schachweltmeisterschaft (WICC) wurde von der FIDE auf ihrer
Website www.fide.com organisiert. Das Hauptziel bestand darin, acht
Spieler zu bestimmen, die sich für die Weltmeisterschaft qualifizieren
würden, welche am 25. November in Moskau beginnt.
Wie nahm alles seinen Anfang? Auf der FIDE-Website wurde verkündet, dass
ab Ende Juni jeder, der die Mitgliedsgebühr von 39 US-Dollar entrichtet,
zum ersten Teil der Veranstaltung zugelassen werden würde, welche am 15.
September beendet sein sollte (am Ende wurde diese um 10 weitere Tage
verlängert). Anschließend würden die Teilnehmer, welche die Ränge 1-256
einnahmen, auf weitere 256 stoßen und ins Halbfinale einziehen. Diese
weiteren 256 Spieler tauchten letztendlich niemals auf, und ich habe nicht
die leiseste Ahnung, wer sie eigentlich sein sollten. Von den insgesamt
512 Teilnehmern sollten 64 ins Finale vorrücken, wo denen sich dann die
besten acht für die Weltmeisterschaft qualifizierten. Die Zeitkontrolle
für die WICC-Partien betrug 25 Minuten pro Spieler für die gesamte Partie,
mit 15 Sekunden Bonus pro Zug.
Was geschah in Wirklichkeit? Ende August war klar, das JEDER, der die
Mitgliedsgebühr entrichtete, sich unter den ersten 256 befinden würde,
einfach aus dem Grund, weil die Anzahl der Gesamtteilnehmer (Mitglieder)
geringer war. Es gab nur eine kleinere Einschränkung: jeder Spieler, der
das Halbfinale bestreiten wollte, musste vor dem 24. September mindestens
vier Partien spielen, was, wie man sich vorstellen kann, kaum ein Problem
darstellte. Das Halbfinale begann am 25. September mit lediglich 102
Spielern anstatt der erwarteten 512. Dadurch wurden die Möglichkeit einer
Qualifikation für das Finale erheblich erhöht - die Aufgabe bestand darin,
einen der ersten 64 Plätze von 102 zu belegen, nicht von 512 (ein ganz
schöner Unterschied!). Alle Phasen der WICC wurden nach Schweizer System
ausgetragen, also nicht im K.O.-Modus (obwohl man bei 512 bzw. 64
vorgesehenen Spielern eher selbigen erwarten würde). Das Halbfinale
ersteckte sich über neun Runden nach offenem Schweizer System, das Finale
über acht Runden.
In der Finalphase - acht Runden - kämpften also 64 Spieler um acht Plätze.
Einige Namen von Teilnehmern: Shipov, Wojtkiewicz, Nataf, Nielsen, Agrest,
Fressinet, Blatny ... Insgesamt zählte ich elf GMs und eine Reihe von IMs.
Der Endstand mit den besten acht lautete schließlich:
1. Vlassov, Nikolai m RUS 2453 6.5
2. Touzane, Olivier m FRA 2368 6.0
3. Rogozenko, Dorian g RUM 2536 6.0
4. Nataf, Igor-Alexandre g FRA 2535 6.0
5. Nielsen, Peter Heine g DEN 2620 6.0
6. Sarthou, Gaetan f FRA 2361 5.5
7. Shipov, Sergei g RUS 2625 5.5
8. Zeliakov, Nugzar RUS ---- 5.5
Noch ein weiterer Spieler kam auf sechs Punkte, wurde aber vom
Schiedsgericht disqualifiziert. Sein Name ist Rafal Furdzik (USA), und die
Schiedsrichter gelangten einstimmig zu der Entscheidung, dass er während
der Partien Computersoftware benutzt hatte.
Die Durchführung der WICC erwies sich für die FIDE eine schwierige
Aufgabe, die sie großartig meisterte. Dennoch stieß man sicher auf viele
unvorhersehbare Dinge, die enttäuscht haben müssen. So betrug die Anzahl
der Teilnehmer anstatt der erwarteten 512 nur 102. Außerdem hatte man
einige technische Probleme, die bei der Durchführung derart großer
Veranstaltungen kaum zu vermeiden sind. Es gab einige Beschwerden. In
Runde 2 beispielsweise war es Epishin nicht möglich, Verbindung zum
FIDE-Server zu bekommen. Diese Partie wurde neu angesetzt. Die Lehre
hieraus wäre, dass man die Spielzone testen muss, bis alle möglichen
Fehlerquellen elminiert sind.
Ein weiterer Aspekt bei Online-Schachturnieren ist die Verwendung von
Hilfe während der Partie. Die Disqualifikation von Rafal Furdzik durch das
Schiedsgericht zog den Protest des Betroffenen nach sich. Ich bin fest
überzeugt, dass es unmöglich ist, eine solche Hilfe zu entdecken, solange
nicht Schiedsrichter während der Partie anwesend sind. Ja, man kann es
vermuten und hunderprozentig sicher sein, dass jemand externe Hilfe
verwendet, aber es ist nicht möglich, dies zu beweisen. Manchmal können
erfahrene Spieler die ganze Partie wie ein Computer herunterspulen,
manchmal machen sie mehrfach Fehler. Und das Schlechte daran ist,
Verdächtigungen sind bedeutungslos - wenn ein wertungsschwächerer Spieler
viele Partien gegen erheblich stärkere Gegner gewinnt, wird jeder
überzeugt sein, dass er externe Hilfe einsetzt. Niemand wird in der Lage
sein, es zu beweisen. Mit Hilfe meine ich in erster Linie Schach spielende
Software, wie Fritz zum Beispiel, es kann sich aber auch um Ratschläge
eines stärkeren Spielers handeln oder die Verwendung von Büchern,
Datenbanken usw. Aus diesem Blickwinkel gesehen glaube ich, dass es immer
Verdächtigungen und Proteste geben wird, aber das ist nicht die Schuld der
FIDE.
Erforderlich sind allerdings eindeutige Regeln sowie sehr erfahrene und
neutrale Schiedsrichter. Auf Grund unklarer Regelungen und mangelnder
Kontakte zwischen der FIDE und Teilnehmern der WICC kam es am Ende zu
einem ziemlich peinlichen Vorfall. Bis zum jetzigen Augenblick kann ich
nicht erklären, wie es kam, dass GM Igor Nataf seine Partien aus den
letzten beiden Runden noch einmal spielen durfte. Ich glaube, viele
WICC-Spieler warten auf eine Erklärung seitens der FIDE. Seine Remisen in
den Runden 7 und 8 wirkten absolut authentisch. Beide Begegnungen endeten
nach langem Kampf mit Zugwiederholung, was das logischste Resultat zu sein
schien. Doch Nataf spielte beide Partien noch einmal und gewann jeweils,
womit er sich für die Weltmeisterschaft qualifizierte...
Dies ist in Kurzform die Schilderung der WICC. Ich kann einige meiner
Partien vorstellen, falls jemand Interesse hat. Ich verstehe nicht,
weshalb es keine Möglichkeit gab, die Partien herunterzuladen. Ohne
Zweifel müssen sämtliche Partien der Öffentlichkeit zugänglich sein, damit
jeder für sich selbst ein Urteil fällen kann, was in diesen Begegnungen
geschah.
GM Dorian Rogozenko