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von ChessBase
24.10.2001 – Für die kommende FIDE-Weltmeisterschaft (Moskau; November/Dezember 2001) wurden acht Plätze über ein Internet-Qualifikationsturnier vergeben. ChessBase Autor GM Dorian Rogozenko hat teilgenommen und hatte das Glück, sich für die WM auf diesem Wege zu qualifizieren. Hier sein Erfahrungsbericht. Bericht zur WICC... Mehr...

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Internet Schachweltweltmeisterschaft der FIDE
Von Dorian Rogozenko



Die Internet-Schachweltmeisterschaft (WICC) wurde von der FIDE auf ihrer Website www.fide.com organisiert. Das Hauptziel bestand darin, acht Spieler zu bestimmen, die sich für die Weltmeisterschaft qualifizieren würden, welche am 25. November in Moskau beginnt.

Wie nahm alles seinen Anfang? Auf der FIDE-Website wurde verkündet, dass ab Ende Juni jeder, der die Mitgliedsgebühr von 39 US-Dollar entrichtet, zum ersten Teil der Veranstaltung zugelassen werden würde, welche am 15. September beendet sein sollte (am Ende wurde diese um 10 weitere Tage verlängert). Anschließend würden die Teilnehmer, welche die Ränge 1-256 einnahmen, auf weitere 256 stoßen und ins Halbfinale einziehen. Diese weiteren 256 Spieler tauchten letztendlich niemals auf, und ich habe nicht die leiseste Ahnung, wer sie eigentlich sein sollten. Von den insgesamt 512 Teilnehmern sollten 64 ins Finale vorrücken, wo denen sich dann die besten acht für die Weltmeisterschaft qualifizierten. Die Zeitkontrolle für die WICC-Partien betrug 25 Minuten pro Spieler für die gesamte Partie, mit 15 Sekunden Bonus pro Zug.

Was geschah in Wirklichkeit? Ende August war klar, das JEDER, der die Mitgliedsgebühr entrichtete, sich unter den ersten 256 befinden würde, einfach aus dem Grund, weil die Anzahl der Gesamtteilnehmer (Mitglieder) geringer war. Es gab nur eine kleinere Einschränkung: jeder Spieler, der das Halbfinale bestreiten wollte, musste vor dem 24. September mindestens vier Partien spielen, was, wie man sich vorstellen kann, kaum ein Problem darstellte. Das Halbfinale begann am 25. September mit lediglich 102 Spielern anstatt der erwarteten 512. Dadurch wurden die Möglichkeit einer Qualifikation für das Finale erheblich erhöht - die Aufgabe bestand darin, einen der ersten 64 Plätze von 102 zu belegen, nicht von 512 (ein ganz schöner Unterschied!). Alle Phasen der WICC wurden nach Schweizer System ausgetragen, also nicht im K.O.-Modus (obwohl man bei 512 bzw. 64 vorgesehenen Spielern eher selbigen erwarten würde). Das Halbfinale ersteckte sich über neun Runden nach offenem Schweizer System, das Finale über acht Runden.

In der Finalphase - acht Runden - kämpften also 64 Spieler um acht Plätze. Einige Namen von Teilnehmern: Shipov, Wojtkiewicz, Nataf, Nielsen, Agrest, Fressinet, Blatny ... Insgesamt zählte ich elf GMs und eine Reihe von IMs. Der Endstand mit den besten acht lautete schließlich:


1. Vlassov, Nikolai m RUS 2453 6.5
2. Touzane, Olivier m FRA 2368 6.0
3. Rogozenko, Dorian g RUM 2536 6.0
4. Nataf, Igor-Alexandre g FRA 2535 6.0
5. Nielsen, Peter Heine g DEN 2620 6.0
6. Sarthou, Gaetan f FRA 2361 5.5
7. Shipov, Sergei g RUS 2625 5.5
8. Zeliakov, Nugzar RUS ---- 5.5

Noch ein weiterer Spieler kam auf sechs Punkte, wurde aber vom Schiedsgericht disqualifiziert. Sein Name ist Rafal Furdzik (USA), und die Schiedsrichter gelangten einstimmig zu der Entscheidung, dass er während der Partien Computersoftware benutzt hatte.

Die Durchführung der WICC erwies sich für die FIDE eine schwierige Aufgabe, die sie großartig meisterte. Dennoch stieß man sicher auf viele unvorhersehbare Dinge, die enttäuscht haben müssen. So betrug die Anzahl der Teilnehmer anstatt der erwarteten 512 nur 102. Außerdem hatte man einige technische Probleme, die bei der Durchführung derart großer Veranstaltungen kaum zu vermeiden sind. Es gab einige Beschwerden. In Runde 2 beispielsweise war es Epishin nicht möglich, Verbindung zum FIDE-Server zu bekommen. Diese Partie wurde neu angesetzt. Die Lehre hieraus wäre, dass man die Spielzone testen muss, bis alle möglichen Fehlerquellen elminiert sind.

Ein weiterer Aspekt bei Online-Schachturnieren ist die Verwendung von Hilfe während der Partie. Die Disqualifikation von Rafal Furdzik durch das Schiedsgericht zog den Protest des Betroffenen nach sich. Ich bin fest überzeugt, dass es unmöglich ist, eine solche Hilfe zu entdecken, solange nicht Schiedsrichter während der Partie anwesend sind. Ja, man kann es vermuten und hunderprozentig sicher sein, dass jemand externe Hilfe verwendet, aber es ist nicht möglich, dies zu beweisen. Manchmal können erfahrene Spieler die ganze Partie wie ein Computer herunterspulen, manchmal machen sie mehrfach Fehler. Und das Schlechte daran ist, Verdächtigungen sind bedeutungslos - wenn ein wertungsschwächerer Spieler viele Partien gegen erheblich stärkere Gegner gewinnt, wird jeder überzeugt sein, dass er externe Hilfe einsetzt. Niemand wird in der Lage sein, es zu beweisen. Mit Hilfe meine ich in erster Linie Schach spielende Software, wie Fritz zum Beispiel, es kann sich aber auch um Ratschläge eines stärkeren Spielers handeln oder die Verwendung von Büchern, Datenbanken usw. Aus diesem Blickwinkel gesehen glaube ich, dass es immer Verdächtigungen und Proteste geben wird, aber das ist nicht die Schuld der FIDE.

Erforderlich sind allerdings eindeutige Regeln sowie sehr erfahrene und neutrale Schiedsrichter. Auf Grund unklarer Regelungen und mangelnder Kontakte zwischen der FIDE und Teilnehmern der WICC kam es am Ende zu einem ziemlich peinlichen Vorfall. Bis zum jetzigen Augenblick kann ich nicht erklären, wie es kam, dass GM Igor Nataf seine Partien aus den letzten beiden Runden noch einmal spielen durfte. Ich glaube, viele WICC-Spieler warten auf eine Erklärung seitens der FIDE. Seine Remisen in den Runden 7 und 8 wirkten absolut authentisch. Beide Begegnungen endeten nach langem Kampf mit Zugwiederholung, was das logischste Resultat zu sein schien. Doch Nataf spielte beide Partien noch einmal und gewann jeweils, womit er sich für die Weltmeisterschaft qualifizierte...

Dies ist in Kurzform die Schilderung der WICC. Ich kann einige meiner Partien vorstellen, falls jemand Interesse hat. Ich verstehe nicht, weshalb es keine Möglichkeit gab, die Partien herunterzuladen. Ohne Zweifel müssen sämtliche Partien der Öffentlichkeit zugänglich sein, damit jeder für sich selbst ein Urteil fällen kann, was in diesen Begegnungen geschah.

GM Dorian Rogozenko



Die ChessBase GmbH, mit Sitz in Hamburg, wurde 1987 gegründet und produziert Schachdatenbanken sowie Lehr- und Trainingskurse für Schachspieler. Seit 1997 veröffentlich ChessBase auf seiner Webseite aktuelle Nachrichten aus der Schachwelt. ChessBase News erscheint inzwischen in vier Sprachen und gilt weltweit als wichtigste Schachnachrichtenseite.

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