16.03.2018 – Das Springeropfer 12.Sxf7 in der Anti-Moskauer-Variante war seinerzeit so spektakulär, dass die FAZ das Diagramm auf die Titelseite setzte. Dann wurde das Opfer entkräftet und verschwand wieder aus der Praxis. Nun hat Alexander Grischuk es reanimiert. Conrad Schormann wirft ein Schlaglicht auf seine Partie gegen Ding in Runde vier des Kandidatenturnieres.
neu: Eröffnungslexikon 2023
Das neue ChessBase-Eröffnungslexikon 2023 - Mehr Inhalt. Mehr Ideen.
• Über 1.396 Eröffnungsartikel /spezielle Theoriedatenbanken mit professionellen Analysen
• 70 Videos. Gesamtspielzeit: 29 Stunden (Englisch)
• Eröffnungstutorials zur Vorstellung aller bekannten Eröffnungen zum Kennenlernen für Einsteiger – mit Verlinkung zu den weiterführenden Eröffnungsartikeln
• 7.444 Eröffnungsübersichten, davon 384 neu & aktualisiert von GM Lubomir Ftacnik erstellt
• Intuitive Menüstruktur, Sortierung nach Eröffnungsnamen, komfortabler Zugriff
ChessBase ist die persönliche Schach-Datenbank, die weltweit zum Standard geworden ist. Und zwar für alle, die Spaß am Schach haben und auch in Zukunft erfolgreich mitspielen wollen. Das gilt für den Weltmeister ebenso wie für den Vereinsspieler oder den Schachfreund von nebenan
Great players always have their own successful variations in the opening.
35,90 €
Kandidaten-Schlaglicht:
Schach auf der Titelseite der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, das gab es zuletzt am 24. Januar 2008. Beim alljährlichen Superturnier in Wijk an Zee hatte Veselin Topalov Vladimir Kramnik mit einem spektakulären Springeropfer überrumpelt.
12.Se5xf7, ein Zug in einer bekannten Stellung aus dem Anti-Moskau, den zuvor niemand ernsthaft in Betracht gezogen hatte. Als Gegenwert für die Figur bekommt Weiß einen Bauern und exponiert den schwarzen König ein wenig. Das kann nicht genug sein, dachte jeder, bis Topalov an eben jenem 24. Januar den Springer auf f7 hineinprügelte und gegen keinen Geringeren als den russischen Exweltmeister (und seinen Erzfeind) eine glänzende Partie gewann.
Topalov war aufgefallen, dass Weiß eben doch ein bisschen mehr bekommt als einen Bauern und einen im Zentrum festgenagelten schwarzen König. Nach 12...Ke8xf7 folgt 13.e4-e5, dann Sc3-e4-d6+, und dieser mitten im schwarzen Lager eingepflanzte Gaul hemmt die schwarze Koordination erheblich.
Halb-Slawisch (1.d4 d5 2.c4 c6 3.Sf3 Sf6 4.Sc3 e6) ist eine der interessantesten und spannendsten Eröffnungen nach 1.d4. Nielsen erklärt auf dieser DVD was hinter dieser Eröffnung steckt.
Natürlich haben sich sofort die Schach-Analysten auf Topalovs Springeropfer gestürzt, und recht bald war ein Gegengift gefunden. Auf dem Brett demonstrierte als erster Verteidigungsminister Sergej Karjakin, was Schwarz zu tun hat:
16.Le2-g4 mit der Drohung Dd1-c2-g6
Zu dieser Stellung kommt es nach 12.Se5xf7 praktisch immer. Weiß zieht 16.Le2-g4, und das beinhaltet eine nicht offensichtliche, aber umso kräftigere Drohung. Gegen fast jeden schwarzen Zug (16...Ta8-f8 zum Beispiel) wird Weiß 17.Dd1-c2 nebst 18.Dc2-g6 folgen lassen, und dann hängt es bei Schwarz an allen Ecken und Enden. Der Nachziehende steht vor einem kaum zu überwindenden Berg von Problemen
16...h6-h5 ist das Gegengift, zuerst gespielt von Sergey Karjakin im Juni 2008 gegen Alexei Schirov. Schwarz gibt einen Bauern, um die weiße Koordination zu stören, so dass Weiß nicht zu Dd1-c2-g6 kommt. Die Partie endete zwar nach gewaltigen Komplikationen remis, aber seitdem hat kein Großmeister sich mit Weiß auf 16...h6-h5 eingelassen.
Die Stellung bleibt hochkompliziert, aber objektiv kämpft Weiß schon ums Remis. Ein Blick in die Online-Datenbank zeigt, wie stark 16...h6-h5 ist:
Wie Alexander Grischuk sich auf Ding Liren vorbereitete
Als sich in den vergangenen Monaten Alexander Grischuk auf das Kandidatenturnier vorbereitete, wird ihm nicht entgangen sein, dass Ding Liren sein Schwarzrepertoire ab 2016 von dynamisch/riskant auf solide umgestellt hat, also zu der Zeit, als der Chinese begann, sich in der Weltklasse zu etablieren. Gegen 1.e2-e4 zieht er jetzt ...e7-e5 (aber spielt kein Russisch wie seine Landsleute), gegen 1.d2-d4 kommt Nimzo-Indisch oder Damengambit/Halbslawisch.
Grischuk-Ding (Foto: World Chess)
Weil Ding Liren sein Eröffnungsrepertoire erst vor kurzem auf Weltklasse umgestellt hat, ist es wahrscheinlich das schmalste aller acht Teilnehmer. Wer gegen Chinas ersten Kandidaten eine bestimmt Stellung ansteuern möchte, der hat gute Chancen, sie tatsächlich zu erreichen. Zum Beispiel diese:
Die Grundstellung des Anti-Moskau, ein vertracktes Biest, das vor allem im Fernschach debattiert wird. Schwarz hat einen Bauern mehr, aber angesichts seiner Lockerungsübungen auf Damen- und Königsflügel keine gute Option für seinen König. Nur kommt Weiß an den nicht so leicht heran, weil die vorgerückten schwarzen Bauern auch die weiße Entwicklung behindern.
Grischuk wird sich unter anderem angesehen haben, wie Ding Liren 2016 in St. Louis im Anti-Moskau von Hikaru Nakamura abgefertigt worden ist. Mit der Eröffnung hatte das zwar wenig zu tun, aber damit, dass Ding in einer unorthodox-verwickelten Stellung, die beiderseits für Menschen kaum navigierbar ist, als erster danebengriff. Nakamura war besser vorbereitet, besser vertraut mit all den schrägen Motiven und konkreten taktischen Verwicklungen im Anti-Moskau, die sich (ähnlich wie im Botwinik-System oder im Winawer-Franzosen) generellen schachlichen Erwägungen entziehen
Die Anti-Moskauer-Variante ist eine Abart des Botwinnik-Systems im Meraner Damengambit. Einer der führenden Eröffnungs-Experten, Rustam Kasimdzhanov erklärt hier die Feinheiten.
Und schon hatte Grischuk ein Konzept gefunden, wie sich Ding Liren besiegen lässt: die Verwicklungen des Anti-Moskau ansteuern, konkreter vorbereitet sein und darauf setzen, dass Ding zuerst fehlgreift. Jetzt musste er sich nur noch für einen der zahlreichen weißen Aufbauten entscheiden. An dieser Stelle beginnt der beeindruckende Part seiner Vorbereitung, der zeigt, wie unabhängig Alexander Grischuk denkt. Anstatt die jüngst ausgetretenen Pfade nach neuen Ideen abzusuchen, hat er sich Topalows altes Springeropfer noch einmal vorgenommen. Er fand heraus, dass Weiß gar nicht das auch im Fernschach bislang ausschließlich gespielte 16.Le2-g4 ziehen muss. Weiß kann die Angelegenheit trotz Minusfigur mit 16.a2-a4 ruhiger, weniger konkret angehen.
AlphaZero habe ihm den Zug empfohlen, scherzte Grischuk in der Pressekonferenz nach der Partie. "Stockfish hasst a2-a4", ergänzte er noch, eine Lüge – oberflächlich betrachtet. Zwar bewertet Stockfish 9 bei (Suchtiefe 46) 16.a2-a4 als besten Zug mit 0,00, aber Grischuk spielte auf das Konzept dahinter an.Von AlphaZero hat die Schachwelt gelernt, dass Material in höherem Maße nur ein Faktor von vielen ist, als wir bislang dachten. Nicht nach Mehrbauern, sondern nach positioneller Dominanz strebte AlphaZero in seinen Gewinnpartien. Die Maschine gab freudig Material her, so lange sie nur ihren Gegner eisern umklammert halten konnte, so lange dieser keine Möglichkeit hatte, seine Truppen zu koordinieren und befreien. Genau dieses Konzept befolgte Alexander Grischuk in der Partie gegen Ding Liren:
Der Springer auf d6 ist so dominant, und Schwarz hat so große Schwierigkeiten, Spiel zu finden, dass Weiß trotz Minusfigur in aller Ruhe 20.Kh1 spielen und f4 vorbereiten kann. AlphaZero würde angesichts des weißen Spiels entzückt mit der Zunge schnalzen, wenn es denn eine hätte.
Nur spielte hier Mensch gegen Mensch, und Grischuk passierte ein typisch menschlicher Lapsus. Nachdem er mehr als 20 Züge Vorbereitung mehr oder weniger heruntergeblitzt hatte, unterlief Ding Liren unter Zeit- und positionellem Druck ein erster grober Fehler. Aber Grischuk war noch nicht recht warm und übersah beim ersten selbstständig zu findenden Zug die Gewinnmöglichkeit, die ihm der Chinese offenbart hatte.
Ding Liren befreite sich nach und nach, gewann gar die Oberhand, aber die Lage blieb hochkompliziert. Am Ende einer spektakulären Partie teilten die Kontrahenten den Punkt.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat nicht berichtet.
Conrad SchormannConrad Schormann, gelernter Tageszeitungsredakteur, betreibt in Überlingen am Bodensee ein Büro für Redaktion und Kommunikation. Fürs Schachspielen hat er zu wenig Zeit, was auch daran liegt, dass er so gerne darüber schreibt, sei es für Chessbase, im Reddit-Schachforum oder für sein Schach-Lehrblog Perlen vom Bodensee...
Schacholympiade 2024 mit Analysen von Abdusattorov, Aronian, Giri, So, u.v.a. Blohberger, Werle und Zwirs zeigen neue Eröffnungsideen im Video. 10 Repertoireartikel von Englisch bis Königsindisch u.v.m.
Das Neo-London-System bietet viele neue, kreative Möglichkeiten, um Ihre Gegner schon in den frühen Phasen der Partie vor ernsthafte Probleme zu stellen.
Dieser Kurs ist nicht nur eine weitere Ergänzung deiner Schachbibliothek – er ist der ultimative Leitfaden, um dein Endspiel zu verbessern. Von den Grundprinzipien bis hin zu fortgeschrittenen Techniken deckt „Practical Endgames“ jeden Aspekt der Endspiel
„Dynamisches Spiel“ ist dein ultimativer Leitfaden, um aggressive Strategien zu meistern und das Schachbrett zu dominieren. Mit praktischen Tipps, Übungen und Analysen erlangst du die Fähigkeiten und das Selbstvertrauen, jeden Gegner zu schlagen.
39,90 €
Wir verwenden Cookies und vergleichbare Technologien, um bestimmte Funktionen zur Verfügung zu stellen, die Nutzererfahrungen zu verbessern und interessengerechte Inhalte auszuspielen. Abhängig von ihrem Verwendungszweck können dabei neben technisch erforderlichen Cookies auch Analyse-Cookies sowie Marketing-Cookies eingesetzt werden. Hier können Sie der Verwendung von Analyse-Cookies und Marketing-Cookies widersprechen. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Ihre Einstellungen zu Cookies für diese Website
Wir verwenden Cookies und vergleichbare Technologien, um bestimmte Funktionen zur Verfügung zu stellen, die Nutzererfahrungen zu verbessern und interessengerechte Inhalte auszuspielen. Abhängig von ihrem Verwendungszweck können dabei neben technisch erforderlichen Cookies auch Analyse-Cookies sowie Marketing-Cookies eingesetzt werden. Analyse-Cookies und Marketing-Cookies werden eingesetzt, solange Sie nicht durch eine entsprechende Einstellung widersprechen. Bitte beachten Sie, dass Ihre Auswahl dazu führen kann, dass die Funktionalität des Angebots beeinträchtigt wird. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Technisch erforderliche Cookies
Technisch erforderliche Cookies: Damit Sie navigieren und die Basisfunktionen bedienen können sowie zur Speicherung von Präferenzen.
Analyse-Cookies
Damit wir feststellen können, wie Besucher mit unserem Angebot interagieren, um die Nutzererfahrungen zu verbessern.
Marketing-Cookies
Damit wir relevante Inhalte und interessengerechte Werbung anbieten und auswerten zu können.