Wir machen das der Sache, nicht des Geldes wegen!" Schiedsrichter Ralph Alt
über die Aufgaben der Unparteiischen und ihre Akzeptanz bei den Spielern.
Interview: Sebastian Siebrecht
Ralph Alt ist Bundesturnierdirektor des Deutschen Schachbundes (DSB). Der 61-Jährige
leitet die Deutschen Einzelmeisterschaften und ist bei der Olympiade in Dresden
als Sektorschiedsrichter im Einsatz. Für den Vorsitzenden Richter am Landgericht
in München ist Neutralität oberstes Gebot. Die Dresdner Neuesten Nachrichten
sprachen mit ihm über die Arbeit der Unparteiischen.
Wie groß ist das Schiedsrichterteam bei der Olympiade?
Ralph Alt: Wir sind insgesamt 113 Schiedsrichter. Davon sind 99 Matcharbiter,
sieben Seniorarbiter, zwei Deputies und ein Hauptschiedsrichter. Darüberhinaus
gibt es vier Mitglieder des TAP (Technical Administation Panel). Im Team sind
vier Frauen und 50 ausländische Kollegen.
Was ist zu tun?
Wir müssen mindestens eineinhalb Stunden vor der Spielbeginn im Kongresszentrum
sein. Ich teile die Schiedsrichter für die verschiedenen Kämpfe meines Sektors
ein. Hierbei muss ich die Nationalität beachten. Dann müssen der korrekte Aufbau
der Figuren kontrolliert und diese ausgerichtet werden. Auch die Bedenkzeit
muss eingestellt werden. Während des Kampfes ist darauf zu achten, dass die
Schachregeln eingehalten werden. Wir müssen die Ergebnisse erfassen und eine
Spielbericht schreiben. Die Rundenauslosung erfolgt durch die TAP.
Alles unter Kontrolle: Blick auf das Spielgeschehen bei der Olympiade
Sind Streitfälle vorgekommen?
Das Turnier ist sehr ruhig verlaufen. Bei Zeitnot müssen wir bei Blättchenfall
einschreiten. Partieverlust wegen Handyklingelns gab es nur einmal. Bezüglich
der neuen Regel in Sachen Zuspätkommen (absolute Pünktlichkeit am Brett bei
Rundenbeginn) mussten wir fünf Partien als verloren werten.
Wie ist die Struktur im Schiedsrichterwesen, kann man Titel erwerben,
wie die Spieler?
Man fängt als Turnierleiter an. Dann kommt die Prüfung zum Regionalen Schiedsrichter.
Die nächste Stufe ist der Nationale Schiedsrichter, welcher zumeist auch in
der Bundesliga eingesetzt wird. Darüber kommt der Fide-Arbiter, die höchste
Stufe ist der Internationale Schiedsrichter. Mindestens zwei Jahre muss sich
der Schiedsrichter in der jeweiligen Stufe beweisen, zudem muss er Prüfungen
ablegen.
Kann man davon leben?
Nur der Hauptschiedsrichter Ignatius Leong hat einen Posten im Generalsekretatriat
der Fide und ein geregeltes Einkommen.
Hauptschiedsrichter Ignatius Leong (links) mit seinem Chef Kirsan Ilyumzhinov
Der Hauptteil der Schiedsrichter tritt für Spesenersatz an. Die Matchschiedsricher
werden nach Fide-Statuten bezahlt und erhalten für die zwei Wochen Einsatz bei
der Olympiade 750 Euro plus Vollverpflegung und Unterbringung im Doppelzimmer.
Die meisten nehmen ein Einzelzimmer, dann werden 250 Euro abgezogen. Da bleibt
kaum etwas übrig. Die deutschen Schiedsrichter mussten zuvor auch noch einen
Lehrgang - im Juli oder den im September - hier in Elbflorenz besuchen. Auf
größtenteils eigene Kosten. Wir machen das der Sache, nicht des Geldes wegen!
Wie sind Sie mit dem Turnier zufrieden?
Ich bin sehr zufrieden. Es gab so gut wie keine Streitfälle. Wir werden von
den Mannschaften als Respektpersonen geachtet. Dies ist nicht immer der Fall.
Ein klarer Unterschied zwischen nationalen und internationalen Veranstaltungen.
In der Bundesliga haben die Schiedsrichter einen anderen Stellenwert.
Gab es gar kein besonderes Vorkommnis?
Leider kam es zu einem Vorfall. Unser Schiedsrichter, Detlef Wickert, wurde
aufgrund eines Disputs mit dem Fide-Offiziellen vom Exekutiv-Board, George Mastrokoukos,
aus dem Turnier ausgeschlossen. In Zeitnot wies er ausgerechnet diesen mit etwas
physischem Nachdruck zurecht, da dieser sich direkt am Brett sehr laut unterhielt.
Wir versuchen, den Spielern gerecht zu werden und für gute Spielbedingungen
zu sorgen, so dass diese sich nur auf die Partie konzentrieren können. Der beste
Schiedsrichter ist der, der souverän arbeitet und für die Spieler kompetent
auftritt und nur in kritischen Situationen eingreift.