An Aljechins Grab

von André Schulz
13.09.2022 – Alexander Aljechin war einer der Größten im Schach. Das Können des 1946 unter mysteriösen Umständen verstorbenen Weltmeisters strahlt bis heute aus, wie ein Brief zeigt, den Schachfreund Ludger Bröring auf Aljechins Grab auf dem Cimetière du Montparnasse in Paris entdeckte.

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Alexander Aljechin, geboren am 19. Oktober 1892 in Moskau, gestorben am 24. März 1946 in Estoril, war der vierte Schachweltmeister der Geschichte nach Steinitz, Lasker und Capablanca.

Alexander Aljechin war Sohn adeliger Eltern. Sein Vater war ein Duma-Abgeordneter, seine Mutter die Tochter eines Industriellen. Nach der Revolution gelang es Aljechin die Sowjetunion zu verlassen, indem er 1922 die Schweizerin Anneliese Rüegg heiratete. Das Paar hatte einen Sohn und lebte eine Zeitlang in Berlin. Aljechin ging 1927 nach Frankreich, während seine Frau mit dem Kind in die Schweiz zurückkehrte.

Im Wettkampf um die Weltmeisterschaft 1927 in Buenos Aires gegen Capablanca war Aljechin krasser Außenseiter, aber er gewann den bis dahin längsten Schachweltmeisterschaftskampf der Geschichte. Er verteidigte den Titel zweimal gegen Bogoljubow, verlor ihn gegen Euwe und gewann ihn im Revanchekampf zurück. Danach hielt er den Titel bis bis zu seinem Tod 1946, auch weil der Krieg keine Weltmeisterschaftskämpfe mehr erlaubte.

Bei einem Simultan in Japan hatte Aljechin Grace Wishaar kennengelernt und heiratete sie 1934. Sie war 16 Jahre älter als Alexander Aljechin. Von ihrem verstorbenen Mann hatte sie viel Geld geerbt und ein Schloss in Nordfrankreich gekauft, wo das Ehepaar Aljechin nun bis zur Besetzung Frankreichs durch die Nazis lebte.

Zu Beginn des Zweiten Weltkrieges hatte Aljechin mit seinen guten Sprachkenntnissen in der Nachrichtenabteilung der französischen Armee gedient. Nach der Kapitulation ließ er sich jedoch von den Nationalsozialisten vereinnahmen, hatten engen Kontakt zum NS-Bonzen Hans Frank, der ein Schachliebhaber war, und nahm unter anderem an Turnieren im besetzten Polen und der Tschechoslowakei teil. Zudem veröffentlichte Aljechin die Beiträge über das "jüdische und arische Schach". Aljechin wäre gerne nach Amerika emigriert und hielt sich auch deswegen zum Ende des Krieges in Portugal auf, um dort vielleicht eine Gelegenheit zu einer Überfahrt zu finden.

Schon vor dem Krieg hatte Michail Botwinnik Verhandlungen mit Aljechin über eine Titelverteidigung geführt und den Kontakt nach dem Ende des Krieges fortgesetzt. Aljechin wollte den Wettkampf gegen Botwinnik spielen. In England war man bereit, das Match ausrichten.

Doch dann wurde Aljechin am 24. März 1946 in Estoril unter mysteriösen Umständen tot aufgefunden. In den Berichten zu seinem Tod gibt es einige Unstimmigkeiten, die manche Verschwörungstheorie nährten. Hatten Agenten des Mossads oder die französische Résistance Aljechin umgebracht oder Feinde von Botwinnik, die dieser im russischen Geheimdienst hatte und die einen Wettkampf von Botwinnik mit Aljechin verhindern wollten? Oder hatte Aljechin gar Suizid begangen?

Aljechins Leichnam wurde 1956 von Estoril nach Paris überführt, wo er auf dem Cimetière du Montparnasse endgültig beigesetzt wurde. Die FIDE errichtete ihm einen Ehrengrabstein.

Aljechins Lebenslauf war von den politischen Ereignissen in Europa überschattet. Die russische Revolution, der Erste Weltkrieg und der Zweite Weltkrieg hatten immense Auswirkungen auf seine Lebensumstände.

Wie auch immer man seine Persönlichkeit beurteilen mag - er war einer der besten Schachspieler der Geschichte. Und strahlt mit seinen Leistungen am Schachbrett bis heute aus.

Schachfreund Ludger Bröring (SF Lohne) war im August mit seiner Familie in Paris und besuchte Aljechins Grab. Dort fand er auf der Grabstelle den Brief eines jungen Fans hinterlegt, der das Herz erwärmt.

Auf dem Brief steht:

Pour le plus grand joueur d`echecs de tout le temps. De votre plus fervent admirateur qui aimerait bien suivre vos traces.

Aurelién 11 ans

20/08/22

Auf Deutsch:

Für den größten Schachspieler aller Zeiten. Von Ihrem glühendsten Bewunderer, der gerne in Ihre Fußstapfen treten würde.

Aurelien 11 Jahre alt

20/08/22

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André Schulz, seit 1991 bei ChessBase, ist seit 1997 der Redakteur der deutschsprachigen ChessBase Schachnachrichten-Seite.